| Diakonie

Woche für das Leben 2024

Ökumenische Aktion fokussiert auf junge Erwachsene mit Behinderungen

Bild: Woche für das Leben

Die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ist zentrale Aufgabe von Politik, Kirche und Gesellschaft. Darauf verweisen die großen christlichen Kirchen in Baden-Württemberg anlässlich der am Samstag beginnenden „Woche für das Leben 2024“. Die ökumenische Aktion stellt unter dem Motto „Generation Z(ukunft): Gemeinsam. Verschieden. Gut.“ die Lebenswirklichkeiten Jugendlicher und junger Erwachsener mit Behinderungen in den Mittelpunkt.

„Unser gemeinsames Ziel und Auftrag muss es sein, Kinder und Jugendliche mit Behinderungen so zu fördern und zu unterstützen, dass sie über Bildung, Ausbildung und einen Arbeitsplatz vollwertig am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können“, sagt Ordinariatsrätin Karin Schieszl-Rathgeb von der Diözese Rottenburg-Stuttgart anlässlich eines Besuchs des „Treffpunkts“  ̶  einer Bildungs- und Begegnungsstätte für Menschen mit Behinderung der Caritas in Stuttgart. „Vor fast genau 15 Jahren trat in der Bundesrepublik die UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft. Noch immer gilt es, diese weiterhin konsequent umzusetzen. Der Zugang zur inklusiven Bildung und zum inklusiven Arbeitsmarkt muss für alle Menschen mit Behinderung sichergestellt werden“, betont die Ordinariatsrätin und setzt hinzu: „Daher erwarten wir endlich ein inklusives und umfassendes Recht der Kinder- und Jugendhilfe im Achten Sozialgesetzbuch. Daran muss sich die Reform des Sozialgesetzbuches und seine Finanzierung messen lassen.“ So bedeute Bildungsgerechtigkeit auch, dass Kinder mit Behinderungen wohnortnah Schulen vorfinden. Und mit Blick auf den Übergang in das Arbeitsleben betont Schieszl-Rathgeb: „Viele Arbeitgeber scheuen sich, den jungen Menschen mit einem Handicap einen Ausbildungsplatz anzubieten. Aktuell unterliegen rund 24.000 Arbeitgeber landesweit der sogenannten Beschäftigungspflicht von Menschen mit Behinderung. Jedoch erfüllen nur 8.000 Unternehmen diese im vollen Umfang. Dies und die Tatsache, dass rund 6.000 dieser Arbeitgeber aktuell bisher gar keine Menschen mit Behinderung beschäftigen, zeigt, dass wir hier noch großes Potential, aber auch Verantwortung haben.“ Und es seien weitere Hürden abzubauen: beim Zugang zur Ausbildung nach der Förderschule, bei inklusiven Planstellen und bei der Vereinfachung der Förderinstrumente für Arbeitnehmer und -geber.

Caritasdirektor Raphael Graf von Deym, Caritasverband für Stuttgart e.V., weist in den Räumen des „Treffpunkts“ darauf hin, dass es die Aufgabe der Politik sei, die zur Verwirklichung einer gleichberechtigten Teilhabe in allen Lebensbereichen erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen: Bauliche Barrierefreiheit in allen öffentlichen Gebäuden, uneingeschränkte Nutzbarkeit der öffentlichen Verkehrsmittel, sozialer Wohnungsbau für bezahlbaren Wohnraum, Durchlässigkeit des Arbeitsmarktes, leichte Sprache als Standard in vielen Lebensbereichen sowie eine individuelle Assistenz und die dazugehörende Finanzierung gehörten dazu.

Prälat Dr. Marc Witzenbacher von der Evangelischen Landeskirche in Baden sagt anlässlich des Besuchs der Stuttgarter Bildungs- und Begegnungsstätte: „In unserer Gesellschaft leben acht Millionen Menschen mit Behinderung. Mit dieser Tatsache müssen wir uns alle auseinandersetzen. Die katholische und evangelische Kirche in Deutschland tun das vielfältig. Denn die biblische Botschaft fordert uns dazu auf, gemeinsam eine Gesellschaft für alle und mit allen Menschen zu bauen. Als Christinnen und Christen glauben wir: Gott hat jedem Menschen das Leben geschenkt – so, wie es ist. In jedem Menschen sehen wir das Ebenbild Gottes. Daraus leiten wir die Würde des Menschen ab, die unverbrüchlich und unantastbar ist. Deshalb hat auch jeder Mensch das Recht, Teil unserer Gesellschaft zu sein.“ In christlicher Perspektive seien Menschen keine perfekten Wesen, sondern verletzlich. „Jede und jeder kann plötzlich durch eine Krankheit oder einen Unfall sein Leben verlieren oder nur noch eingeschränkt leben und auf Hilfe angewiesen sein“, sagt Witzenbacher und betont: „Das schließt jedwede herablassende Haltung oder Dominanz der einen gegenüber den anderen aus.“ Es dürfe im Horizont eines christlichen Menschenbildes keine Aufteilung zwischen Helfern und Hilfeempfängern geben: „Jede und jeder ist mal auf der Tribüne, mal auf dem Spielfeld – und alle bleiben Teil des Teams.“

Anna Vogel, eine der beiden Autorinnen aus der Schreibwerkstatt des „Treffpunkts“, die neben den Sportlern des inklusiven Unified Basketball-Teams „TREFFPUNKT 89er“ bei der Zusammenkunft im Vorfeld der „Woche für das Leben 2024“ mit dabei ist, beschreibt dagegen eine Realität, mit der sich junge Erwachsene mit Behinderung konfrontiert sehen, indem sie aus einem ihrer Texte vorliest: „Ich fühle mich behindert, wenn jeder mich ausnutzen tut. Sie kontrollieren mich. Das fühlt sich schrecklich an und macht mich traurig und wütend. Die sind nicht zufrieden mit mir wie ich bin mit meiner Art. Sie akzeptieren mich nicht. Dann fühle ich mich behindert.“

Ordinariatsrat Thorsten Gompper von der katholischen Kirche in Baden hält anlässlich der „Woche für das Leben 2024“ fest: „In der Erzdiözese Freiburg setzen wir uns dafür ein, dass unterschiedliche Generationen gemeinsam für eine gute und lebenswerte Zukunft zusammenwirken. Damit können Generationenkonflikte aufgrund von faktischen oder auch subjektiv erfahrenen Ungerechtigkeiten im kirchlichen und gesellschaftlichen Diskurs wahrgenommen und bearbeitet werden. Wir arbeiten für eine Zukunft, in der alle Menschen mit ihren individuellen Möglichkeiten teilhaben können. Dazu braucht es besonders die generationsverbindenden Kontakte zwischen Menschen in verschiedenen Lebenslagen: Menschen mit und ohne Behinderung, Junge und Ältere, inner- und außerfamiliär, zwischen den Geschlechtern. So kann Inklusion und Teilhabe eine zukunftstaugliche Wirklichkeit werden und wir alle damit Teil einer Generation (Z)ukunft.“

Und Ernst-Wilhelm Gohl, Landesbischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, sagt: „Ich bin davon überzeugt, dass sich die Wünsche und Bedürfnisse junger Menschen mit und ohne Behinderungen nicht groß voneinander unterscheiden. Das gilt auch für die Nutzung digitaler Angebote. Dass die Diakonie jungen Menschen mit Lerneinschränkungen digitale Lernplattformen und Endgeräte zur Verfügung stellt und sie für deren Umgang schult, finde ich vorbildlich. Ein Beispiel, wie Teilhabe am gesellschaftlichen Leben konkret wird.“

Die ökumenische Aktion „Woche für das Leben“ wird 2024 in Baden-Württemberg erstmals von den evangelischen Landeskirchen in Württemberg und Baden, der Erzdiözese Freiburg sowie der Diözese Rottenburg-Stuttgart gemeinsam eröffnet. Mit dabei ist auch die Evangelisch-methodistische Kirche. Dazu stellt Karin Schieszl-Rathgeb von der Diözese Rottenburg-Stuttgart fest: „Gerade in einer Zeit, in der die Spaltung in unserer Gesellschaft leider zunimmt und in der zusammen mit rechtsextremen und dem Wortsinn nach ‚exklusiven‘ Ideologien auch die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen hinterfragt und sogar auch abgelehnt wird, bilden die evangelische, die evangelisch-methodistische und die katholische Kirche gemeinsam mit unseren Wohlfahrtsverbänden, der Caritas und Diakonie, und vielen anderen Organisationen ein starkes Bündnis für Demokratie und Menschenrechte. Wir machen die Fürsorge für Menschen mit Behinderungen zu einem landesweiten ökumenischen Anliegen, weil auch die von Jesus gelebte Zuwendung Auftrag aller Christ:innen ist.“

Hinweis

Der Gottesdienst zur Eröffnung der „Woche für das Leben“ beginnt am Samstag, 13. April, 18 Uhr in der Klosterkirche Mariaberg bei Gammertingen (Landkreis Sigmaringen). Junge Erwachsene aus der diakonischen Einrichtung für Menschen mit Behinderungen Mariaberg gestalten den Gottesdienst zusammen mit Caritasdirektor Oliver Merkelbach (Stuttgart), Prälat Markus Schoch (Reutlingen), Prälat Dr. Marc Witzenbacher (Freiburg), Ordinariatsrat Pfarrer Thorsten Gompper (Freiburg) und Superintendentin Dorothea Lorenz (Stuttgart).

Im Folgenden sehen Sie ein Video über die Spieler des inklusiven Unified Basketball-Teams „TREFFPUNKT 89er“, die unter anderem auch bei den Special Olympics World Games in Berlin mit dabei waren.

Durch die Wiedergabe dieses Videos speichert YouTube möglicherweise persönliche Daten wie Ihre IP-Adresse.
Video: Diözese Rottenburg-Stuttgart

Hinweis für Kirchengemeinden

Kirchengemeinden sind herzlich eingeladen, Texte wie diesen von www.elk-wue.de in ihren eigenen Publikationen zu verwenden, zum Beispiel in Gemeindebriefen. Sollten Sie dabei auch die zugehörigen Bilder nutzen wollen, bitten wir Sie, per Mail an kontakt@elk-wue.de nachzufragen, ob die Nutzungsrechte für den jeweiligen Zweck vorliegen. Gerne können Sie alle Bilder nutzen, die Sie im Pressebereich unserer Webseite finden.


Schon gewusst?

elk-wue.de

Kirchensteuer wirkt!

Mehr News

  • Datum: 31.10.2024

    25 Jahre Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigung

    Am Reformationstag vor 25 Jahren wurde die ökumenische Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigung unterzeichnet. Aus diesem Anlass erinnert Oberkirchenrat Dr. Jörg Schneider an die Bedeutung der Erklärung und weist auf die bleibende Aufgabe ökumenischer Gemeinschaft hin.

    Mehr erfahren
  • Datum: 30.10.2024

    Michael Schofer über die Arbeit im VCP Württemberg

    Podcast des Innovationstages #gemeindebeigeistert: Michael Schofer vom Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder Württemberg e.V. (VCP) im Gespräch mit Nabil Atassi über die Pfadfinderarbeit, in der Kinder und Jugendliche Natur erleben und gefördert werden.

    Mehr erfahren
  • Datum: 30.10.2024

    Zum 200. Todestag von Christian Gottlob Pregizer

    Der vor 200 Jahren verstorbene Christian Gottlob Pregizer war ein württembergischer Pfarrer, der die freudige Religiosität des für immer erlösten Sünders in das Zentrum seiner Verkündigung stellte. Eine bis heute bestehende pietistische Gruppierung trägt seinen Namen.

    Mehr erfahren
  • Datum: 29.10.2024

    Landesbischof Gohl am Reformationstag in Sulz

    Am Reformationstag am 31. Oktober predigt Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl in der Stadtkirche In Sulz am Neckar. Gohl erinnert dabei an den historischen Moment an der Schlosskirche Wittenberg 1517, wie und aus welchen Beweggründen Martin Luther die Reformation auslöste.

    Mehr erfahren
  • Datum: 29.10.2024

    Inspiration und Vernetzung

    Rund 200 Haupt- und Ehrenamtliche haben beim „Gründergeist-Gipfeltreffen“ einen Tag voller Inspiration und Vernetzung erlebt. Die Veranstaltung der badischen und württembergischen Landeskirchen befasste sich mit neuen, ergänzenden Formen von Kirche.

    Mehr erfahren
  • Datum: 27.10.2024

    Herzensanliegen: Trost im Glauben

    In der Videoserie der EKD Menschen geben Einblick in ihre Erfahrungen und machen Lust, den eigenen Herzensanliegen nachzuspüren und Worte dafür zu finden. In diesem Filmausschnitt erzählt Susanne über den Verlust ihres Partners und wie sie Trost im Glauben gefunden hat.

    Mehr erfahren
  • Datum: 24.10.2024

    „Das Gebet für den Frieden ist der Anfang allen Tuns“

    Friedenspfarrer Stefan Schwarzer und die Ev. Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK-Württemberg) setzen sich für eine differenzierte und umfassend empathische Auseinandersetzung mit dem Ukraine-Krieg und dem Konflikt im Nahen Osten ein.

    Mehr erfahren
  • Datum: 24.10.2024

    Über die landeskirchliche EHZ-Bibliothek

    400.000 Bücher und andere Medien – ihr riesiger Bestand macht die landeskirchliche EHZ-Bibliothek zur größten wissenschaftlich-theologischen Bibliothek in der EKD. Sabine Kreitmann, Leiterin des Möhringer Standorts, gibt Einblicke in die Arbeit der EHZ-Bibliothek.

    Mehr erfahren
  • Datum: 23.10.2024

    Forum Digitalisierung - jetzt anmelden

    Melden Sie sich jetzt an zum 12. Digitalisierungs-Forum am 11.11. - diesmal in Ulm. Das Thema: „Social Media mit Botschaft“. Programm: Neues Sinnfluencer-Netzwerk, Keynote, Projektvorstellungen, Workshops und viel Austausch. Anmeldeschluss: 30. Oktober.

    Mehr erfahren
  • Datum: 23.10.2024

    Die Ehrenamtsarbeit der Kirchengemeinde Neuffen

    Podcast des Innovationstages #gemeindebeigeistert: Frieder Siegloch spricht mit Nabil Atassi über die Evangelische Gemeinde in Neuffen, die seit mehr als 25 Jahren vielfältige ehrenamtliche Projekte erarbeiten, beispielsweise Konzerte, Comedy und mehr ...

    Mehr erfahren
  • Datum: 21.10.2024

    Stiftskirche Tübingen wird „Leer_raum“

    Die Tübinger Stiftskirchengemeinde hat für fünf Wochen (bis 24. November) in der Stiftskirche alle Bänke entfernt und so eine riesige leere Fläche geschaffen um auszuloten, wie sich dies auf das Erleben von Gottesdiensten, Konzerten und anderen Veranstaltungen auswirkt.

    Mehr erfahren
  • Datum: 20.10.2024

    Herzensanliegen: Liebe mit Gottes Segen

    In der Videoserie der EKD Menschen geben Einblick in ihre Erfahrungen und machen Lust, den eigenen Herzensanliegen nachzuspüren und Worte dafür zu finden. Julia und Frank erzählen, wie Gottes Segen ihnen dabei hilft, an ihrer Ehe zu arbeiten und sie zu pflegen.

    Mehr erfahren
Mehr laden