Islambeauftragter der Landeskirche

Pfarrer Dr. Friedmann Eißler

    Willkommen zu Informationen rund um die Themen Islam, Muslime
     in Deutschland und christlich-islamischer Dialog in Württemberg

Foto: F. Eißler

In der pluralen Gesellschaft ist es der Evangelischen Landeskirche in Württemberg wichtig, die Beziehungen zu Angehörigen anderer Religionen zu pflegen und mit ihnen im Gespräch zu bleiben.

Im Dialog geht es darum, über den eigenen Glauben Auskunft zu geben und andere Glaubensformen verstehen zu lernen, ohne die Unterschiede zu negieren. Der interreligiöse Dialog ist ein wichtiger "Zwischen-Raum", in dem neben theologischen Themen gemeinsame gesellschaftliche Aufgaben bearbeitet werden. Er dient auf unterschiedlichen Ebenen dem guten Zusammenleben in Nachbarschaft und Gesellschaft. Gespräche, Begegnungen und Zusammenarbeit finden in vielen Bereichen statt: von der Begleitung von Flüchtlingen und Jugend- und Friedensarbeit über Dialogkreise, interreligiöse Projekte, Bildungsangebote bis hin zur Seelsorge an Gefangenen oder in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Die kontinuierliche Zusammenarbeit ist keine Selbstverständlichkeit und braucht Ressourcen, Ideen und Visionen, vor allem persönliches Engagement. 

Dialog lebt davon, dass Menschen mit einer tiefen Überzeugung zusammenkommen. Sonst ist er belanglos. Wir haben einander etwas zu sagen, das Zeugnis des Glaubens ist Teil des Dialogs und umgekehrt. Das kann nur in der Haltung von gegenseitigem Respekt und gegenseitiger Anteilnahme geschehen, die in der Wertschätzung des Gegenübers als grundsätzlich gleichberechtigtem Partner gründet. 

Es ist eine Aufgabe des Dialogs, gegen jede Form von Hass, Rassismus und fundamentalistischem Absolutheitsanspruch einzutreten. Das betrifft islamfeindliche Pauschalurteile und antiislamische Hetze ebenso wie islamistische Propaganda. Die islamistischen Einflüsse an den Rändern, aber auch bis in die Mitte von muslimischen Organisationen und Gemeinden hinein sind ernst zu nehmen und müssen gemeinsam erkannt und benannt werden. Wasser auf die Mühlen von Rechtspopulisten und Islamfeinden ist es nicht, wenn kritische Debatten geführt werden, sondern wenn sie nicht geführt werden. Dabei geht es auch um die Glaubwürdigkeit des Dialogs.

Von einem Konsens in Glaubensfragen hingegen ist das friedliche Zusammenleben von Menschen verschiedener Religionen nicht abhängig. Theologische und gesellschaftspolitische Dialoge sind oft aufeinander bezogen, aber nicht zu vermischen, ebenso wie auch religiöse Wahrheitsansprüche von gesellschaftlichen Machtansprüchen unterschieden werden müssen. 

 

Aufgaben des Islambeauftragten

Der Islambeauftragte setzt sich für den christlich-islamischen Dialog ein.  Er ist für die theologische und konzeptionelle Grundsatzarbeit in Islamfragen in der Landeskirche zuständig. Arbeitsschwerpunkte sind unter anderem die Beratung der Kirchenleitung und Kirchenkreise, Informations- und Bildungsangebote in unterschiedlichen Kontexten sowie die theologische Arbeit an Fragen des Verhältnisses von Christen und Muslimen. Die Landeskirche pflegt partnerschaftliche, kooperative Beziehungen mit einem breiten Spektrum von muslimischen Verbänden. Die Arbeit des Islambeauftragten wird durch einen landeskirchlichen Fachbeirat begleitet. Die Stelle ist beim Dienst für Mission, Ökumene und Entwicklung (DiMOE) angesiedelt. 

Der Islambeauftragte steht für Anfragen zum Themenbereich zur Verfügung.

 

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Aktuelles


Interreligiöses Sportfest in Ruit

Der Württembergische Landessportbund (WLSB) und der Landesarbeitskreis Kirche und Sport haben am 7. Mai 2023 in der Landessportschule Ruit zum ersten Mal gemeinsam ein interreligiöses Sportfest ausgerichtet. 

Gut gelaunte Menschen trafen aus dem ganzen Ländle und darüber hinaus ein. Der Anfang wurde mit einem christlichen Gottesdienst gemacht, danach bestritten 8 Mannschaften vom jüdischen Turn- und Sportverband Makkabi Deutschland, von der Evangelischen Landeskirche (ejw und Bezirk Bernhausen), der Islamischen Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg (IGBW), der Gesellschaft für Dialog (GfD) und der Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ) ein schönes Turnier mit Fußball und Ultimate Frisbee. Familien tummelten sich am Rand der Spielfelder, es gab Leckereien aus verschiedenen Kulturen. Die Teams der Religionsgemeinschaften hatten auch Stände mit eigenem Informationsmaterial aufgebaut. 

Der WLSB und die Religionsgemeinschaften setzten mit dem Sportfest ein öffentliches Zeichen für eine weltoffene Gesellschaft, im Mittelpunkt stand die Freude am Zusammenspiel. Fairplay - keine Frage, es brauchte keine Schiedsrichter. „Mit unserem Projekt wollen wir ein Zeichen setzen für ein friedliches Miteinander der Religionen und gegen Hass und Hetze jeder Art“, sagte WLSB-Präsident Andreas Felchle laut Pressemitteilung. Pfarrer Philipp Geißler, Geschäftsführer des Landesarbeitskreis Kirche und Sport, nannte das sportliche Aufeinandertreffen unter der Schirmherrschaft der Kultusministerin Theresa Schopper eine „wunderbare Gelegenheit, das Miteinander in Verschiedenheit zu feiern“.

Es war eine bemerkenswerte Premiere, die auch überregional mediales Interesse weckte. So war auch Sky Sports Deutschland mit der Kamera vor Ort.  

Die Stimmung war bestens. Die große Chance eines solchen Treffens liegt neben dem freundschaftlich-sportlichen Kräftemessen darin, mit vielen unterschiedlichen Menschen ins Gespräch zu kommen, denen man sonst kaum oder gar nicht begegnen würde. Es stimmt: Sport kennt keine Grenzen. Was im Alltag politisch oder ideologisch Barrieren aufbauen kann, ist nicht nur nicht Thema, sondern wird in seiner Relativität entlarvt: Jede/r Einzelne hat so viel mehr individuelle Seiten, Interessen, Qualitäten, Erfahrungen, dass wir viel mehr Gemeinsames entdecken können, als wir vielleicht vermutet haben. Das, was neben den Spielen passiert, ist mindestens so wichtig wie das Ergebnis am Ende. So bleibt zu hoffen, dass mit diesem ersten Mal ein Anfang gesetzt ist, der in weiteren Treffen Fortsetzung findet und noch viele begeisterungsfähige Menschen anzieht.

Zum Team des EJW gehörte Gökhan Önol (@gokhanonolfilms), der auch gleich einen einminütigen Film gedreht hat - ein lebendiger Eindruck des Ereignisses!

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Handbuch christlich-islamischer Dialog

Ein Standardwerk zum Dialog geht online

Das Handbuch christlich-islamischer Dialog ist jetzt unter https://handbuch-cid.de online frei zugänglich.

Die Beiträge dieses online-Handbuchs informieren in allgemeinverständlicher Form über den aktuellen Stand des christlich-islamischen Dialogs. Wer selbst im interreligiösen Dialog engagiert ist oder etwas über den Ertrag dieses Dialogs erfahren möchte, findet hier kompakte, wissenschaftlich fundierte und zitierfähige Artikel über die unterschiedlichen Zugänge, häufig diskutierte Themen, bewährte Felder der dialogischen Praxis und wichtige christliche sowie muslimische Akteure.

Darin enthalten: Friedmann Eißler, Zivilcourage und aktive Toleranz – Auseinandersetzung mit extremistischen Einstellungen.

2014 ist dieses Handbuch zum ersten Mal in gedruckter Form erschienen. Das Editorial zu diesem online-Nachschlagewerk informiert über die Veränderungen, die seitdem den christlich-islamischen Dialog prägen. Für die online-Version des Handbuchs wurden die Beiträge aus der Druckversion aktualisiert und zum Teil überarbeitet. Themen, die neu an Bedeutung gewonnen haben, werden sukzessive ergänzt. 


LBE Preisverleihung (Gülen)

Hizmet-Plattform im Südwesten zeichnet Ehrenamt aus

Der Landesverband Bürgerschaftliches Engagement e.V. (LBE) verlieh am 19.1.2023 den "LBE Engagementpreis BW 2022" an 21 ehrenamtlich getragene Projekte (von 75 Bewerbungen). Ort des Geschehens: der Große Kursaal in Bad Cannstatt. Geehrt wurde ehrenamtliches Engagement mit besonderem Einsatz. "Es ist uns eine Herzensangelegenheit, all die freiwilligen Helden sichtbar zu machen, sie zu unterstützen und zu ehren. Denn ihre Taten und ihre Haltung inspirieren uns darin, für eine pluralistische Gesellschaft wichtige Werte wie Hilfsbereitschaft und Gemeinwohl aktiv zu leben", heißt es in der Einladung.

Unter den Preisträgern war auch das Interreligiöse Frauenmahl ("Frauen Macht Was! - 5. Interreligiöses Frauenmahl in Stuttgart"), eine Initiative, die in Stuttgart von den Evangelischen Frauen in Württemberg (EFW) eingeführt wurde und seit einigen Jahren in der Gesamtverantwortung des Bildungszentrums Hospitalhof steht. Das Frauenmahl hat eine ganz Anzahl kooperierender Partner: die Evangelischen Frauen in Württemberg, den Fachbereich Frauen der Diözese Rottenburg-Stuttgart, die Gesellschaft für Dialog (GfD), das Haus Abraham, die Israelitische Religionsgemeinschaft Württemberg, die Bahá’í-Gemeinde Stuttgart, das Katholische Bildungswerk Stuttgart, den Katholischen Deutschen Frauenbund, die Stiftung Weltethos, StuFem – Stuttgarter Femina e.V. sowie den Hospitalhof. 

Der LBE ist einer von 6 großen Regionalverbänden der Gülen-Bewegung in Deutschland und mit knapp 50 Mitgliedsvereinen die Hizmet-Plattform im Südwesten. Zu den Mitgliedern gehören die Gesellschaft für Dialog Baden-Württemberg e.V. (GfD) und Stuttgarter Femina e.V. (StuFem). Gemeinsame Adresse aller drei Vereine (und von drei weiteren) ist die Oppelner Straße 1 in Bad Cannstatt. Auf der LBE-Internetseite heißt es: "Das LBE e.V. möchte hierbei in Baden-Württemberg das Engagement der Vereine, die eine Nähe zur Hizmet Bewegung ausstrahlen, fördern. Dabei soll das Engagement der Bürger/innen interdisziplinär und transparent werden, denn auch wir als LBE e.V. stehen für die gleiche Maxime wie unser Bundestag: 'Je größer das bürgerschaftliche Engagement, desto gefestigter die Zivilgesellschaft als Kern einer Bürgergesellschaft.'"

Neben den Pangea-Mathematikwettbewerben, großen und kleineren Events wie den Internationalen Sprach- und Kulturfestivals (oder International Festival of Language and Culture, iflc, früher "Deutsch-türkische Kulturolympiade") und diversen Kultur- und Bildungsveranstaltungen gibt es seit 2013 deutschlandweit im großen Stil Preisverleihungen wie die des LBE. Zu den verschiedenen Ehrungen wird in repräsentative Locations eingeladen, in den Ordenssaal des Residenzschlosses in Ludwigsburg oder in Berlin in ein Kongresszentrum zwischen US-Botschaft und Hotel Adlon direkt am Brandenburger Tor - oder eben in den Großen Kursaal. Dabei sucht die Gülen-Bewegung den Kontakt zu möglichst hohen Ebenen in Politik und Gesellschaft sowie ein möglichst wirkungsvolles öffentliches Forum. In den an die Öffentlichkeit gerichteten Aktivitäten spielen die Lehren Fethullah Gülens keine offensichtliche Rolle. Der Name Gülen wird nicht oder nur am Rande erwähnt. Auf Bundesebene hat der Bund Deutscher Dialog Institutionen (BDDI), bestehend aus früher vierzehn, derzeit sieben regionalen Dialogvereinen, darunter auch die GfD, die Aufgabe der Koordination der Hizmet-Aktivitäten auf diesem Gebiet.


Muslimischer Antisemitismus?

Interview mit Eren Güvercin

Das Thema „Antisemitismus“ im christlich-islamischen Dialog? Haben wir nicht selbst genug damit zu tun? Zeigen wir mit Fingern auf andere, um von uns abzulenken? Ist Antisemitismus nicht vor allem ein Problem, das im weit rechten und rechtsextremen Spektrum zu finden ist? 

Und wenn es thematisiert werden sollte - dann wie? Ein ganzes Bündel von Fragen. Da ist es gut, das nicht nur aus einer, insbesondere christlichen Perspektive zu tun, sondern ins Gespräch zu kommen. Ich spreche darüber mit Eren Güvercin, einem der Gründer der Alhambra-Gesellschaft. Er leitet dort das Projekt „MuslimDebate – Forum für eine neue muslimische Debattenkultur“. Güvercin ist Mitgründer des PEN Berlin und arbeitet als freier Journalist für verschiedene Hörfunksender und Zeitungen. 

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Wir müssen reden, bevor es zu spät ist

Buchempfehlung Yassir Eric

Aus den Werbetexten:

"Wir müssen reden, bevor es zu spät ist", sagt Yassir Eric mit Blick auf eine aus seiner Sicht dringend notwendige aber auch sachliche Islam-Debatte. Denn nur so können Islamismus und Extremismus bekämpft werden. Es darf nicht sein, dass aus religiöser Überzeugung Menschen verletzt werden oder ihr Leben lassen müssen! Und genauso wenig darf es sein, dass durch Taten einzelner Extremisten ein Fremdenhass entsteht oder verschärft wird, der unschuldigen Musliminnen und Muslimen oder Migrantinnen und Migranten allgemein schadet.

Yassir Eric weiß genau, worum es geht. Als Kind wuchs er in einer strenggläubigen Familie eines führenden arabischen Clans im Sudan auf. Zwei Jahre verbrachte er in einer Koranschule, wo ihm ein tiefer Hass gegenüber Christen und Juden vermittelt wurde – dieser gipfelte in dem Versuch, mit Freunden einen christlichen Mitschüler umzubringen.

Eric ist Christ geworden. Deswegen wurde er von seinem Vater verstoßen. "Das ist lange her. Ich habe seitdem viel gelernt über das Miteinander von Christen und Muslimen, aber auch über falsch verstandene Toleranz gegenüber denen, die viele Werte, die uns in der westlichen Welt wichtig sind, mit Füßen treten", sagt Yassir Eric und ergänzt: "Glaube per se ist kein Integrationshindernis. Doch manchmal stehen religiöse Überzeugungen im Gegensatz zu unseren Werten – und darüber müssen wir reden. Alles Bemühen, damit Menschen in unserer Gesellschaft ankommen, ist nur Stückwerk, wenn wir nicht über Werte und Einstellungen ins Gespräch kommen, die eine Integration verhindern können."

Doch auch die Aufnahmegesellschaft ist gefragt: Sie muss sich auf ihre Werte und Ideale besinnen, für sie einstehen und Integration aktiv gestalten. Denn nur wer selbst Orientierung hat, kann Orientierung geben, ist Eric überzeugt.

Yassir Eric, Wir müssen reden, bevor es zu spät ist. Über radikalen Islam, Integration und unsere Ideale, München: bene! Verlag 2023, 235 Seiten


Studienreise nach Israel und Palästina

Interreligiöse Begegnungen gestalten – eine Spurensuche in Jerusalem

In Jerusalem leben und lernen – kaum ein anderer Ort bietet mehr, wenn es um das Zusammenleben von Juden, Christen und Muslimen geht, um die Vielfalt der Konfessionen und Traditionen, auch um die Herausforderungen historischer Konflikte. Biblische Zusammenhänge werden lebendig, die Faszination und Bedeutung Jerusalems für die abrahamischen Religionen ist überall spürbar. Mit einer Mischung aus Unterricht, Diskussion und Exkursionen mit vielen persönlichen Begegnungen vor Ort haben Diakoninnen und Diakone, Pfarrerinnen und Pfarrer sowie zwei Synodale Anfang 2023 erkundet, was sich aus der Situation dort lernen lässt, gerade auch aus dem Kontrast zu unseren Verhältnissen.

Mit der Direktorin des Zentrums Diakonat, Dorothee Gabler, und Pfarrer Niels Gärtner (Bielefeld) von der Herrnhuter Missionshilfe zusammen durfte ich diese Reise durchführen. Von einer lebendig-anschaulichen Einführung über den Dächern von Jerusalem durch Propst Joachim Lenz (Erlöserkirche) über die außergewöhnliche Führung in und um die Anastasis/Grabeskirche (Petra Heldt), den Einblick in die Herrnhuter Missionsgeschichte anhand des Beit Hansen, das Förderzentrum Sternberg in Palästina, die Jerusalem Foundation (Alexander A. Dubrau), einen Besuch bei "Studium in Israel" und in dem Schulkomplex Talitha Kumi in Beit Jala bis hin zu thematischen Einheiten und natürlich auch ein paar touristischen Highlights war alles drin. 

Niels Gärtner war für uns der Türöffner für den "Sternberg" bei Ramallah, eine Fördereinrichtung für Menschen mit Behinderung der weltweiten Brüder-Unität, deren Entwicklungsprozesse er von Deutschland aus und oft auch vor Ort begleitet. Die Zusammenarbeit der wenigen christlichen Leitungspersonen dort mit den vorwiegend muslimischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Betreuung und Förderung der Schwächsten hat tief beeindruckt. Wir wurden in bewegende Geschichten mit hineingenommen, wie der Alltag gemeinsam bewältigt, wie Fortschritte gefeiert werden und die Herausforderungen alle gemeinsam in Anspruch nehmen. So suchten wir gezielt unterschiedliche Situationen auf und sprachen mit sehr unterschiedlichen Akteuren.

Zwei thematische Aspekte stachen für mich heraus. Zum einen die Rolle von Religion im öffentlichen Raum. Ist Religion mehr Störfaktor oder Ressource? Religion ist im Nahen Osten in der Öffentlichkeit ganz anders präsent als bei uns. Seit jeher Nachbarschaft auf engem Raum, alltägliche Klänge und Gewohnheiten, bei allen Schwierigkeiten selbstverständliche, zumindest rudimentäre Kenntnisse voneinander. Wir hören sowohl in Israel als auch in Palästina: Am besten nicht thematisieren! Das schafft nur Konflikte. Religion gehört dort stark zur Identität der Menschen, sie separiert in gewisser Weise von vornherein in bestimmte Gruppen (Versäulung), zudem wird sie von einigen Gruppen offensiv gelebt. Bei uns hingegen gehört Religion viel mehr ins Private, sie wirkt längst nicht so identitätsbildend in der Gesellschaft mit ihren starken Individualisierungstendenzen. Religion teilt nicht so wirkmächtig in Gruppen ein. Im Dialog wird das Verbindende gesucht, Religion wird als Quelle für Toleranz gesehen, als Ressource, als Friedenspotenzial. Wir würden daher eher sagen: Mehr thematisieren! Das schafft besseres Verständnis. 

Und zum andern: Was macht eine christliche Einrichtung - im Fall des Sternbergs in einem mehrheitlich islamischen Kontext - zu einer christlichen Einrichtung? Braucht es eine "explizit" christliche Praxis, oder sind die essenziellen christlich-theologischen Inhalte in der gemeinsamen ethischen Basis, die von beiden Religionen her begründbar ist, gleichsam eingeschrieben und gerade hier zu verorten? Wird die gemeinsame Praxis den Glaubensfragen dezidiert vorgeordnet, können Nächstenliebe und das friedliche Miteinander als Friedenszeichen wirken. Braucht das noch eine christliche "Markierung"? Es geht um Diakonie, die "ausgestreckte Hand" der Kirche. Aber was bedeutet das im Kontext einer (ver)schwindenden lokalen Christenheit? Wird das Essenzielle (nur oder hauptsächlich) im Gemeinsamen verortet, könnte es langfristig ja auch bedeuten, dass das Fade-out der Minderheit schlicht nicht mehr auffällt und irgendwie auch in Ordnung ist? Spannende Fragen, die hier exemplarisch zur Sprache kamen - ohne einfache Antworten.

Es war ein Gewinn, dass wir interdisziplinär bzw. interprofessionell unterwegs waren! Und gerade auch der Kontrast der Verhältnisse dort und hier hat Impulse zur Reflexion unserer Aufgaben gesetzt.


Weihnachten und Muslime

Buchempfehlung H. & H. Josua

Weihnachten verstehen: Für einen interreligiösen Dialog über das beliebteste Fest in Deutschland

Ob gläubig oder nicht, modern oder konservativ, alt oder jung: Jahr für Jahr feiern die Menschen Weihnachten. Diese Zeit ist von Bräuchen, Ritualen und christlichen Traditionen geprägt. Vielen Menschen, seien sie christlicher Herkunft oder seien es Musliminnen und Muslime, die als Flüchtlinge, Studierende oder Migranten nach Deutschland kamen, ist die Botschaft von Advent und Weihnachten unklar.
Worum geht es beim Weihnachtsfest? Das Buch vermittelt das notwendige Grundwissen für eine bessere Verständigung und eine Begegnung zwischen den Religionen. Anhand biblischer Weihnachtstexte und ihrer Rezeption im Koran bauen Hanna Nouri Josua und Heidi Josua Brücken zwischen Christentum und Islam. Christliche Leserinnen und Leser werden am Beispiel der Texte über Jesu Geburt in die islamische Denkwelt eingeführt und zum Gespräch mit Muslimen befähigt.

- Das theologische Anliegen von Advent und Weihnachten anschaulich erklärt
- Auseinandersetzung mit den Versionen der Geburt Jesu in Bibel und Koran
- Ein verbindender Blick auf die biblische Weihnachtsgeschichte für christliche Leser
- Perspektivwechsel, Meinungsbilder und Einblick in innerislamische Debatten
- Impulse, Materialien und Hinweise für Begegnungen und Gespräche mit Muslimen
- Geeignet auch für den Taufunterricht mit Muslimen, die Christen werden wollen

Hanna Nouri Josua ist evangelischer Pfarrer, Heidi Josua Religionspädagogin und Orientalistin. Beide wirken in arabisch-evangelischen Gemeinden in Süddeutschland und engagieren sich für gesellschaftliche Integration. Dem libanesisch-württembergischen Paar liegt das friedliche Miteinander und die interreligiöse Verständigung im Leben und in der Arbeit am Herzen.

Hanna Nouri Josua und Heidi Josua, Weihnachten und Muslime. Impulse zum interreligiösen Dialog, Leipzig: EVA 2022, 220 Seiten


Angekommen, ausgeschlossen oder abgeschottet?

Musliminnen und Muslime zwischen Partizipation und Irritation in der Migrationsgesellschaft

Vortrag beim Treff Sozialarbeit (Evangelische Gesellschaft Stuttgart) am 19.1.23

In Deutschland leben heute ca. 5,5 Mio. Muslime (6,6 % der Bevölkerung), die in der Vielfalt ihrer Ethnien, Glaubensweisen und Kulturen unsere Nachbarn und Mitbürger sind. Die Einschätzungen, wo wir in Sachen Integration stehen, fallen sehr unterschiedlich aus. Neben Alltagsnormalität und zivilgesellschaftlichem Engagement gibt es Konfliktthemen, die von „konfrontativer Religionsbekundung“ in der Schule bis zu Radikalisierungskarrieren Jugendlicher reichen. Was ist religiös, was ist kulturell bedingt? Welche Missverständnisse behindern konstruktive Lösungswege?

Im Vorfeld der Veranstaltung brachte der SWR ein Interview mit Nela Fichtner zum Thema (ab 19:43).


Koran und Bibel: synoptisches Textbuch

Buchempfehlung Wolfgang Reinbold

Der Beauftragte für Kirche und Islam im Haus kirchlicher Dienste der Hannoverschen Landeskirche, Wolfgang Reinbold, hat zum Korantext (auf Deutsch und transliteriert) passende biblische, christliche und teils auch islamische Texte gestellt und so ein einzigartiges umfangreiches Textbuch geschaffen, das mit einem schnellen Blick Bezüge, Assoziationen, Ähnlichkeiten und Unterschiede erkennen lässt. Für intensiveres Studium ebenso wie für ganz praktische Hilfestellungen in Gesprächskreisen etc. empfehlenswert!

Aus dem Verlagstext:

Judentum, Christentum und Islam bilden eine gemeinsame Religionsfamilie und ihre Schriften – das hebräische Alte Testament, das griechische Neue Testament und der arabische Koran – haben dieselben Wurzeln. Wer die Bibel kennt und den Koran in die Hand nimmt, macht eine eigentümliche Erfahrung: Viele Passagen wirken schon beim ersten Lesen vertraut. Worin stimmen Koran und Bibel überein? Worin unterscheiden sie sich? Der interreligiös erfahrene und engagierte evangelische Theologe Wolfgang Reinbold spürt diesen Bezügen durch einen bisher einmaligen konsequenten, textbasierten Vergleich von Koran und Bibel nach. Er hat dabei all jene im Blick, die in ihrer (inter-)religiösen und pädagogischen Praxis mit diesen Schriften arbeiten.

Wolfgang Reinbold, Koran und Bibel: Ein synoptisches Textbuch für die Praxis, Göttingen: V&R 2022, 940 Seiten


Der Abtrünnige

Buchempfehlung: Einblicke in die Welt von Moscheegemeinden

Aus dem Klappentext:

"Rund 15 Jahre war Erol Ünal Teil diverser türkisch-muslimischer Moscheegemeinden. Er wird Zeuge dessen, welche Geheimrituale in Moscheen stattfinden, welche Ziele verfolgt werden und inwieweit Verflechtungen mit dem türkischen und dem deutschen Staat bestehen. Aus autobiografischer Sicht enthüllt der Autor als Insider sowohl sein eigenes als auch das Innenleben der Moscheegemeinden in Deutschland, die europaweit stark vernetzt sind."

Ahmet Refii Dener über das Buch:

"Mit seinem Buch 'Der Abtrünnige' beschreibt der Esslinger Erol Ünal nun aus der Innensicht seinen eigenen Weg durch verschiedene, türkisch-islamische Gemeinden in den Agnostizismus. Dabei ist er kritisch, aber nicht unfair und beschreibt auch, was ihm selbst und anderen die Lehren, Rituale und Gemeinschaften auch gegeben haben. Und er appelliert am Ende an gläubige Muslime, den Islam weniger autoritär und damit weniger verletzend zu gestalten."

Michael Blume zu dem Buch:

"Ünal weist auf die gefährlichen Folgen der Indoktrination von Kindern und Jugendlichen durch nationalistische und islamistische Ideologien hin, er benennt die Verbrechen der Grauen Wölfe und deckt antidemokratische Praktiken der islamistischen Sekten auf."

Erol Ünal, Der Abtrünnige. 15 Jahre in Moscheegemeinden - Meine Einblicke in eine Welt von Fundamentalisten und Rechtsextremen über Radikale bis zu Sufis, Neu-Isenburg: Angelika-Lenz-Verlag 2021, 256 Seiten


Marokko als Ort christlich-islamischer Begegnung

Eine Dialogreise

Es lohnt sich, den Film (s. u.) nicht nur als Dokumentation der gemeinsamen Reise von Imamen und Religionsbeauftragten, Pfarrerinnen und Pfarrern aus Baden und Württemberg zu sehen, sondern aktiv als Medium im christlich-islamischen Dialog einzusetzen. 

Gesprächskreis, Abendveranstaltung, Dialogtreff, Frauencafé - es bieten sich viele Möglichkeiten an, um den Kurzfilm gemeinsam anzuschauen und über die Eindrücke zu sprechen. Der Film stellt Fragen, gibt auch Antworten, vor allem bietet er Einblicke in praktische Erfahrungen des Dialogs. Teilnehmerinnen und Teilnehmer formulieren ihre persönlichen Fragen und Erkenntnisse, was wiederum die eigene Reflexion anstoßen kann.

Ein Dokumentarfilm von Stefan Adam und Silke Stürmer (2022, 19 min)

Wer sich zuerst meldet, kann eine der (wenigen) noch vorhandenen DVDs des Films bekommen!

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Ansprechpartner

Friedmann Eißler

Dr. Friedmann Eißler

Islambeauftragter der Evangelischen Landeskirche in Württemberg

Büchsenstraße 33
70174 Stuttgart

Tel.
0160 884 2146
Mail
friedmann.eissler@elk-wue.de
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