| Landeskirche

„Weltweiten Horizont der Kirche wahrnehmen“

Südafrikareise einer württembergischen Delegation

Ende Oktober reiste eine Delegation aus Württemberg nach Südafrika und besuchte verschiedene Einrichtungen der Moravian Church in South Africa (MCSA). Synodalpräsidentin Sabine Foth sowie mehrere Delegierte des Ausschusses für Mission, Ökumene und Entwicklung (MOE) und des Oberkirchenrates berichten von intensiven Einblicken in die Arbeit der Partnerkirche vor Ort. Begleitet wurde die Reise unter anderem von Pfarrer Georg Meyer, Vorstandsmitglied der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS).

Die Delegation aus Württemberg besuchte unter anderem das Theologische Zentrum der Moravian Church. (v. l. n. r.: Dorothee Knappenberger, Heidi Hafner, Christoph Lehmann (alle MOE-Ausschuss)), Christine Keim, Ulrich Heckel (beide OKR), Susanne Jäckle-Weckert (MOE), Jeremy Wyngaard, Martin Abrahams (beide MCSA), Sabine Foth (Präsidentin Landessynode), Yasna Crüsemann (MOE), Georg Meyer (EMS). Vorne: Matthias Vosseler, Anselm Kreh (beide MOE)Bild: Christine Keim

„Bereichernde Begegnungen“

Kirchenrätin Dr. Christine Keim, Leiterin des Referats Mission, Ökumene und Entwicklung im ev. Oberkirchenrat, berichtet:  

Beeindruckend waren vor allem die offenen Gespräche, die die Delegation mit der Kirchenleitung, Präsident Martin Abrahams, aber auch mit Gemeindegliedern oder dem Direktor des Theologischen Seminars geführt hat. Es war von Anfang an eine vertrauensvolle Atmosphäre, in der die sehr bereichernden Begegnungen stattgefunden haben. Dazu gehörte als Auftakt der Austausch im Theologischen Zentrum der Moravian Church: Direktor Dr. Jeremy Wyngaard hielt einen Vortrag zum Thema „Digitalisierung in der theologischen Ausbildung“ und zeigte die Herausforderungen auf, vor denen junge Menschen stehen, die Theologie studieren. Er bezeichnete die neue Struktur des Lernens als ein Modell „von Außen nach Innen“, bei der die Erfahrungen der Studierenden im Zentrum stehen und nicht die Dozierenden. An den nachfolgenden Vortrag von Prof. Dr. Heckel zum Thema „Taufe im Neuen Testament“ schloss sich eine rege Diskussion an.

Faszinierend waren auch die ökumenischen Kontakte und das Engagement des Vorsitzenden des Südafrikanischen Kirchenrates (SACC) der Westlichen Provinz, Dr. Lionel Louw, der innerhalb von drei Jahren die brachliegenden Strukturen wieder zum Leben erweckt hat. Oder das Konzept der „Offenen Moschee“ in Kapstadt, die sich für interreligiösen Dialog und gute Nachbarschaft im Stadtquartier einsetzt.

Ein Besuch auf Robben Island, auf der früheren Gefängnisinsel, auf der sich das Gefängnis befindet, in dem der Freiheitskämpfer und spätere Präsident Südafrikas Nelson Mandela so viele Jahre verbracht hatte, sowie bei der Desmond & Leah Tutu-Stiftung, die an das Wirken des ehemaligen Erzbischofs der anglikanischen Kirche und des Friedensnobelpreisträgers während der Zeit der Apartheid erinnert, durften nicht fehlen.

Es war eindrücklich, zu erleben, wie eng beides beieinander liegt: Zeichen der Ungerechtigkeit, der Armut, der Gewalt, deren Wurzeln oft zurückgehen in die Zeit der Apartheid. Und gleichzeitig Spuren der Hoffnung, des sozialen Miteinanders und des Friedens. Die Moravian Church sieht ihre Aufgaben im diakonischen Bereich darin, die Gesellschaft zu unterstützen und ihre Dienste einzubringen: So bietet z.B. die Gemeinde „Genadendal“, die älteste Missionsstation in Südafrika, eine Rechts- und Gesundheitsberatung für benachteiligte Menschen an. Eine andere Gemeinde hat mit großem Erfolg eine Schulung gegen geschlechtsspezifische Gewalt (genderbased violence) durchgeführt. Beachtlich war auch auch das Engagement eines ökumenischen Projektes, das von der Moravian Church unterstützt wird, namens „Ithemba labantu“: In den Townships erhalten Kinder und Jugendliche eine gute Schul- und Ausbildung, um selbst ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Die Arbeitslosigkeit in Südafrika liegt bei rund 30%, in den Townships ist sie entsprechend höher. Auch wenn damit nicht alle Not gelindert werden kann, so sind dies doch beachtliche und nachhaltige Initiativen für junge Menschen, die befähigt werden sollen, weiter ein friedliches und stabiles Südafrika aufzubauen.

Dank der guten Vorbereitung durch den Afrikareferenten der EMS, Georg Meyer, der selbst aus Südafrika stammt, konnte die Delegation detaillierte Einblicke in die Geschichte und das kirchliche Leben der Moravian Church in Südafrika mit all ihren Herausforderungen erhalten. Die Synodalausschuss-Vorsitzende, Pfarrerin Yasna Crüsemann, wird bei der kommenden Herbsttagung der Landessynode von der Reise berichten. Wichtig ist, festzuhalten, dass die Begegnungen und Gespräche mit der Moravian Church in Südafrika weiter fortgeführt werden, um den Kontakt zu vertiefen und Impulse daraus in die Württembergische Landeskirche einzubringen.

Synodalpräsidentin Sabine Foth im Theologischen Zentrum, beim Vortrag von Direktor Dr. Jeremy Wyngaard. Bild: Christine Keim

„Weltweiten Horizont der Kirche Jesu Christi wahrnehmen“

Sabine Foth, Präsidentin der württembergischen Landessynode:

Die Eindrücke von der Begegnungsreise nach Südafrika werden noch lange nachwirken. Es war eine sehr prägende Reise, die uns vor Augen geführt hat, unter welchen Bedingungen die Moravian Church in Südafrika ihr Gemeindeleben gestaltet. Die Begegnungen und Gespräche waren sehr beeindruckend. Es hat erneut gezeigt, wie wichtig es ist, dass wir als Landessynode uns nicht nur mit unseren eigenen Themen befassen, sondern den weltweiten Horizont der Kirche Jesu Christi wahrnehmen. Aus diesem Grund ist eine längere Begegnungsreise des MOE-Ausschusses pro Legislaturperiode sehr zu unterstützen.

Besuch des ökumenischen Schul- und Ausbildungsprojektes „Ithemba labantu“ (v.l.n.r.: Heidi Hafner, Ulrich Heckel, Otto Kohlstock (Leiter des Programms), Yasna Crüsemann, Sabine Foth, Matthias Vosseler) Bild: Christine Keim

„Verständnis bereichert und vertieft“

Oberkirchenrat Prof.Dr. Ulrich Heckel:

Die Württembergische Landeskirche hat viele ökumenische Kontakte, die zum Teil bereits aus der Zeit der Mission stammen. Aus den ehemaligen Missionskirchen sind eigenständige Partnerkirchen hervorgegangen, von denen einige zu den Mitgliedskirchen der EMS, der Evangelischen Mission in Solidarität, gehören. Dazu zählt auch die Moravian Church in Südafrika, die zu den frühen Gründungen der Herrnhuter gehört. Durch konkrete Begegnungen vor Ort, durch theologischen Austausch und Gespräche findet ein gegenseitiges Kennenlernen statt, das wiederum unser Verständnis der weltweiten Kirche bereichert und vertieft.

„Herzschlag der Ökumene“

Pfarrrerin Yasna Crüsemann, Vorsitzende des Ausschusses für Mission, Ökumene und Entwicklung:

In Südafrika fallen sofort die extremen sozialen Gegensätze ins Auge. Menschen, die an Straßenrändern unter Plastikplanen hausen, kilometerlange Blechhütten, die Townships an den Rändern der Stadt. und daneben Villenviertel durch Stacheldrahtzäune geschützt. Das Land ist zerrissen, auch wenn die Apartheid offiziell abgeschafft ist.

Mich hat beeindruckt, wie die kleine Herrnhuter Kirche, die Moravian Church of South Africa, die seit fast 300 Jahren am Kap ist, in diesem zerrissenen Land bei den Verwundbarsten präsent ist, wie sie dort Zeichen der Hoffnung setzt und so die Liebe Christi sichtbar macht: In einem von Gewalt geprägten Township stärkt sie mit einem Projekt zu geschlechterbezogener Gewalt Jugendliche in ihrem Selbstvertrauen, in vom Rassismus und der Apartheid besonders zerstörten Distrikt 6 macht sie eine quartiersbezogene Arbeit, in der alten Missionsstation Elim kümmert sie sich um schwerstmehrfach behinderte Kinder, in der fast 300 alten Missionsstation Genadendal gibt sie medizinische Rechtsberatung für Bedürftige.

Am meisten berührt haben mich die Begegnungen in der Gemeinde. Am Reformationssonntag durften wir in verschiedenen Gemeinden Gottesdienste feiern und predigen. Ich habe dort den ehemals in Württemberg als ökumenischen Mitarbeiter tätigen Pfarrer Gregson Erasmus wiedergetroffen und seine Gemeinde in Belhar kennengelernt. So konnten wir ökumenische Beziehungen stärken.

Die Begegnungen sind für mich der Herzschlag der Ökumene. Zu hören von den Sorgen und Hoffnungen, zu lernen, miteinander Gottesdienst zu feiern, füreinander beten und Verantwortung tragen: das ist weltweite Ökumene. Der Blick über den Horizont der Württembergischen Landeskirche hinaus ist notwendig. Und es tut uns als Kirche und Synode gut, über uns hinauszuschauen und zu merken, dass wir Teil einer weltweiten Kirche sind.  

EMS-Fachbereichsleiter Afrika Georg Meyer und -Sachbearbeiterin Afrika Manuela Plapp haben unter anderem die Reise vorbereitet. (v.l.n.r.: Yasna Crüsemann. Christine Keim, Georg Meyer, Martin Abrahams, Sabine Foth, Ulrich Heckel)Bild: EMS/Plapp

„Ungezwungenes Miteinander verschiedener Religionen und Konfessionen“

Georg Meyer, EMS-Fachbereichsleiter Afrika:

Es hat uns sehr beeindruckt, wie die Evangelische Brüder-Unität in Südafrika (MCSA) den verschiedenen Herausforderungen begegnet – sei es in der theologischen Ausbildung, sei es durch Veränderungen in Struktur und Finanzierung. Gleichzeitig engagieren sich dort viele Menschen ehrenamtlich in Kirche und Ökumene: „Whatever needs to be done, we have to do it as Church” sagte Pfarrer Lionel Louw, Vorsitzender des Western Cape Council of Churches. Wir haben erlebt, wie Gläubige verschiedener Religionen, Christ*innen und Muslime, und verschiedener Konfessionen (39 Kirchengemeinschaften) in der Western Cape ungezwungen miteinander umgehen. Und wir haben die Erkenntnis gewonnen, dass die MCSA und die ELKW, die beide Mitgliedskirchen der Evangelischen Mission in Solidarität sind, mehr verbindet als bisher gedacht.

Schon gewusst?

elk-wue.de

Mehr News

  • Datum: 22.04.2024

    Innovationstag: Jetzt anmelden!

    Frische Ideen fürs Gemeindeleben: Unter dem Motto „#gemeindebegeistert – Kirche lebt, wo dein Herz schlägt“ veranstaltet die Landeskirche am 4. Mai einen großen Innovationstag. In Projektpräsentationen und Workshops gibt’s Austausch und Tipps. Jetzt anmelden

    Mehr erfahren
  • Datum: 22.04.2024

    KI in der Gemeindearbeit einsetzen

    Was ist Künstliche Intelligenz und was ist damit anzufangen? Eignet sich KI auch für die Gemeindearbeit und wo konkret kann sie dort zielgerichtet angewendet werden? Mit diesen Fragen befasst sich am 16. Mai ein Online-Seminar des Evangelischen Medienhauses.

    Mehr erfahren
  • Datum: 19.04.2024

    „Konfirmanden ist Glaube wichtiger als Geschenke“

    Frontalunterricht gibt es kaum noch im Konfi-Unterricht, sagt Prof. Dr. Wolfgang Ilg von der Evangelischen Hochschule in Ludwigsburg im Interview. Die Konfi-Arbeit sei nach wie vor das Angebot mit der größten Reichweite in der Evangelischen Kirche.

    Mehr erfahren
  • Datum: 18.04.2024

    „Kirche mit Kindern“ ist einfach lebendig

    Vom Kindergottesdienst zu einer Kirche für die ganze Familie: Lebendiger und spannender Gottesdienst mit neuen Herausforderungen. Wir haben Sabine Foth gefragt, wie sich die Kirche mit Kindern zu einer Familienkirche gewandelt hat und was ihr an der Arbeit besonders gefällt.

    Mehr erfahren
  • Datum: 18.04.2024

    Video: Multitalent mit Down-Syndrom

    Tamara Röske hat viele Talente: Schauspielern, Modeln und Leichtathletik – trotz Handicap. Die 28-Jährige hat das Down-Syndrom. Wie bringt sie alles unter einen Hut? Darüber spricht sie zusammen mit ihrer Mutter Antje mit „Alpha & Omega“-Moderatorin Heidrun Lieb.

    Mehr erfahren
  • Datum: 17.04.2024

    „Der Segen Gottes gilt uns allen“

    Mit einem Gottesdienst in der Klosterkirche Mariaberg bei Gammertingen hat am 13. April die ökumenische Woche für das Leben begonnen. Sie stellt unter dem Motto die Lebenswirklichkeiten Jugendlicher und junger Erwachsener mit Behinderungen in den Mittelpunkt.

    Mehr erfahren
  • Datum: 16.04.2024

    Segen, Mut & Traubenzucker

    In diesen Wochen stehen an vielen Schulen Abschlussprüfungen an - für Schülerinnen und Schüler eine stressige Zeit. Die Ev. Jugendkirche Stuttgart macht mit einem speziellen PrüfungsSegen Mut und stellt auch anderen Gemeinden Materialien zur Verfügung.

    Mehr erfahren
  • Datum: 16.04.2024

    Digitaler Notfallkoffer für die Seele

    Hilfe in persönlichen Krisenmomenten bietet die KrisenKompass-App der Telefonseelsorge fürs Handy und Tablet. Sie bietet Unterstützung, um schnell wieder auf positive Gedanken zu kommen oder bei Bedarf rasch professionelle Hilfe finden zu können.

    Mehr erfahren
  • Datum: 16.04.2024

    Zum 200. Todestag von Beata Regina Hahn

    Vor 200 Jahren starb Beata Regina Hahn, die zweite Ehefrau des Mechanikerpfarrers Philipp Matthäus Hahn, Tochter von Johann Friedrich Flattich und Mutter der Schulgründerin Beate Paulus. Als Herausgeberin von Hahns Schriften prägte sie dessen Bild für viele Jahre.

    Mehr erfahren
  • Datum: 15.04.2024

    „Wir beten, dass die zerstörende Gewalt ein Ende nimmt“

    Die Landeskirchen in Württemberg und Baden haben den Jüdinnen und Juden im Land Grüße zum Pessach-Fest übersandt. Darin nehmen Landesbischof Gohl und Landesbischöfin Springhart Bezug auf den Angriff der Hamas wie auch auf den Raketenangriff des Iran auf Israel.

    Mehr erfahren
  • Datum: 15.04.2024

    Hoffnung wird durch Menschen vermittelt

    Bei einer religionspolitischen Tagung der SPD-Bundestagsfraktion am 12. April in Berlin unter dem Titel „Mehr Zuversicht! Mit Hoffnung die Zeiten wenden“ betonte Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl, wer die Verwurzelung in Jesus Christus spüre, werde für andere zur Hoffnung.

    Mehr erfahren
  • Datum: 13.04.2024

    Landesbischof Gohl: "Wir stehen an der Seite Israels"

    "Der Angriff des Iran bedroht die Existenz Israels. Wir müssen daran erinnern, dass alles mit dem Pogrom der Hamas an Israel begann." Gohl weist weiterhin auf die israelischen Geiseln in der Gewalt der Hamas hin.

    Mehr erfahren
Mehr laden