Mit Nachdruck fordert der Stuttgarter Asylpfarrer Joachim Schlecht einen besseren Betreuungsschlüssel für Flüchtlinge. In Stuttgart komme ein Sozialarbeiter auf 136 Asylsuchende. "Es mag vielleicht kurzfristig Geld sparen, aber langfristig ist das äußerst schwierig", sagte Schlecht am Mittwoch, der seit rund 100 Tagen Asylpfarrer und Beauftragter für Asyl und Migration der Evangelischen Landeskirche in Württemberg ist. Eine Quote von 1:120 sei bereits versprochen, und eigentlich brauche es mit Blick auf die starke Belastung der ehrenamtlichen Helfer sogar einen Schlüssel von 1:100..
Schlecht sprach sich zudem für einen Abschiebestopp in den Kosovo im Winter aus. Meist fänden die Menschen dort zerstörte Häuser vor und hätten Probleme, für den Lebensunterhalt zu sorgen. Über eine Obergrenze für Flüchtlinge spreche er derzeit bewusst nicht, weil er sie noch nicht erreicht sehe. "Es gibt Möglichkeiten, diese Menschen zu schützen, und die sollten wir wenn möglich ergreifen."
In den kommenden Monaten möchte der 53-Jährige ein Konzept gegen Werbung von extremen politischen und religiösen Gruppierungen in Flüchtlingsunterkünften entwickeln. "Die Menschen dort wissen meist gar nicht, mit wem sie es zu tun haben." Ziel sei, den Flüchtlingen Wahlmöglichkeiten aufzuzeigen. In Ulm etwa sei aus dem interreligiösen Dialog ein Plakat entstanden, auf dem Christen, Muslime und Juden gemeinsam ihre Gottesdienste ankündigen. So etwas schwebe ihm auch für Stuttgart und andere Städte vor.
Das "schillernde" ehrenamtliche Engagement in der Flüchtlingsarbeit habe ihn sehr beeindruckt, bilanzierte Schlecht und hob auch den Einsatz der kirchlichen Mitarbeiter hervor, ohne die "vieles zusammenbrechen würde". Die große Hilfsbereitschaft sei ein gutes Zeichen gegen aggressive Rechtsextreme. "Wir aus den Helferkreisen werden immer mehr sein."
Gelernt habe er, was für eine wichtige Rolle das Mobiltelefon für die Flüchtlinge spiele. Viele speicherten darauf wichtige persönliche Daten und würden damit zum Teil auch Bezahlungen vornehmen. "Wenn sie ihr Handy verlieren oder von Schleppern abgenommen bekommen, geht ein Teil ihrer Identität verloren."
Schlecht hatte das Amt im September von Werner Baumgarten übernommen, der in den Ruhestand gegangen ist. Der Asylpfarrer berät Asylsuchende aus aller Welt und begleitet sie seelsorgerisch. Eindrücke und Erfahrungen "an der Basis" seien wichtig für die landesweite Vernetzungsarbeit, machte Schlecht deutlich. Hier arbeitet er unter anderem eng mit den Flüchtlingsbeauftragten der württembergischen Kirchenbezirke zusammen.
Quelle: Evangelischer Pressedienst (epd)