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„Angst ist immer ein schlechter Ratgeber“

Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl im Interview zu Klima- und Umweltschutz

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Video: elk-wue.de

„Angst ist immer ein schlechter Ratgeber – denn das macht dich eng“, sagte Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl im Interview unten auf dieser Seite zum Thema Klimaschutz. Man müsse die Sorgen der Menschen ernst nehmen, aber auch den Blick für das Mögliche behalten. Es gebe viele Ansätze, ins Handeln zu kommen. „Wenn wir uns so verhalten würden, wie es der Schöpfung entspricht oder wie es Gott auch mit uns gemeint hat mit den Zehn Geboten zum Beispiel, würde es unserer Welt viel, viel besser gehen“, sagt Gohl und präzisierte: „Das erste Gebot schränkt uns ein: Gott ist der Herr und nicht wir. Ich bin nicht das Maß aller Dinge.“ Hier finden Sie das Interview im Volltext sowie als Video.

Der Klimaschutz sei eine große Herausforderung und koste „wirklich viel Geld“, sagte Gohl und verwies beispielhaft darauf, dass die württembergische Landeskirche Photovoltaikanlagen für Kirchengemeinden und kirchliche Einrichtungen mit 50 Prozent bezuschusst. Gohl betonte aber auch: „Wir müssen sicher aufpassen, dass wir die Menschen nicht überfordern und eine gesunde Balance finden.“ Gohl sagte, „mit unserem Klimaschutzgesetz zur Klimaneutralität für die Landeskirche bis 2040 sind auf dem richtigen Weg“, und nannte als Beispiele die Schöpfungsleitlinien der Landeskirche sowie das Klimaschloss Beilstein: „Ein mittelalterliches Schloss wird so bewirtschaftet, dass es klimaneutral ist und wirklich vorbildlich ist.“

Gohl warnte vor einer Verschärfung des Tons in öffentlichen Debatten: „Ich finde es wirklich problematisch, wie über die Klimaaktivisten gesprochen wird: Dass man da von Klimaterroristen spricht und sie in eine Ecke stellt.“ Gohl betonte, er teile nicht die Methoden und habe sich davon auch deutlich distanziert, aber „das alles so abzuwerten mit Begriffen wie ‚Terroristen‘ oder ‚Klima-Chaoten‘ und nicht zu sehen, dass es Ihnen wirklich um ein für die Menschheit wichtiges Anliegen geht […] das ist unsäglich, um das deutlich zu sagen. Wir erleben, was Terrorismus weltweit heißt:  Boko Haram oder auch der Überfall Putins auf die Ukraine. Das ist Terrorismus. Und doch nicht, wenn sich Menschen, weil sie sich einfach Sorgen machen, friedlich ohne Gewaltanwendung für die Bewahrung der Schöpfung einsetzen. Da muss man sauber unterscheiden.“

Umgekehrt wandte sich Gohl gegen eine Vereinnahmung Jesu Christi als Klimaaktivist: „Ich finde es immer schwierig zu sagen, was Jesus wäre. Wenn wir die Frage nach dem Klima als eine Frage der Gerechtigkeit sehen […] dann bin ich der Überzeugung, dass das eine Aufgabe aus unserem christlichen Glauben heraus ist. Und dann hat es natürlich einen Bezug zu Jesus.“ Gohl erklärte, er fände es problematisch, „wenn man für seine Position sagt: ‚Aber Jesus wäre das doch auch‘. Weil wir das immer wieder auch erlebt haben, dass so was missbraucht wurde, und ich viel wichtiger finde, selbstkritisch zu sein. Jesus stellt immer wieder auch meine Position, mein Denken in Frage.“


Das Interview im Volltext:

Herr Landesbischof, wie blicken Sie auf die Ereignisse und Nachrichten zu den Auswirkungen der Klimakrise hier bei uns? Wie geht es Ihnen dabei?

Landesbischof Gohl: Mir geht es so wie wahrscheinlich den meisten, dass ich mit Sorge sehe, wie der Klimawandel jetzt für uns spürbar ist. Theoretisch hatten wir schon lange davon gewusst. Aber wir erleben jetzt, wie Wetterlagen dann einfach sich festsetzen, bis es große Überschwemmung gibt, ganz bei uns in der Nähe, aber dann auch wieder große Trockenheiten.

Sie sprechen dennoch im Zusammenhang mit den Herausforderungen der Klimakrise immer wieder von Hoffnung.

Landesbischof Gohl: Weil ich finde, dass Angst immer ein schlechter Ratgeber ist – denn das macht dich auch eng. Angst kommt vom Begriff Enge her. Und deshalb finde ich wichtig, dass man die Sorgen ernst nimmt, dass ich das nicht schönrede. Aber dass wir auch noch den Blick für die Möglichkeiten haben, das sehe ich nach wie vor. Hier gibt es viele Ansätze, dass wir ins Handeln kommen. Wenn wir uns so verhalten würden, wie es der Schöpfung entspricht oder wie es Gott auch mit uns gemeint hat mit den Zehn Geboten zum Beispiel. Hier schränkt uns direkt das erste Gebot schon mal ein: Gott ist der Herr und nicht wir. Ich bin nicht das Maß aller Dinge. Und wenn wir in diesem Rahmen leben würden – glaube ich – würde es unserer Welt viel, viel besser gehen.

Warum ist der Klimaschutz ein Anliegen der Kirche?

Landesbischof Gohl: Für mich gibt es ganz klaren einen biblischen Auftrag, weil es in der Schöpfungsgeschichte heißt: Der Mensch hat die Aufgabe, die Erde zu bebauen und zu bewahren. Wir haben lange das Bebauen im Blick gehabt und das Bewahren aus dem Blick verloren. Und deshalb ist der Klimawandel für mich eine Folge von unserem Tun, von unserer Maßlosigkeit, weniger Gottes direktes Einwirken. Ich habe aber die Hoffnung, dass Gott auch Wege findet, wo wir keine haben, da ist auch die Bibel voller Beispiele. Und dass wir vor diesem Hintergrund trotzdem wirklich das Menschenmögliche tun. Nicht aus Angst oder Verzweiflung, sondern mit Gottes Hilfe und mit meinen Möglichkeiten handeln. Übrigens setzt sich die Landeskirche bereits seit den 1980er Jahren aktiv für den Umweltschutz ein.

Dennoch gibt es auch kritische Stimmen.

Landesbischof Gohl: Es ist natürlich eine ganz große Herausforderung, weil Klimaschutz wirklich viel Geld kostet. Aber wenn wir es ernst nehmen und unseren Worten wirklich auch Taten folgen lassen, dann müssen wir das Geld in die Hand nehmen. Und das wird bei uns auch gemacht. Zum Beispiel fördert die Landeskirche Photovoltaikanlagen für Kirchengemeinden und kirchliche Einrichtungen zu 50 Prozent.

Aber wir müssen sicher aufpassen, dass wir die Menschen nicht überfordern und eine gesunde Balance finden. Die Ziele sind ambitioniert, aber wir dürfen die Menschen auf diesem Weg nicht verlieren. Da sind wir mit unserem Klimaschutzgesetz in diesem Prozess zur Klimaneutralität für die Landeskirche bis 2040 auf dem richtigen Weg. Weiter gibt es unsere Schöpfungsleitlinien, und viele andere Projekte: Ich finde unser Klimaschloss in Beilstein klasse: Ein mittelalterliches Schloss wird so bewirtschaftet, dass es klimaneutral ist und wirklich vorbildlich ist. Und da gibt es viele kleine Modelle, nicht nur bei uns: Ich war vor kurzem in Siebenbürgen, da haben sie beispielsweise eine grüne Kirchenburg. Sie haben ihre Gebäude mit einem tollen Garten und mit Solartechnik zu einer grünen Kirchenburg umgebaut. Bewusst als Christinnen und Christen! Sonst sieht man dort nicht viel Solar, aber christliche Gemeinden sind ganz vorne dabei. Weil wir wissen, dass wir ein Teil der Schöpfung sind und diesen Auftrag haben, sorgsam mit der Erde umzugehen.

Reicht es aus, Klimaschutz nur in den eigenen Einrichtungen denken?

Landesbischof Gohl: Ich finde es schwierig von anderen zu fordern, was man selbst nicht macht. Und selbstverständlich sind wir als Kirche auch mit der Politik im Gespräch, weil das natürlich auch ein Thema ist, das die Politik an ganz unterschiedlichen Ecken beschäftigt und wo man auch um gute politische Lösungen ringt. Hier können wir als Kirche unsere Erfahrungen einbringen.

Können Christinnen und Christen Klimaaktivisten sein?

Landesbischof Gohl: Also ich erlebe ganz viele Menschen, die sich bewusst als Christinnen und Christ für die Bewahrung der Schöpfung einsetzen. Das Wort „Klimaaktivist“ ist heute so negativ konnotiert, obwohl es doch eigentlich positiv ist: Dass sich andere – mit uns zusammen hoffentlich – einsetzen, dass wir die Welt so erhalten, dass wir darauf leben können. Die Grenzen beim Klimaaktivismus liegen natürlich bei der Gefährdung anderer und für einen selbst.

Klimahysterie, Untergangsrhetorik – mit Blick auf Aktivisten stehen diese Begriffe häufig im Raum. Dahinter stecken aber auch reale Befürchtungen und Ängste. Können Sie diese nachvollziehen?

Landesbischof Gohl: Ich finde es wirklich problematisch, wie auch in der Öffentlichkeit über die Klimaaktivisten gesprochen wird: Dass man da von Klimaterroristen spricht und sie in eine Ecke stellt. Die Methoden, die teile ich nicht und habe mich da auch schon deutlich davon distanziert, aber dennoch: Das alles so abzuwerten mit Begriffen wie „Terroristen“ oder „Klima-Chaoten“ und gar nicht sieht, dass es Ihnen wirklich um ein für die Menschheit wichtiges Anliegen geht, dass wir nämlich unseren Lebensstil so ändern, dass die Generationen nach uns noch Lebensraum haben. Aber als Klimaterroristen die Menschen so zu bezeichnen, das ist unsäglich, um das deutlich zu sagen. Wir erleben, was Terrorismus weltweit heißt:  Boko Haram oder auch der Überfall Putins auf die Ukraine. Das ist Terrorismus. Und doch nicht, wenn sich Menschen, weil sie sich einfach Sorgen machen, friedlich ohne Gewaltanwendung für die Bewahrung der Schöpfung einsetzen. Da muss man sauber unterscheiden.

Klimaaktivisten suchen sich ja ganz bewusst immer wieder Kirchen für ihre Aktionen aus oder suchen das Gespräch – auch mit Ihnen. Was sind hier die Erwartungen?

Landesbischof Gohl: Also ich finde es prinzipiell gut, dass man Erwartungen an die Kirche hat und Menschen, wenn es um Bewahrung der Schöpfung geht, sagen: „Wir wollen euch als Kirche da mit im Boot haben“. Ich glaube ja, dass die Welt Gottes Schöpfung ist, dass wir als Menschen ein Teil der Schöpfung sind und dass Gott uns den Auftrag gegeben hat. Daher haben wir dieselbe Anliegen, also lasst uns doch zusammen überlegen, wie wir diesem nachkommen.

Viele der Klimaaktivisten, die ich gesprochen habe, sind wirklich verzweifelt. Was sie auch tun, die Breite der Gesellschaft bewegt sich nicht und macht weiter wie bisher. Allerdings ist mir wichtig, die Natur nicht nur als zerstört und vom Untergang bedroht zu sehen, sondern auch ihre Schönheit wieder zu entdecken. Was wir brauchen, ist eine breite Bewegung hin zu mehr Naturerfahrung. Das ist nichts neues für unsere Kirche. Vor 200 Jahren kamen die ersten Tierschützer aus dem württembergischen Pietismus. Auch sie schauten genau hin, lobten Gottes Schöpfung und nahmen den Auftrag des Bebauens und Bewahrens wieder ernst. Daran können wir heute anknüpfen.

Wäre Jesus denn Klimaaktivist gewesen?

Landesbischof Gohl: Ich finde es immer schwierig zu sagen, was Jesus wäre. Wenn wir die Frage nach dem Klima weiter sehen als eine Frage der Gerechtigkeit – Generationengerechtigkeit ist ein zentrales Thema beim Klimaschutz – dann bin ich der Überzeugung, dass das eine Aufgabe aus unserem christlichen Glauben heraus ist (alt: unserem christlichen Glauben entspricht). Und dann hat es natürlich einen Bezug zu Jesus In diesem Sinn könnte man sagen: Jesus wäre Klimaaktivist. So wie er sich für andere Gerechtigkeitsfragen - so wie ich die Bibel verstehe - auch eingesetzt hat. Ich finde es aber immer problematisch, wenn man für seine Position sagt: „Aber Jesus wäre das doch auch“ Weil wir das immer wieder auch erlebt haben, dass so was missbraucht wurde und ich viel wichtiger finde, selbstkritisch zu sein. Jesus stellt immer wieder auch meine Position, mein Denken in Frage.

Was tun Sie persönlich für den Klimaschutz?

Landesbischof Gohl: Ich bin im städtischen Bereich zu Fuß unterwegs oder wo immer möglich mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Da ist auf jeden Fall Luft nach oben, das ist überhaupt keine Frage. Aber es ist vor allem eine mentale Sache, weil es ja bei uns darum geht: So wie wir bisher leben, so können wir nicht mehr weiter machen. Wir haben begrenzte Ressourcen und müssen uns einschränken. Und wenn man gewöhnt ist, dass es immer nach vorne geht, dann ist es eine wichtige Weichenstellung, die wir erstmal im Kopf hinbekommen müssen.



Hinweis für Kirchengemeinden

Kirchengemeinden sind herzlich eingeladen, Texte wie diesen von www.elk-wue.de in ihren eigenen Publikationen zu verwenden, zum Beispiel in Gemeindebriefen. Sollten Sie dabei auch die zugehörigen Bilder nutzen wollen, bitten wir Sie, per Mail an kontakt@elk-wue.de nachzufragen, ob die Nutzungsrechte für den jeweiligen Zweck vorliegen. Gerne können Sie alle Bilder nutzen, die Sie im Pressebereich unserer Webseite finden.


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Grafik: elk-wue.de

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