| Landeskirche

Inklusion braucht Begleitung

Beraterinnen und Berater für inklusiven Religionsunterricht nehmen im Herbst die Arbeit auf

„InRuKa“ – hinter dieser Abkürzung verbirgt sich ein Projekt der Württembergischen Landeskirche zum Thema „Inklusionsbegleitung für Religionsunterricht und Konfirmandenarbeit“. Es ist ein Beitrag der Kirche zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Bildungsbereich. Dr. Wolfhard Schweiker vom Pädagogisch-Theologischen Zentrum (ptz) in Stuttgart-Birkach und Sonderpädagogin Greta Schenk aus Markgröningen (Landkreis Ludwigsburg) berichten im Gespräch mit Ute Dilg über ihre Erfahrungen mit inklusivem Unterricht in Schule und Gemeinde und wie „InRuKa“ hier helfen kann.

Wie hat sich durch die Inklusion an Schulen der Religionsunterricht verändert?

Schweiker: Religionsunterricht wird zu einem großen Teil von Fachlehrkräften unterrichtet. Das können auch Pfarrerinnen und Pfarrern oder Diakone sein. Diese Fachlehrer sind vor allem, wenn sie an mehreren Schulen unterrichten, nicht so gut in den Schulalltag eingebunden und erfahren oft nicht, wenn ein Kind gerade einen besonderen Förderbedarf hat. Deshalb ist ein Ziel auch, dass in inklusiven Klassen Lehrkräfte im Team unterrichten, auch im Religionsunterricht. Das gilt übrigens auch für den Konfirmandenunterricht, wenn Kinder und Jugendliche mit Behinderungen in einer Gruppe sind.

Ist das leistbar?

Schweiker: Sicher nur zum Teil. Aber gerade im Religionsunterricht, in dem sich Klassen nach Konfessionszugehörigkeit neu zusammensetzen, kann es passieren, dass mehrere Kinder mit einer Behinderung zusammen unterrichtet werden müssen. In der Situation ist Unterstützung dringend nötig.

Wie kann „InRuKa“ hier weiterhelfen?

Schweiker: Im Rahmen von „InRuKa“ haben wir 14 interessierte Religionslehrer, Sonderpädagogen und Pfarrer zu sogenannten Inklusionsberatern ausgebildet. Ab kommenden September sollen diese Beraterinnen und Berater dann in den nächsten vier Jahren denen, die im Religionsunterricht und Konfirmandenarbeit unterrichten, zur Seite stehen. Das kann ein Telefongespräch sein, aber auch eine Vor-Ort-Beratung mit Hospitation. Wir wollen, dass sich die Kollegen den Inklusionsanspruch zu eigen machen und ihre fachlichen und didaktischen Fähigkeiten weiterentwickeln. Die Beratung geschieht in enger Zusammenarbeit mit den Schuldekanen. 

Frau Schenk, Sie sind Sonderpädagogin und eine der neue Beraterinnen, die im Rahmen von „InRuKa“ ausgebildet wurden. Warum haben Sie an der Weiterbildung teilgenommen?

Schenk: Ich bin Lehrerin an der August-Hermann-Werner-Schule in Markgröningen, einer Schule für Körperbehinderte. Dort mache ich auch Konfirmandenarbeit und kriege mit, was meine Schüler so umtreibt. Viele haben Angst davor, in ihrer Heimatgemeinde in den Konfirmandenunterricht zu gehen. Sie denken, dass niemand mit ihnen etwas zu tun haben will, weil sie behindert sind. Viele Pfarrer sind auch unsicher. Ihnen fehlt das sonderpädagogische Wissen. Und da möchte ich etwas verändern.

Es gibt Widerstände. Und wenn man selber nicht bereit ist, sich auf Inklusion einzulassen, dann bringt auch die beste Beratung nichts.

Greta Schenk

Was waren die Inhalte der Weiterbildung?

Schweiker: Es ging vor allem um inklusionspädagogische Grundqualifikationen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind sozusagen zu „sonderpädagogischen Generalisten“ weitergebildet worden. Außerdem sollten sie Kooperationspartner und Netzwerke kennenlernen. Schließlich sollen die Inklusionsberater nicht isoliert arbeiten, sondern in das Unterstützungssystem des Staates und der Diakonie eingebunden sein. Viele der Teilnehmer hatten bereits Beratungserfahrung. Darauf haben wir aufgebaut.

Schenk: Gerade das Coaching zur Beratung war hilfreich. Ebenso die didaktischen Hinweise. Da konnten auch wir Sonderpädagogen viel mitnehmen. Außerdem haben wir alle hospitiert. Entweder an einer Schule oder wie ich im Konfirmandenunterricht in einer Gemeinde. 

Gerade der Konfirmandenunterricht war ja im Idealfall auch bisher schon inklusiv angelegt. Wie sieht es in diesem Bereich aus?

Schweiker: Wir treiben am ptz seit zwölf Jahren intensiv die inklusive Konfirmandenarbeit voran – auch über regelmäßige Fortbildungen. Aber Inklusion ist hier eben auch eine Strukturfrage. 

Inwiefern?

Schweiker: Derzeit gibt es noch Sonderkonfirmandenunterricht vor allem an Schulen für geistig Behinderte. Aber das Ziel muss sein, die Konfirmandinnen und Konfirmanden in ihrer Heimatgemeinde zu unterrichten. Dafür fehlt in vielen Gemeinden noch das Know-how. Und dann gibt es noch viele ganz praktische Probleme. Wenn ein Jugendlicher mit komplexer Behinderung im kirchlichen Unterricht eine Assistenz braucht, dann gibt es bisher dafür keine staatliche Förderung. Ebenso wenig wenn bauliche Veränderungen, eine Rampe oder eine andere Beleuchtung gebraucht werden. Für so etwas müsste die Kirche dann aufkommen.

Erleben Sie Widerstände gegen Inklusion in Schulen und Gemeinden?

Schenk: Es gibt Widerstände. Und wenn man selber nicht bereit ist, sich auf Inklusion einzulassen, dann bringt auch die beste Beratung nichts. Aber wir sind auf einem guten Weg. Die Regelschulen und die Sonderschulen verändern sich. Das ist ein gemeinsamer Prozess. 

Schweiker: Auch in den Gemeinden tut sich was. Die meisten Pfarrer finden grundsätzlich einen inklusiven Konfirmandenunterricht gut. Viele fühlen sich allerdings überfordert. Häufig kann ein Pfarrer eine Gruppe mit mehreren Jugendlichen mit Behinderungen nur schwer handhaben. Da müssen wir mit der Beratung helfen. In manchen Gemeinden gibt es schon sogenannte „Teamer“ als Zweitkräfte. In Stuttgart haben wir gute Erfahrungen mit Sonderschulreferendaren gemacht, die ein außerschulisches Praktikum machen müssen und dann auch ein ganzes Jahr mithelfen können. Solche Ressourcen gilt es zu erschließen.

Vielen Dank für das Gespräch.


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