| Geistliches

„In diesem Moment habe ich Frieden gespürt“

Serie über Berufung – Teil 1: Schwester Simone, Christusträger-Schwester

Schwester Simone lebt seit 13 Jahren in der Christusträger Schwesternschaft in Hergershof. Im Interview hat sie erzählt, wie es kam, dass sie ihr Leben Gott gewidmet hat.  In einer lockeren Serie gehen wir der Frage nach, wie Menschen zu bestimmten Lebenswegen und Aufgaben berufen werden.

Schwester Simone gehört der Christusträger Schwesternschaft an. Bild: Nora Henker

Was verstehen Sie unter Ihrer Berufung?

Schwester Simone: Zum einen verstehe ich darunter meine Berufung zu Gott: Ich habe an einem Punkt gemerkt, dass ich Gott nachfolgen möchte, zunächst einmal, egal wie. Aber ich wollte mit ihm leben. Das war für mich das Wichtigste. Zum anderen ist es die Berufung in eine Lebensform, auf einen Weg, den Gott mir zeigt. Bei mir führte dieser Weg in die Gemeinschaft.

Wie haben Sie diese beiden Schritte des „Berufenseins“ erlebt?

Schwester Simone:  Als Christin lebe ich schon länger, ich bin mit Kinderkirche und Konfirmation aufgewachsen - damals habe ich schon mehr oder weniger mit Gott gelebt. Ich war damals Mitte Zwanzig, stand im Berufsleben, habe bei der Rentenversicherung gearbeitet. Irgendwann tauchte in mir der Wunsch auf, mich wirklich darauf einzulassen, bewusst mit Gott zu leben, Gott mein ganzes Leben zur Verfügung zu stellen.

Diese Frage hat mich bestimmt zwei Jahre bewegt. Ich habe mit einer Pfarrerin darüber gesprochen und mit jemandem von einer anderen Schwesternschaft. Ich habe auch darüber gebetet und Gott gefragt: Was willst eigentlich du? Da kam mir ein Bibelwort aus dem Buch Josua in den Kopf. Und ich war damals nicht sehr bibelfest.

Es heißt in Josua 24, 22: „Da sprach Josua zum Volk: Ihr seid Zeugen gegen euch selbst, dass ihr euch den HERRN erwählt habt, um ihm zu dienen. Und Sie sprachen: Ja!“ Als ich das gelesen habe, habe ich gedacht: „Ja, genau! Das will ich“.  Es war ein prägendes Erlebnis, dass die Bibel für mich so relevant war und ist. Damals stand das Leben in Gemeinschaft noch gar nicht im Raum. Das kam erst später.

Nach dieser Entscheidung, dass ich Gott folgen möchte, kam dann das Wie und die Erinnerung an die Schwesternschaft. Ich kannte die Schwestern schon, ich hatte schon einmal ein Jahr als diakonische Helferin hier gelebt, aber zu diesem Zeitpunkt hatte ich diese Lebensform noch nicht für mich entdeckt. Als es dann konkret wurde, habe ich eine Pro-Contra-Liste erstellt. Daraus ergab sich dann dieser Weg in die Gemeinschaft.

Hatte das Berufenwerden zu einem Leben mit Gott auch eine emotionale Komponente?

Schwester Simone: In diesem Moment habe ich Klarheit und Gewissheit gespürt. Und auch Freude – oder eher Frieden. Ich habe Frieden darüber verspürt, dass es jetzt klar ist, dass es jetzt weitergehen kann. Nicht mehr hin- und herüberlegen und die Möglichkeiten gegeneinander abwägen zu müssen.

Es folgte die Entscheidung, in die Schwesternschaft einzutreten. War dieser Entschluss rational geprägt?

Schwester Simone: Ja, das war er. Meine Grundentscheidung hatte so viele Auswirkungen: Ich wollte zum Beispiel nie in einer WG leben – jetzt lebe ich in einer Groß-WG. Ich hatte immer viel Freiheit, ein eigenes Auto, ein eigenes Konto; ich hatte auch einen Familienwunsch, ich wollte immer Kinder haben. Aber ich hatte ja immer im Hinterkopf: „Ich habe mich für ein Leben mit Gott entschieden, und ich will auf ihn hören.“ Und ich habe bei jeder Entscheidung – Wohnen, Geld, Familie – immer wieder diesen Frieden gespürt. Der Friede war da, und er muss auch da sein, in solchen Momenten. Mit Widerstand wird das nichts.  

Würden Sie sagen, dass man sich bei solchen Entscheidungen an seinen Gefühlen orientieren kann?

Schwester Simone: Ich glaube, Gott hat uns auch Gefühle gegeben, um uns bei so etwas zu helfen. Es ist das Ganze: Eine klare, durchdachte Entscheidung und die Gefühle.

Ich habe das zum Beispiel bei meinem letzten Schritt vor dem Eintritt in die Gemeinschaft gemerkt. Ich hatte den Schwestern schon gesagt, dass ich darüber nachdenke, und ich war noch einmal drei Wochen hier (in der Schwesternschaft, Anm. d. Red.), um es zu probieren. Ich dachte, vielleicht merke ich, dass es doch nicht geht. Nach diesen drei Wochen bin ich weggefahren, zurück nach Freiburg, wo ich damals gewohnt habe – und ich saß in Freiburg und habe geweint vor Heimweh. Da habe ich mich endgültig entschieden. Dann ging es recht schnell: Die Entscheidung habe ich im Oktober gefällt, ich hatte sechs Wochen Kündigungsfrist, habe zum 31. Dezember gekündigt und bin im Januar 2010 hierhergezogen.

Die Christusträger-Schwestern in Hergershof. Bild: Nora Henker

Gibt es etwas in Ihrem Alltag, das Sie in Ihrem Berufensein bestätigt oder trägt?

Schwester Simone: Das Berufensein trägt mich auf jeden Fall.  Zu Beginn war es in der Schwesternschaft an manchen Stellen nicht ganz einfach – da habe ich mich schon manchmal gefragt, ob ich hier richtig bin. Heutzutage sagen manchmal Gäste: „Ihr versteht euch so gut, und es ist großartig hier“ – das ist nicht immer so, denn hier leben acht Frauen zusammen, da kriselt es auch manchmal. Sich dann immer wieder bewusst zu machen: Wir sind nicht hier, weil es uns so gut gefällt, sondern weil Gott uns hierhergestellt hat – mich UND meine Schwestern. Ohne Berufung würde es nicht gehen.  Gäste sagen manchmal, dass es hier so schön sei und sie auch eintreten möchten. Dann sage ich ihnen: „Vergiss es, das ist keine Grundlage, es muss eine Berufung von Gott sein.“  Denn: Ich muss wissen, dass er mich an diesen Platz stellt. Ich bin hier, um Gott zu lieben, das ist meine Berufung. Und nicht, weil es grade so schön ist.

Ein anderer Fall, in dem meine Berufung mich trägt, ist zum Beispiel, wenn wir im Gästehaus Gäste haben, und ich merke, ich kann Hilfestellung leisten, damit es den Menschen gut geht, damit sie etwas von Gottes Liebe spüren. Diese Liebe weiterzugeben, gehört auch zu meiner Berufung. Man kann es auch an unserem Namen festmachen: „Christusträger“ – weil ich selbst weiß, dass ich getragen bin, geliebt bin, und dass ich das weitergeben darf: hier im Gästehaus, in der Autobahnkapelle, im Kirchengemeinderat (KGR Geislingen, Gesamtkirchengemeinde Braunsbach, Anm. d. Red.), in der Gemeinde. Wenn ich eine Andacht halten darf oder für jemanden beten kann. Dann ist das für mich eine Bestätigung dafür, dass ich hier am richtigen Ort bin.

Ist die Berufung manchmal eine Herausforderung?

Schwester Simone: Ja, wenn es in der Schwesternschaft schwierig ist. Wenn man sich streitet, oder wenn auch einmal eine Schwester austritt. Da ist die Gemeinschaft ein Segen, weil ich damit nicht allein bin. Diese Berufung heißt auch, dass wir füreinander da sind, auch wenn es schwer ist – wir beten und reden miteinander. Wir sind ja nicht nur hier in Hergershof sondern auch in vielen Stationen (Standorte der Christusträger-Schwestern:  Anm. d. Red.) Wenn ich eine Aufgabe habe, kann ich andere auch um ein Gebet bitten.

Wenn eine Person zu Ihnen sagt „Ich finde meine Berufung nicht“, oder „Ich hadere so sehr mit meiner Entscheidung“ – was würden Sie dieser Person mit auf den Weg geben?

Schwester Simone: Ich würde ihr raten, Gott zu fragen, zuerst einmal die Beziehung zu Gott leben, an ihm dranzubleiben. Er antwortet jedem und jeder auf andere Weise. Während ich so viele Fragen hatte, dachte ich immer, die Antwort müsste sich mir doch deutlicher offenbaren, wie in einem Brief, der vom Himmel kommt. Aber so war es nicht.

Zum Begriff „Berufung“ möchte ich noch ergänzen: Berufung ist für mich eher eine Haltung, eine Lebensaufgabe. Und es ist mir wichtig, dass nicht eine Berufung mehr wert ist als die andere. Ich habe zum Beispiel lange Zeit gedacht, ich bin jetzt hier in Hergershof, aber meine Schwestern in Pakistan machen viel mehr, sind „viel mehr“ berufen. Aber sie leben ihre Berufung und ich meine. Ich finde es wichtig, hier die Bewertung herauszunehmen. An jedem Platz ist man berufen, wo auch immer Gott einen hinstellt.



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