Digitaler Wandel soll Kirche bei Kernaufgaben unterstützen
Corona hat allen Digitalisierungswilligen in die Hände gespielt, auch in der evangelischen Kirche. Videokonferenzen etwa sind von der seltenen Ausnahme zum Standard geworden, sagt Dr. Nico Friederich von der württembergischen Landeskirche. „Ohne die Pandemie wäre das nicht so schnell gegangen“, ist sich Friederich sicher.
Vor fünf Jahren hat die Landeskirche eine Projektgruppe Digitalisierung ins Leben gerufen, seit März 2019 ist der promovierte Betriebswirtschaftler Friederich Verantwortlicher für Digitalen Wandel in der Landeskirche. Der Leitgedanke dabei: Digitalisierung soll die Kirche bei Kernaufgaben unterstützen. Konkret könne das etwa bedeuten, das Internet zu nutzen, um die christliche Botschaft breiter zu streuen. Eine intelligente Verwaltungssoftware könne Zeit sparen, die sich dann beispielsweise für Seelsorge einsetzen lasse.
Bei ihren Bemühungen achten die kirchlichen Digitalisierer darauf, den Gemeinden vor Ort nichts überzustülpen. Während an manchen Stellen die Koordination der kirchlichen Arbeit schon komplett digital ablaufe, gebe es andernorts noch ehrenamtliche Mitarbeiter, die nicht einmal eine E-Mail-Adresse hätten. Deshalb brauche es immer individuelle Lösungen, betont Friederich.
Den Nutzen für die Gemeinde hält der Digitalisierungsverantwortliche allerdings für immens. So gebe es für Mitarbeiter in der Jungschar inzwischen eine Online-Plattform, von der massenhaft Material für Gruppenstunden heruntergeladen werden könne. Hauskreise sollen künftig durch die App „FeedYourself“ (Nähre dich selbst) unterstützt werden. Junge Leute würden von christlichen Influencern über Soziale Medien wie Instagram oder TikTok erreicht.
Aufbau digitaler Mustergemeinden
Schon vor der Pandemie hatte die Landeskirche einen „Streamingkoffer“ erstellt und Gemeinden ausgeliehen. Darin befindet sich die technische Ausstattung, um Veranstaltungen wie Gottesdienste live im Internet zu übertragen. Was bis vor zwei Jahren noch mutigem Innovationsgeist entsprang, entwickelte sich während der Lockdowns zum Standard einer großen Zahl von Gemeinden. Friederich erwartet, dass manche das Streamen auch nach dem Ende der Pandemie fortsetzen werden.
Derzeit kooperieren die Landeskirchen von Württemberg, Baden und Bayern bei drei „digitalen Mustergemeinden“, in denen Neues erprobt werde. Dabei handelt es sich um evangelische Kirchengemeinden in Heidelberg, Eningen unter Achalm bei Reutlingen und Markt Einersheim bei Kitzingen. Das Projekt will ausloten, mit welcher Software, welchen Prozessen und Methoden sich die Gemeindearbeit verbessern lässt. Dabei geht es um die ganze Palette von Mitarbeitermotivation über Verwaltung bis hin zur Durchführung von Veranstaltungen und Ankündigungen und Nachberichten. Im März soll es erste Zwischenergebnisse geben.
Große Vielfalt an Programmen
Unübersichtlich ist die Vielfalt an Programmen, die für verschiedenste Herausforderungen der Gemeinden zur Verfügung stehen. Nico Friederich wünscht sich hier, dass in der Kirche für dieselbe Aufgabe überall dieselbe Software benutzt wird. „Sonst kriegen wir keine Lernkurve“, sagt er. Für Videokonferenzen und Gemeindeorganisation nutzen viele Gemeinden und die Landeskirche Microsoft Teams, für die Vernetzung der Gemeindemitglieder die „Communi-App“. Ein Vorteil, wenn viele auf dieselbe Software zurückgreifen: In Internetforen können Probleme besprochen und gemeinsam gelöst werden.
Es geht im Digitalisierungsprozess aber nicht nur um Software, sondern auch um Beratung - etwa für eine Social-Media-Strategie. Dabei entwickeln Gemeinden einen Plan, wie sie sich besser beispielsweise auf Instagram oder Facebook präsentieren und mehr Menschen erreichen können.
Während viele Projekte bereits laufen, nehmen die Württemberger schon die nächsten in Angriff. So schwebt Friederich ein „Data Science Hackathon“ vor - eine Veranstaltung unter der Fragestellung, wie Kirche ihre Daten rechtskonform sinnvoller nutzen kann. Hier sieht der Digitalisierungsverantwortliche noch ungenutzte Chancen.
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