| Landeskirche

„Spezialisten des Ausgleichs“

Joachim L. Beck im Interview über das Amt des Diakonats

Schon im Juli wurde Joachim L. Beck als Direktor des Zentrums Diakonat feierlich entpflichtet - jetzt hat er seine Arbeit endgültig abgeschlossen und sich in den Ruhestand verabschiedet. Er hatte die Leitung des Zentrums seit dessen Gründung 2014 inne. Becks Nachfolge tritt zum 1. November Pfarrerin Dorothee Gabler an. In unserem Interview zieht Joachim L. Beck Bilanz und erklärt, warum der Diakonat eine wichtige Funktion für Kirche hat.

Joachim L. Beck, ehemaliger Direktor des Zentrums Diakonat, sieht Diakoninnen und Diakone in einer wichtigen Vermittlerrolle.privat

Jeder hat ein Bild vor Augen, was ein Pfarrer, eine Pfarrerin tut. Wie erklären Sie Menschen, die der Kirche etwas ferner stehen, was ein Diakon oder eine Diakonin macht?

Joachim L. Beck: Was Diakone und Diakoninnen machen, lässt sich nicht mit einem Satz sagen, denn es ist abhängig von der jeweils konkreten Aufgabe, in die sie ihre persönlichen Spezifika einbringen. Sie verantworten in der Landeskirche eine große Vielfalt von Aufgaben. Diakoninnen und Diakone arbeiten als Gemeindediakoninnen, als Jugendreferenten, im Religionsunterricht, in diakonischen Einrichtungen und Diensten, in der Pflege, in der Altenhilfe, in Beratungsaufgaben. Laut EKD-Mitgliedschaftsuntersuchung haben Diakone und Diakoninnen – ähnlich wie Pfarramtssekretärinnen – mit vielen verschiedenen Menschen Kontakt. Und auch viele kirchenfernere Menschen sind ihnen möglicherweise schon begegnet, zum Beispiel in der Senioren- oder Jugendarbeit, bei Besuchen, bei der Vesperkirche oder in der Waldheimarbeit. Darin unterscheiden sie sich auch nicht vom Pfarrdienst, der ebenso vielfältige Aufgaben wahrnimmt: im Krankenhaus oder Altenpflegeheim, in der Gemeinde, in der Schule.

Was ist für Sie das Besondere des Diakonats? Und worin liegt seine besondere Bedeutung für die Kirche?

Joachim L. Beck: Die Regelausbildung an der Evangelischen Hochschule in Ludwigsburg schließt mit einer Doppelqualifikation im Bereich Religions- und Gemeindepädagogik oder Diakoniewissenschaften sowie Soziale Arbeit ab. Deshalb können Diakone und Diakoninnen die Welt durch zwei Brillen anschauen, das, was sie wahrnehmen, theologisch und sozialwissenschaftlich „bewerten“ und die beiden Sichtweisen so miteinander ins Gespräch bringen. Der Beirat des Zentrums Diakonat hat das folgendermaßen formuliert: Aufgrund der Doppelqualifikation sind Diakone und Diakoninnen prädestiniert, ihre Arbeit an unterschiedlichen Logiken zu orientieren und das eigene Handeln multirational zu konzipieren – und auf unterschiedliche Logiken zu beziehen.

Als Spezialisten des Ausgleichs ermöglichen sie Vielfalt, nehmen Menschen mit ihren Bedürfnissen ganzheitlich in den Blick, sind Ermöglichende und Netzwerker – im Gemeinwesen, bei Menschen, zwischen Institutionen. So wird die Kommunikation des Evangeliums spezifisch, konkret, personen- und situationsbezogen.

Das ist für mich das Spezifikum des Diakonats: Diakoninnen und Diakone sind aufgrund ihrer Grundqualifikation Spezialisten des Ausgleichs, und sie sind nah an den konkreten Lebensfragen. Problematisch wird es, wenn dies als Abgrenzung zum Pfarrdienst gelesen wird oder gar als Abwertung. Solch eine Sichtweise ist falsch und geht am Wesen beider Berufe vorbei.

Wie sieht für Sie die Zukunft des Diakonats aus?

Joachim L. Beck: Nun, ich kann sagen, was ich mir wünsche. Ich wünsche mir und träume von einer Kirche, in der die verschiedenen Mitarbeitenden – haupt- und ehrenamtlich – ihre Gaben einbringen, zusammenarbeiten und jeder in seinem Teil Sorge trägt, dass die befreiende Botschaft erlebbar und erfahrbar werden kann. Das ist das eine: die Zusammenarbeit der Verschiedenen – und der Diakonat bringt da seinen Teil ein. Diakoninnen und Diakone sind nah an den verschiedenen Lebenswelten der Menschen, vielleicht mehr im „Schaum“ und weniger in der kirchlichen Bubble, wie Präses Heinrich formulierte. Der Diakonat baut Brücken, ist in der Gemeinwesenarbeit, lebt sorgende Gemeinde. Diakoninnen und Diakone sind Seismographen für gesellschaftliche Entwicklungen.

Das hat – ich träume immer noch – Konsequenzen: Die Landeskirche macht in diesem Szenario Gemeindepläne, in denen die verschiedenen Professionen eine Rolle spielen und auch Ehrenamtliche mitgedacht sind. Die spezielleren Pfarrpläne wiederum sind dann Teil der Gemeindepläne.

Was macht den Beruf des Diakons, der Diakonin für junge Menschen und Quereinsteiger attraktiv?

Joachim L. Beck: Dies ist zum einen ein spannendes Arbeitsfeld, in dem unterschiedliche Talente gelebt werden können. Dazu gehört für mich auch das Miteinander in Gemeinde, Distrikt, Kirchenbezirk und Landeskirche. Und es ist ein Arbeitsfeld, in dem theologische Fragen, existentielle Themen elementar sind. Immer wieder hören wir: Die Beschäftigung mit den biblischen Traditionen ist für Diakone und Diakoninnen sehr wichtig.  

Zum anderen gibt es unterschiedliche Wege, in den Diakonat zu kommen. Die Regelausbildung findet an der Evangelischen Hochschule in Ludwigsburg statt. Darüber hinaus ist die Ausbildung möglich an missionarisch-diakonische Ausbildungsstätten wie Unterweissach, Bad Liebenzell und anderen – mit anschließender Aufbauausbildung im Zentrum Diakonat. Für Menschen, die in der Diakonie arbeiten, ist auch eine berufsbegleitende Qualifizierung möglich. Bereits diese vielfältigen Möglichkeiten zeigen, dass die unterschiedlichen Prägungen und Talente ernst genommen und fruchtbar gemacht werden. Unsere Landeskirche in Württemberg profitiert davon.

Wie sieht Ihr Fazit aus Ihrer Zeit in der Leitung des Zentrums Diakonat aus?

Joachim L. Beck: Die Entscheidung der Landessynode und des Oberkirchenrates, das Zentrum Diakonat zu gründen, war goldrichtig. Die Landeskirche zeigt: Der Diakonat ist uns wichtig. Die Diakoninnen und Diakone haben im Zentrum Diakonat eine niederschwellige Anlaufstelle, die man einfach mal anrufen kann: „Ich habe da eine Frage ...“ Und wir haben uns zur Aufgabe gemacht, die verschiedenen Berufsgruppen im Diakonat (Jugend, Gemeinde, Soziale Diakonie, Pflege, Religionspädagogik) im Blick zu haben und deren Themen aufeinander zu beziehen.

Ich hatte das Glück, mit tollen Diakoninnen – es waren nur Frauen – im Team zu arbeiten, die ihre unterschiedlichen Erfahrungen eingebracht haben. Das Zentrum Diakonat ist, neben dem zuständigen Referat des Oberkirchenrats und der Evangelischen Hochschule, der Ort, an dem der Diakonat konzeptionell weitergedacht wird; mit den Fort- und Weiterbildungen unterstützen wir die Diakone und Diakoninnen dabei, ihre geistlich-diakonische Existenz weiter zu entwickeln, in den Ausbildungsgängen begleiten wir angehende Diakone und Diakoninnen und sind auch beratend in Kirchenbezirken und Gemeinden gefragt. 

Und ja, es ist auch Stolz dabei, wenn ich zurückschaue auf die sieben Jahre Aufbauarbeit.

Haben Sie schon Pläne für den Ruhestand?

Joachim L. Beck: Zunächst werde ich Urlaub machen – mit meiner Frau und dann noch alleine. Auf die späte Freiheit freue ich mich und will sie mit neuem Mut angehen. Das bedeutet: Ich habe keine Pläne, was denn genau kommen muss. Ich werde die nachberufliche Phase erkunden. Und schauen, was sich da Interessantes zeigen wird. Dazu gehört auch, mehr Zeit und Muße für Frau, Kinder, Enkel und Freundschaften zu haben. Und ab und an – Anfragen sind da – auch für ein Seminar zu theologischen und diakonischen Themen.

Was nehmen Sie aus Ihrer Arbeit in die nachberufliche Phase mit?

Joachim L. Beck: Ich will mir meine Neugier auf Menschen, Lebensgeschichten, theologische Fragen, Religion bewahren. Frei von aller Verantwortung für eine Einrichtung möchte ich dem nachgehen, was mich jetzt berührt. Sie ahnen: Es gibt auch einen Stapel ungelesener Bücher. Und dann Musik machen, malen – und hoffentlich bald wieder in der Halle beim Handball sitzen… 


Über Joachim L. Beck

Joachim L. Beck stammt aus Albstadt-Ebingen, war als Studienassistent im Pfarrseminar Stuttgart-Birkach und als Pfarrer in Esslingen-Mettingen, Uhingen und Sparwiesen tätig. 1994 wechselte er an die Evangelische Akademie Bad Boll zunächst als Studienleiter. 2006 wurde er Geschäftsführender Direktor der Akademie. 2013 wechselte er auf die Sonderpfarrstelle „Leitung der Fortbildung für Gemeinde und Diakonie“. Von 2014 an führte das Zentrum Diakonat als Direktor.



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Grafik: elk-wue.de

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