| Landeskirche

„Wo evangelisch draufsteht, muss Evangelium erfahrbar werden“

Bildungsdezernent Werner Baur: Kirche will mehr für Ehe und Familie tun

An Donnerstag beginnt in Stuttgart die Frühjahrssynode der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Ein Thema wird ein Paket zur Förderung von Ehe und Familie mit einem Volumen von mehr als zwölf Millionen Euro sein. Der Bildungsdezernent der Landeskirche, Oberkirchenrat Werner Baur, sagt im Gespräch, dass es insbesondere bei der Unterstützung von Ehepaaren noch kirchlichen Nachholbedarf gibt. 

Oberkirchenrat Werner BaurEMH/Gottfried Stoppel

Die württembergische Landeskirche will Ehen und Familien stärken. Was ist geplant?

Wir wollen Menschen in Partnerschaft und Ehe begleiten, Eltern in ihrer Erziehungsverantwortung stärken, Familie als Verantwortungsgemeinschaft und generationsübergreifende Ressource unterstützen und die Familien stärkenden Unterstützungsstrukturen der Kirche fördern. Da geht es um Evangelische Kindertageseinrichtungen, Familienzentren, Mutter-Kind-Klinken, Unterstützungsangebote der Diakonie zum Beispiel in der Situation der Arbeitslosigkeit von Eltern. Mit den über zwölf Millionen Euro wollen wir keine neuen Organisationen und Strukturen schaffen, sondern innerhalb der bereits vorhandenen das Engagement für Ehen und Familien stärken. Ein besonderer Schwerpunkt muss auf der Sozialraum- und Lebensweltorientierung liegen.

Was bezweckt die Kirche damit?

Wir wollen neu bewusstmachen, wie wichtig Ehe und Familie für den Einzelnen, für die Kirche und für die Gesellschaft sind. Und wir wollen deutlicher und bewusster wahrnehmen, was Menschen in ihrer Partnerschaft, ihrem Ehe- und Familienleben besonders herausfordert und belastet. In diesem Prozess soll Kirche auf allen Ebenen darüber nachdenken, wie sie mit ihren Gaben und hervorragenden Strukturen Menschen in ihrer familiären Situation besser unterstützen kann.

Was tut die Landeskirche denn konkret, um Ehen zu stärken?

Im Gegensatz zur katholischen Kirche, die die Ehe als Sakrament begreift, haben wir im Protestantismus die Ehe als Institution deutlich weniger im Blick und meinem Eindruck nach auch in hohem Maß individualisiert. Das heißt aber nicht, dass es innerhalb der evangelischen Kirche keine partnerschaftsbezogene Unterstützung gäbe. Wenn Menschen in Krisen kommen, bieten etwa diakonische Bezirks- oder Psychologische Beratungsstellen Beratung an, und selbstverständlich begleiten Pfarrerinnen und Pfarrer vor Ort Menschen in ihrer jeweiligen Lebenssituation. Präventive Angebote für Paare im Blick auf den Umgang mit Belastungen und Partnerschaftskrisen gibt es nach meiner Beobachtung noch relativ wenig. Aber das kann sich ja ändern.

Wie?

Das Paket sieht die Entwicklung von Konzepten und Formaten vor, wie wir Ehepartner auf ihrem Weg unterstützen können. Ein Schlüssel dafür ist die Förderung der Kommunikation, denn sie ist entscheidend für das Gelingen einer Partnerschaft und Ehe. Formate mit diesem Ziel wollen wir fördern. Denkbar sind auch landeskirchliche Ehe-Vorbereitungskurse, die meines Wissens bislang kaum angeboten werden.

Welche weiteren Ideen gibt es?

Toll finde ich das Engagement von Kirchengemeinden, die einmal im Jahr für Paare ein Candle-Light-Dinner veranstalten und dazu alle einladen, die in diesem Jahr getraut wurden oder vor fünf, zehn oder 25 Jahren geheiratet haben. Da wird die Ehe neu gefeiert. Es ist großartig, wenn Gemeinden für die Ehen in ihren Reihen in diesem Sinne Mitverantwortung übernehmen, sie begleiten - auch in der Fürbitte.

Was wird dieses Paket noch Neues bringen?

Die christliche Erziehung wird eine wichtige Rolle spielen. So werden kurze Filme zu Erziehungsfragen gedreht. Wir wollen Eltern bei der frühen christlichen Sozialisation ihrer Kinder helfen. Familie ist der erste Ort für religiöse Prägung. Was für ein Schatz sind biblische Geschichten im Leben eines Menschen! Sie sind ein Hoffnungspotential. Das Erzählen oder Vorlesen biblischer Geschichten, das Tischgebet und der Besuch der Kinderkirche sind ja in vielen Familien keine Selbstverständlichkeit mehr.

Wie wollen Sie an diese Eltern herankommen?

Ein Schlüssel sind unsere evangelischen Kindertageseinrichtungen. Neben ihrer Bildungsarbeit mit den Kindern könnten sie, mit Unterstützung der Kirchengemeinde, in Kooperation mit der Erwachsenenbildung oder einer Familienbildungsstätte, die Arbeit mit Eltern intensivieren. Eltern haben in dieser Lebensphase eine Fülle von Fragen oder sind verunsichert. Dabei dürfen und müssen wir als evangelische Einrichtung Gesicht zeigen und erkennbar werden mit Tischgebet, biblischen Geschichten, dem Singen christlicher Lieder und dem Feiern des Kirchenjahrs - das gehört zu uns, unserem Selbstverständnis als Christen und als Evangelische Kirche in Württemberg.

Gleichzeitig diskutieren wir, ob muslimische Erzieherinnen in evangelischen Kindergärten arbeiten können. Passt das zusammen?

Der frühere EKD-Ratsvorsitzende Wolfgang Huber hat einmal gesagt: Wo evangelisch draufsteht, muss evangelisch drin sein. Ich würde es so formulieren: Wo evangelisch draufsteht, muss Evangelium, also Frohe Botschaft, erfahrbar werden. Davon sollen Menschen gerade in unserer religionspluralen Gesellschaftssituation etwas spüren. Pluralität braucht Positionalität. Nur so wird echte Begegnung möglich, Begegnung, die den anderen ernst nimmt.

Manche in der Synode befürchten, mit dem Paket werde das traditionelle Familienbild beschworen. Die Kirche müsse sich aber auch für neue Formen, etwa für Regenbogenfamilien, öffnen. Sind das berechtigte Bedenken?

Nein. Das ist kein Ausgrenzungspaket. Wenn wir dem Auftrag der Kirche gerecht werden und Menschen mit dem erreichen wollen, der uns prägt und trägt, müssen wir eine Kultur einüben und pflegen, in der sich alle willkommen fühlen.

Was soll in ein paar Jahren das Ergebnis dieser Anstrengungen sein?

Wir streben an, dass unsere Kirche mit ihren vielfältigen Angeboten vor Ort und überregional Ansprechpartner für Menschen mit verschiedensten Problemen und Herausforderungen ist. Als evangelische Kirche, als Gemeinde vor Ort, wollen wir mit Menschen nicht nur Formen der Frömmigkeit, sondern das Leben teilen. So können wir Zeugnis geben von der Hoffnung, die in uns ist, als Kirche Gesicht zeigen und für die Menschen unserer Zeit erkennbar werden.

Machen Sie damit aus der Kirche einen Lebenshilfe-Verein?

Der lebendige Gott will zum Leben helfen. So gesehen ist Kirche mit der guten Botschaft vom Leben, mit ihren diakonischen und geistlichen Angeboten Lebenshilfe. Gerade durch erfahrene Unterstützung, durch gewachsene, hilfreiche Beziehung kann das Evangelium, kann Kirche für Menschen ganz neu relevant werden.

Quelle: Evangelischer Pressedienst (epd)

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