„Hoffnung kommt aus der Gemeinschaft“
25 Jahre Ethikkomitee im Diakonie-Klinikum Stuttgart – ein viertel Jahrhundert Beratung und Unterstützung in belastenden Situationen
Im März 1999 wurde das Ethikkomitee des Diakonie-Klinikums, der Evangelischen Diakonissenanstalt und der DIAK Altenhilfe gegründet, um Mitarbeitende, Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen in schwierigen medizinischen Entscheidungen des Klinik- und Pflegealltags zu beraten. Im Folgenden finden Sie kurze Auszüge aus Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohls Grußwort. Den vollständigen Wortlaut finden Sie unten auf dieser Seite zum Herunterladen.
Zur Jubiläumsfeier am 13. September im Diakonie-Klinikum sagte Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl in seinem Grußwort:
„Die Einrichtung von Ethik-Komitees reagierte auf die Professionalisierung des Medizinbetriebs und den Fortschritt bei der Medizintechnik. Ich habe den Eindruck, dass die beratenden Ethik-Komitees in den letzten Jahren durch die Komplexitätssteigerung und Tempobeschleunigung, aber auch durch Zertifizierungen und Leitbilddiskussionen deutlich an Bedeutung gewonnen haben. Fragen der Ethik, die untrennbar mit dem Patientenwohl verbunden sind, werden in hocheffizienten Organisationen wie einem Krankenhaus über Fragen der Partizipation geklärt. Ich finde dies wichtig!“
Das Komitee ist interdisziplinär besetzt mit Mitarbeitenden aus der Ärzteschaft, dem Pflegedienst, der Altenpflege, der Verwaltung, der Seelsorge, mit Brückenschwestern sowie Juristinnen und Juristen. Beratung und Reflexion stünden im Mittelpunkt dieser Arbeit, so Gohl weiter. Theologisch gesehen ginge es dabei auch um Angebote für die Deutung von Krankheit und Heilung, so Gohl. Er skizzierte drei Richtungen, in die christliche Antworten gehen könnten. Gohl betonte, diese Antworten seien weder zynisch noch billige Vertröstung, sondern seien „eng mit meiner Haltung als Christ und meinen Erfahrungen in der Seelsorge verbunden“
Erste Antwort: Es gibt keine Welt ohne Leid
Er erlebe in einer hochtechnisierten Welt zunehmend die Unfähigkeit, mit Leid umzugehen, vor allem, wenn es die Betroffenen mit der eigenen Machtlosigkeit konfrontiere.
“Wenn in einer technisierten und durch und durch rationalen Welt eigentlich jedes Leid eine Ursache haben muss, dann werden die Patienten zu Schuldigen ihrer eigenen Krankheit oder aber sie werden zu einer Zumutung für alle Gesunden. Ihr Leid darf nicht sein.“
Das Neue Testament sei reich an Leiderfahrungen und reiche bis in die Mitte des christlichen Glaubens. Als Beispiel nannte er das Kreuz, an dem der Mensch Jesus gelitten habe und gestorben sei.
Vor dem Hintergrund großer Leiderfahrungen sei auch das letzte Buch der Bibel zu lesen. Leid und Leiden gehöre zur Welt jenseits von Eden. “Erst die von Gott geschaffene zukünftige Welt wird davon frei sein. “
Als weiteres Beispiel trug Gohl einen Abschnitt aus dem letzten Kapitel aus der Johannes Offenbarung vor. Dort heißt es: „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.“
Zweite Antwort: Es gibt einen Unterschied zwischen Heilung und Heil
Bei Gesundheit gehe es laut Gohl nicht um das Heil. “Im Verständnis der Bibel ist Gesundheit eine Gabe, wie Glück, Erfolg, Freude und viele andere Gaben auch, sicher eine sehr wertvolle Gabe. Aber sie ist nicht das Entscheidende, eben nicht ‘Hauptsache gesund’”
In der Bibel gehe es, so Gohl, allein um die Frage des Glaubens an Gott: “Und das bedeutet, dass ich mir eingestehe, dass ich mir mein Heil nicht selber schaffe. Ich bin wer, weil Gott mich will; ich bin wer, denn er gedenkt meiner – so heißt es in Ps 8: Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst!“
Viele Menschen trügen an ihrer Erkrankung auch deshalb schwer, weil sie das Gefühl hätten, von den Gesunden ausgegrenzt zu werden. Ihre Bitterkeit, ihre Scham, ihr Kreisen um ihre Krankheit, würden oftmals als störend empfunden.
Hier gehe es nicht um eine Sondererkenntnis für die sog. Schwächeren unter uns, “sondern wir alle sind auf Gott angewiesen und aufeinander”. In der christlichen Gemeinde gelte trotz aller Unterschiede untereinander: “Keiner kann sagen: Ich werde schon allein fertig, ich brauche dich nicht. Krank oder gesund. Behindert oder nicht behindert, Kinder und Erwachsene, wir sind bedürftige Menschen, die einander nötig haben.”
Dritte Antwort: Auf den Grund der Hoffnung gelangen
Auf den Grund, also das Fundament der Hoffnung zu gelangen, sei laut Gohl ein wichtiger Punkt, um sich selbst und sein Leid verstehen zu lernen. Gründe der Hoffnung können die Familie sein oder die Natur, die Liebe zwischen Menschen oder die Musik.
Hoffnung als Grund sei die Basis, von der aus die Suche nach Sinn beginne. “Diese Hoffnung ist das Heile, Intakte, auf der ich zum Stehen komme, wenn alles sinnlos geworden ist. Die Kunst, diesen Grund der Hoffnung fühlbar, sichtbar werden zu lassen, gleicht einer Geburtshilfe. “
Neben dem Grund der Hoffnung sei laut Gohl die Gemeinschaft ein wichtiger Faktor der Hoffnung, denn: “Hoffnung kommt aus der Gemeinschaft. Wie groß die Gemeinschaft der Hoffenden ist, spüren wir im Krankenhaus an den vielen Besuchen. Menschen haben unterschiedliche Perspektiven auf den Grund der Hoffnung, tragen sich durch Phasen der eigenen Hoffnungslosigkeit hindurch. Zusammen sind sie eine Hoffnungsgemeinschaft.“