Von Gottes Barmherzigkeit zu leben, heißt barmherzig zu sein
Landesbischof July predigte Karfreitag über Gewalt und Hoffnung
Stuttgart. In seiner Karfreitagspredigt erinnerte Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July daran, dass „an Karfreitag das Gewicht der Welt“ hänge und dieser Tag deshalb vielen Menschen fremd bleibe oder sie gar störe. In der Stuttgarter Stiftskirche machte er außerdem deutlich: „Von der Barmherzigkeit Gottes leben – und das haben wir am Karfreitag besonders vor Augen – heißt barmherzig zu anderen sein." Hier finden Sie den Volltext der Predigt als PDF-Download.
„Die Gewalt, das Missachten der Menschen, das Zertreten der Menschenwürde von Frauen, Kindern und Männern, durchzieht wie eine bösartige Welle die Menschheitsgeschichte." Das Schuld- und Sündenverhängnis stehe „immer wieder schrecklich eindrücklich vor unseren Augen“. Doch Karfreitag durchbreche den „Kreislauf der Gewalt", sagte der Landesbischof in dem Karfreitags-Gottesdienst, der mit zwei aufeinander folgenden Terminen geplant worden war, damit mehr Gläubige unter strengen Hygiene-Auflagen teilnehmen konnten.
Der Predigttext war Jesaja 52, 13-15 und 53, 1-12. Diese Stelle werde von der Gemeinde Jesu als Deutungs- und Vorläufertext zu Passion und Leiden von Jesus Christus angesehen und verstanden, sagte July und zitierte: „Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen.“ (Jes. 53, 4) Es sei ein großes Wort, gerade in diesen Tagen. „Krankheit, Schmerz, Atemlosigkeit ist allzeit gegenwärtig. Was für ein Mensch. Was für ein Leiden. Wie viel Unrecht.“
„Wir wissen um die Erlösung"
Doch unter dem Leidenskreuz solle der Kreislauf der Gewalt durchbrochen werden, der Kreislauf aus Schuld und Verrat, Tod und Verderben. „Auch wenn wir wissen, dass diese Auseinandersetzung noch nicht beendet ist, wissen wir um die Erlösung, die sich schon gezeigt hat.“
Am Karfreitag hänge „das Gewicht der Welt“, macht der Landesbischof deutlich. Vielen Menschen bleibe dieser Tag fremd, manche störe er sogar. „Deshalb gibt es Jahr für Jahr die Forderungen, den gesetzlichen Schutz dieses Tages zu reduzieren und ihn eher ins Private und die persönliche Befindlichkeit zu schieben. Aber das Leiden in der Welt bleibt, das können und wollen wir nicht privatisieren.“ Ebenso wenig die Frage nach der Schuld von Menschen, die Frage nach der Gerechtigkeit und die Sehnsucht nach Versöhnung und Barmherzigkeit.
„Aufruf dazu, Versöhnung zu leben"
Gott rufe uns dazu auf, Versöhnung zu leben, so July. Den Blick für die Menschen nicht zu verlieren, die keine Chance auf eine Impfung oder medizinische Behandlung hätten. An die zu denken, die Opfer von Gewalt, Verfolgung, Vertreibung und Krieg seien: Menschen in den Flüchtlingslagern, in Myanmar, Belarus oder Hong Kong. Und an die Glaubensgeschwister in aller Welt, die um ihres Glaubens willen verfolgt werden. „Sein Erbarmen und seine Versöhnung ereignet sich. Neue Freiheit wird uns gegeben. Am Karfreitag 2021. Dank sei Gott.“
Landesbischof July gestaltete den Gottesdienst zusammen mit Stiftskirchenpfarrer Matthias Vosseler. Für die musikalische Umrahmung sorgten Stiftsorganistin Clara Hahn und das Ensemble der Stuttgarter Kantorei. Aus organisatorischen Gründen konnte nur beim zweiten Termin das Heilige Abendmahl gemäß der Corona-Vorschriften gefeiert werden.
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