8. Januar 1824: 200. Jahrestag der Gründung von Wilhelmsdorf

Das Rettungshaus in Wilhelmsdorf um 1900

Als die württembergische Landekirche Anfang des 19. Jahrhunderts eine neue Liturgie einführte, stieß sie bei württembergischen Pietisten auf heftigen Widerstand, die die neue Gottesdienstordnung als unchristlich ansahen. Unabhängig davon verließen viele Pietisten das Land in den Hungerjahren 1816/17 und wanderten in die USA oder in den Kaukasus aus. Dem Leonberger Bürgermeister Gottlieb Wilhelm Hoffmann gelang es, vom württembergischen König Wilhelm I. die Genehmigung zur Begründung einer unabhängigen religiösen Siedlung auf einem Rittergut in Korntal bei Stuttgart zu erwirken. Diese Brüdergemeinde hatte das Recht, ihre religiöse Verfassung außerhalb der Landeskirche selbst zu bestimmen, blieb aber weiterhin an württembergische Gesetze gebunden.

Der Bauplan der Neugründung Wilhelmsdorf.

Weitere Siedlungsgründungen lehnte Wilhelm I. ab, da er die Entstehung einer größeren nichtkirchlichen Religionsgemeinschaft fürchtete. Im katholisch geprägten Oberschwaben konnte gleichwohl 1824 Wilhelmsdorf als pietistische Siedlung gegründet werden, da der König die Entwässerung der sumpfigen Gegend wichtig war. Die neue Gründung hatte einen kreuzförmigen Grundriss – wegen dessen religiöser Schutzfunktion.  Die „Kolonie“ wurde als Tochtergemeinde von Korntal angelegt und nach dem württembergischen König Wilhelm I. benannt.

1823 hatte Wilhelm Hoffmann von Landesbaumeister Huber in Ludwigsburg unterschiedliche mögliche Bebauungspläne anfertigen lassen, die er dem König zur Auswahl vorlegte. Sobald die Entscheidung getroffen war, wurde bereits am 8. Januar 1824 mit den Bauarbeiten im Ried begonnen. Etwa 70 Arbeiter waren mit der Kultivierung des Geländes und dem Bau der ersten Häuser beschäftigt. Die Arbeit im sumpfigen Gelände gestaltete sich außerordentlich schwierig und die Arbeiter waren monatelang großen Strapazen und Gefahren ausgesetzt. Nach Jahren harter Arbeit und bitterer Armut, einer Folge der Unfruchtbarkeit des Bodens und der Gemeinwirtschaft, stand die Gemeinde vor dem Zusammenbruch. Eine Sammlung innerhalb der Hahn‘schen Gemeinschaft im Jahre 1846 konnte die Pleite jedoch abgewehrt.  Die Kollektivwirtschaft wurde zugunsten des Privatbesitzes abgeschafft. 1850 wurde Wilhelmsdorf selbstständig und erhielt sämtliche Rechte und Freiheiten einer bürgerlichen Gemeinde.

Das wirtschaftliche Rückgrat und den geistlichen Mittelpunkt bildeten folgende sozialen Einrichtungen:

  • 1830 Rettungsanstalt für Knaben
  • 1835 Rettungsanstalt für Mädchen
  • 1830 Taubstummenanstalt
  • 1835 Töchterinstitut
  • 1835 Knabeninstitut, das 1939 aufgelöst wurde

In der Nähe dieser Institute entstand 1905 eine Trinkerheilanstalt, das sogenannte „Ziegler-Stift Haslachmühle“. Unter den Leitern dieser Anstalten wurde besonders Johannes Ziegler durch seine Schriften bekannt. Er fungierte seit 1864 als Lehrer, später als Direktor der Taubstummenanstalt und des Krankeninstituts. Seit 1878 besetzte er das Amt des Gemeindevorstehers von Wilhelmsdorf. Im Jahre 1907 starb Johannes Ziegler. Sein Werk wurde vom 1916 gegründeten Verein der Ziegler‘schen Anstalten in Wilhelmsdorf fortgesetzt und besteht bis heute.

Bei der Kreisreform in der NS-Zeit wurde Wilhelmsdorf 1938 dem Landkreis Ravensburg zugeordnet.

Ab 1945 war Wilhelmsdorf Teil der Französischen Besatzungszone und kam somit zum neu gegründeten Land Württemberg-Hohenzollern, das 1952 im Land Baden-Württemberg aufging.

Dr. Jakob Eisler

Meldungen, die Sie interessieren könnten

Zum 500. Jahrestag der Schlacht bei Böblingen

Am 12. Mai 1525 verlor ein Bauern-Heer die entscheidende Schlacht bei Böblingen gegen den Schwäbischen Bund. Ihre Forderungen gegenüber dem Adel blieben unerreichbar. Luther dagegen setzte auf die Kooperation mit den Fürsten und erreichte so die Reformation der Kirche.

Weiterlesen

„Friedensprojekt Europa gelingt nur durch Überwindung des Nationalismus“

„Der 8. Mai 1945 erinnert uns daran, wie verhängnisvoll ein Nationalismus für Europa ist, der sich mit Rassismus und Imperialismus paart“. Das sagt Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl am 8. Mai in seinem Grußwort bei einem Gedenkkonzert in der Stuttgarter Stiftskirche aus Anlass des 80. Jahrestags des Endes des Zweiten Weltkriegs. Gohl betont, das…

Weiterlesen

LKAS_D-96_Nr-21_P-23669

Zum 50. Todestag von Richard Gölz

Am 3. Mai 1975 starb der württembergische Pfarrer und Kirchenmusiker Richard Gölz nach einem filmreifen Leben in den USA. Bekannt ist er vor allem als Herausgeber des „Chorgesangbuchs“ 1934. Sein Leben richtete er nach Gesang und Gottesdienst aus, ohne sich dabei um Konventionen zu kümmern.

Weiterlesen

Kilianskirche in Mundelsheim ist KiBa-Kirche des Monats

Die Kilianskirche in Mundelsheim besitzt einzigartige Wandmalereien. Nun muss der Fachwerkaufsatz des Turms saniert werden. Die Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler (Stiftung KiBa) würdigt St. Kilian als „Kirche des Monats Mai 2025“ und fördert die Turmrestaurierung mit 10.000 Euro.

Weiterlesen

80 Jahre Kriegsende: Kriegschroniken online zugänglich

Das Evangelische Archiv Baden und Württemberg (EABW) hat hunderte historische Kriegschroniken württembergischer Kirchengemeinden online zugänglich gemacht – einzigartige Zeitzeugnisse zur Kriegs- und Nachkriegszeit im deutschen Südwesten.

Weiterlesen

80 Jahre Kriegsende: Gedenken und Geläut

Am 8. Mai 2025 jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 80. Mal. Aus diesem Anlass wird um 12:00 Uhr an vielen Orten in der württembergischen Landeskirche zu einem (ökumenischen) Friedensgebet eingeladen. Dazu werden die Kirchenglocken geläutet. Landeskirche, EKD und Archiv stellen Materialien bereit.

Weiterlesen

Farbschwäche:

Benutzen Sie die Schieberegler oder die Checkboxen um Farbeinstellungen zu regulieren

Einstellungen für Farbschwäche

Schrift:

Hier können die Schriftgröße und der Zeilenabstand eingestellt werden

Einstellungen für Schrift

Schriftgröße
D
1
U

Zeilenabstand
Q
1
W

Tastenkombinationen:

Mit den aufgeführten Tastenkombinationen können Seitenbereiche direkt angesprungen werden. Verwenden Sie auch die Tabulator-Taste oder die Pfeiltasten um in der Seite zu navigieren.

Inhalt Tastenkombinationen

Hauptnavigation: M
Toolbar Menü: T
Inhalt: C
Footer: F
Barrierefreiheit: A
Hauptnavigation: M
Toolbar Menü: T
Inhalt: C
Footer: F
Schriftgröße +: U
Schriftgröße -: D
Zeilenabstand +: W
Zeilenabstand -: Q
Nachtmodus : Alt () + J
Ohne Bilder: Alt () + K
Fokus: Alt () + G
Tasten­kombinationen: Alt () + O
Tastensteuerung aktivieren: Alt () + V
Alles zurücksetzen: Alt () + Y