30.11.2024

Diskussion über den aktuellen Gesetzentwurf zu § 218

Herbsttagung der Württembergischen evangelischen Landessynode im Hospitalhof.
Herbsttagung 2024 der Landessynode

Zu welchen Aspekten muss die Kirche ihre Stimme in der aktuellen Debatte zu § 218 erheben? Darüber diskutierten die Synodalen auf ihrer Herbsttagung im Stuttgarter Hospitalhof.

In der nächsten Woche soll im Bundestag der „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs“ eingebracht und vor Ende der Legislaturperiode beschlossen werden. Ziel des Antrags ist es, dass Abbrüche in der Frühphase einer Schwangerschaft straffrei bleiben. Dazu heißt es in der Ankündigung des Themas der sogenannten Aktuellen Stunde der Landessynode: "Die Pflicht zur Beratung bleibt bestehen. Bedauerlich ist, dass dieses sensible Thema nun in aller Eile und im Horizont eines Wahlkampfes eingebracht und abgestimmt werden soll. Für welche Aspekte müsste die Kirche ihre Stimme erheben?"

Amrei Steinforth (Hechingen) machte darauf aufmerksam, in welchem gesellschaftlichen Zusammenhang die Diskussion geschieht, auch unter dem Eindruck eines Autokraten, der selbst übergriffig geworden war gegenüber Frauen und gleichzeitig erfolgreich einen Wahlkampf betrieben habe, der auf die Abtreibungsfrage setzte. Es gehe auch darum, dass sich die Situation von Frauen gerade wieder vielerorts verändere. Sie wolle den Schutz des ungeborenen Lebens nicht trennen von der Frage, dass Frauen Gewalt erleben und der Tonfall sich ändere. 

Steffen Kern (Walddorfhäslach) sagte, ihm sei bewusst, als Mann habe er eine defizitäre Perspektive. Aus evangelischer Sicht müsse eine Balance gefunden werden zwischen dem Recht des Ungeborenen und dem der Frau. Eine sensible Balance sei durch den geltenden § 218 gegeben, wenn auch nicht rundum ideal. Leben mit potenzieller Behinderung werde durch den neuen Vorschlag weniger geschützt. Eine Entscheidung über so sensible ethische Fragen brauche Zeit. Das aktuell geplante Gesetzgebungsverfahren sei unwürdig und passe nicht zur Kultur in unserem Lande. 

Martina Klärle (Weikersheim) erinnerte sich an den bekannten Artikel einst im Stern und unter welchen Bedingungen Frauen damals nach Unterstützung und Rückhalt gesucht hatten. Mit ihrem Gesicht hätten die Frauen für Verständnis geworben.

Christiane Mörk (Brackenheim) berichtete von einem Treffen mit der Fachstelle für Pränataldiagnostik und Reproduktionsmedizin (PUA). Hinter einem Schwangerschaftskonflikt würden sehr unterschiedliche Gründe stehen. Das brauche Raum und Zeit zum Gespräch. Daher müssen auch die Beratungsstellen frei in der Beratung sein. Mörk findet den Gesetzentwurf, der die Pflicht zur Beratung enthält, akzeptabel. 

Angelika Klingel (Heimsheim) sagte, dass nur Frauen sich dazu äußern sollten, dass die Frage aus dem Strafgesetz herausmüsste und dass in Zeiten von Autokraten und Rechtspopulisten diese Frage missbraucht würde. Ihre restliche Redezeit verbrachte sie mit bewusstem Schweigen, dem sich die Synodalen anschlossen.

Maike Sachs (St. Johann-Gächingen) sagte, dass sich ein Motiv durchtrage: Bei ungewollten Schwangerschaften trage allein die Frau die Last. Nach wie vor würden Frauen in schwere existentielle und psychische Konfliktlagen gebracht. In der öffentlichen Debatte ginge aber unter, dass der kleine Mensch da sei. Es gehe um Leben gegen Leben. Die Unterstützung für Frauen müsse unbedingt erhalten und gestärkt werden. Sie wünsche sich eine Gesellschaft, die wieder kinderfreundlicher sei, viele Formen der Unterstützung und vielleicht auch andere Formen der Patenschaft ermögliche. “Lassen Sie uns die Stimme erheben, für das Leben der Frauen und das Leben der Ungeborenen.”

Ute Mayer (Renningen) vermerkte, dass die Art und Weise, wie der Entwurf noch durchs Parlament gepeitscht werden soll, von wenig Gespür zeuge. Ein Schwangerschaftsabbruch betreffe oft mehrere Personen, manchmal sogar eine ganze Familie. Es brauche Menschen, die an der Seite der betroffenen Frau blieben, egal, wie sie sich entscheidet. 

Anja Faißt (Ludwigsburg) erzählte von einer schwangeren Freundin, die mit vielen Unsicherheiten belastet anrief. Für sie stand der Schwangerschaftsabbruch im Raum. Auch in einem zweiten geschilderten Fall war der Druck auf die Frau sehr groß. Die Frage nach einem Abbruch sei völlig verständlich und nicht verwerflich. In einem der beiden Fälle aus ihrem Umfeld habe sich die Frau für einen Abbruch entschieden, die andere habe das Kind behalten. Aber sie stelle die Frage, wie man den Rahmen dafür verbessern könne, dass eine Frau das Kind behalten wolle. 

Annette Sawade (Schwäbisch Hall) sagte, sie verstehe die Eilbedürftigkeit der Entscheidung aufgrund der politischen Situation. Keine Frau würde sich die Entscheidung leicht machen. Eine ausreichend finanzierte Beratung müsse gewährleistet werden. Sie empfehle, sich genauer mit diesem Entwurf zu befassen, ebenso mit der Stellungnahme des paritätischen Wohlfahrtsverbandes. 

Dr. Antje Fetzer-Kapolnek (Weinstadt-Beutelsbach) wies darauf hin, dass die Veränderung des jetzt vorliegenden Gesetzesentwurfs nicht weit von der jetzt geltenden Regelung sei. Die vorausgehenden Entwürfe hätte sie auch nicht befürworten können. Sie sehe nur Veränderungen zum Besseren, da nicht mehr kriminalisiert würde. 

Dr. Gabriele Schöll (Aalen) betonte die Wichtigkeit, die Stimme zum Schutze der Kinder und der Frauen zu erheben. Sie zitierte Thomas Rachel von der EKD, dass eine Aufhebung der bisherigen Ordnung nicht ratsam sei. Sie erkenne in der Debatte Parallelen zur Debatte um assistierten Suizid. Deshalb möchte sie unterstreichen, Gott sei ein Freund des Lebens. 

Christoph Hillebrand (Dettingen am Albuch) meinte, junge Paare seien im Zeitalter von Facebook und YouTube völlig verunsichert, was die Schwangerschaft betreffe. Er fragte, ob wir vermitteln können, dass Schwangerschaft und Geburt nicht nur schwierig, sondern auch etwas Schönes und Natürliches seien. 

Prof. Dr. Thomas Hörnig (Ludwigsburg) fand es nicht schlecht, dass das Schwangerschaftsthema aus dem Strafgesetzbuch genommen werden soll. Aber es gebe auch das Screening des Kindes während der Schwangerschaft, das andere Probleme aufwerfe. Die Erwartungen an Kinder seien schwierig und werfen Fragen auf, was denn gesund sei? Beispielsweise sei Trisomie 21 keine Behinderung. Es stehe damit zur Debatte, wann Kinder wunderbar seien und wann nicht? Wenn Inklusion gewollt sei, müssten diese Fragen auch “eingefangen” werden. 

Beate Simpfendörfer (Eislingen) verbat die Unterstellung, dass dieser Gesetzentwurf in einer Nacht- und Nebel-Aktion geschehen sei. Die Aufgabe der Kirche sei, Entscheidungen zu unterstützen und dazu auch Stellung zu nehmen. Beratung in den Beratungsstellen müsse qualifiziert geschehen und gesetzliche Entscheidungen müssten akzeptiert werden. 

Matthias Hanßmann (Horb a.N.) berichtete aus dem Stuttgarter Hoffnungshaus und von einer Prostituierten, die dort immer wieder Hilfe suchte. Bei ihr war im Leben viel zerbrochen und sie musste ihre Kinder abgeben. Sie wünschte sich, dass sie irgendwann ihre Kinder zurückerhalte. Er plädierte für das nordische Modell und betonte: Wir Männer sind das Problem. Mit Blick auf die Neufassung des § 218 fragte er, weshalb in diesem Entwurf zum Schwangerschaftsabbruch die Männer nicht vorkämen. 

Oberkirchenrätin Prof. Dr. Annette Noller, Vorstandvorsitzende des Diakonischen Werks Württemberg, berichtete, dass das Kammernetzwerk der EKD ein Papier zu § 218 erarbeitet habe, das in der nächsten Woche in den Rat der EKD eingebracht werden soll. Sie wies darauf hin, dass der Vorwurf, Frauen würden durch den § 218 kriminalisiert, die Rechtslage des § 218 nicht hergebe. Schwangere seien auch nach der Logik des § 218 zu keinem Zeitpunkt im Raum der Strafbarkeit. Ab dem Moment, in dem eine Frau sich beraten lasse, bleibe sie weiterhin außerhalb der Strafbarkeit. Umgekehrt dränge der § 218 allerdings dazu, die Bedeutung des Abbruchs im Blick auf das werdende Leben zu bedenken. Sie brachte das Anliegen ein, dass eine Beratung vor einem Abbruch auch dann verpflichtend sein sollte, wenn eine Behinderung oder Erkrankung des Fötus festgestellt wurde. 

Gunther Seibold (Filderstadt) erinnerte an die Verantwortung der Männer. Verhütung dürfe nicht allein den Frauen angehängt werden. Er betonte: “Wir können Sexualität und wir können auch Enthaltsamkeit.” Enthaltsamkeit sei eine Tugend und auch ein Muss, insbesondere wenn man nicht bereit sei, neues Leben anzunehmen. 

Götz Kanzleiter (Ostelsheim) dankte all den Beraterinnen, die für Kirche und Diakonie unterwegs seien, die nicht nur Schwangere beraten, sondern häufig ganze Familien begleiteten. Sie sollten durch die Kirche stark unterstützt werden. 

Annette Rösch (Wannweil) warb für die Frauen in unserem Land und dankte für deren Engagement in der Beratung, in der Politik und im Arztberuf. Jetzt gelte es auch, Lust darauf zu machen, Kinder zu bekommen. Es müsse auch gelingen, dass die Frauen, die in dieser Entscheidung stehen, erfahren, dass sie ein warmes Herz finden.

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