„Wir dürfen und müssen unterschiedliche Positionen haben“
Neujahrsbotschaft von Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl
Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl wirbt in seiner Neujahrsbotschaft mit Bezug auf die Jahreslosung 2024 (Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe. 1. Korintherbrief 16,14) für mehr Respekt vor Andersdenkenden in den gesellschaftlichen Debatten. Ohne Respekt vor dem anderen könne es ein Miteinander nicht geben kann: „Dieser gilt auch meinem Gegenüber, wenn er eine völlig andere Meinung vertritt.“ Dabei gehe es „nicht um Sympathie und auch nicht um Gleichgesinntheit. Umgekehrt: Es ist eine bewusste Entscheidung, andere Werte und Lebensgestaltungen stehen zu lassen und den Menschen, der sie vertritt, zu respektieren.“
Weiter schreibt Gohl: „Eine demokratische Gesellschaft zeichnet aus, dass unterschiedlichste Meinungen und Ansichten Platz haben und auch öffentlich geäußert werden. Umso wichtiger ist es, dass es Formen des Austausches und der Verständigung gibt, die nicht davon leben, den Andersdenkenden abzuwerten und zu diskreditieren.“ Gohl schreibt, er wünsche sich „mehr Plattformen, auf denen ein respektvoller Austausch geschieht. Ich wünsche mir mehr Medien, die nicht nur auf Überzeichnung und Skandalisierung setzen, sondern zur ausgewogenen Meinungsbildung beitragen.“
Christinnen und Christen könnten dabei „in positiver Weise stilbildend sein“, so Gohl. Denn „auch unter uns gibt es zu vielen Themen unterschiedliche Meinungen. Die Vielgestaltigkeit in der Gesellschaft bildet sich auch in unserer Volkskirche ab – Gott sei Dank! Wir dürfen und müssen unterschiedliche Positionen haben, um tragfähige Lösungen zu finden. Entscheidend ist, dass wir solche Debatten respektvoll führen.“
Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohls Neujahrsbotschaft 2024 im Volltext
Neujahrsbotschaft 2024
Eine neue Haltung braucht das Land.
Was wünschen Sie sich fürs neue Jahr 2024? Was haben Sie sich vorgenommen?
Ich bin kein großer Freund von Neujahrsgrundsätzen. Manchmal nehme ich mir zu viel vor und scheitere dann schnell an den zu hohen Zielen. Oft sind aber auch plötzlich ganz andere Dinge dran. Ganz schnell muss ich mich auf andere Themen einstellen, die ich zu Jahresbeginn noch gar nicht im Blick hatte.
Trotzdem ist es hilfreich, immer wieder die eigene Einstellung und Haltung zu den anstehenden Fragen und Aufgaben, auch zu unserem Miteinander zu überprüfen und neu auszurichten. So verstehe ich auch die Jahreslosung aus dem 1. Korintherbrief (16,14). Da heißt es: Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.
Ich habe Korinth vor Augen. Diese große Stadt an der schmalen Verbindung des Peloponnes mit dem griechischen Festland. Schon vor 2000 Jahren hatte sie eine lange Geschichte und große Bedeutung. Zur Zeit des römischen Weltreichs nahm diese noch zu. Im Hafen, aber auch über die Landverbindung herrschte ein reges Treiben, Reisen und Handeln. Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern und Kulturen des Römischen Reiches trafen dort aufeinander. Das galt auch für die erste christliche Gemeinde in Korinth. Unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf Bräuche und Gewohnheiten treffen aufeinander. Unterschiedliche Frömmigkeitsstile und Wertvorstellungen. Von den großen sozialen Unterschieden nicht zu reden. Und das in einer Stadtgesellschaft, die Unterschiede als Trennlinien ansah. Zwischen einem Sklaven und einem freien Bürger liegen Welten.
In keiner anderen Stadt mussten auch die Christen ständig um das Verbindende, um die Einheit in der Vielfalt ringen. Denn in Christus verlieren diese Unterschiede ihren trennenden Charakter. Christi Liebe gilt allen gleich. Deshalb erinnert Paulus, der Gemeindegründer, die Schwestern und Brüder in Korinth an das unsichtbare Band, das in einem Glaubensleben unentbehrlich ist, die Liebe. Die Gottesbeziehung, so schreibt Paulus wenig zuvor, setzt sich aus drei Elementen zusammen: Aus Glaube, aus Hoffnung, aus Liebe. Doch die Liebe ist das Wichtigste. Sie bleibt auch über unsere Welt hinaus.
Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.
Was aber meint Paulus mit der Liebe? Im Griechischen gibt es unterschiedliche Begriffe für Liebe. Paulus spricht hier von der Agape. Diese Liebe kreist nicht selbstverliebt um sich und die eigenen Bedürfnisse. Diese Liebe hat das Wohl des anderen im Blick. So wie Gottes Liebe allen Menschen gilt. Diese Liebe lässt sich bewusst von der Wertschätzung für das Gegenüber leiten. Denn mein Gegenüber ist Gottes Ebenbild – wie ich auch. Hier hat die Menschenwürde ihren Grund. Das Wissen um diese Würde zeigt sich dann konkret darin, wie ich mit meinem Gegenüber umgehe.
Ich schlucke etwas, wenn ich nun die Jahreslosung nochmals höre: Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe. Wie gehe ich das an? Kann ich das überhaupt?
Gleichzeitig wird mir bewusst, dass es ohne diesen Respekt vor dem anderen ein Miteinander nicht geben kann. Dieser gilt auch meinem Gegenüber, wenn er eine völlig andere Meinung vertritt. Nur wer die Würde seines Gegenübers ernst nimmt, sich bewusst entscheidet, den anderen anzunehmen, so wie er ist, kann ein gelingendes Miteinander ermöglichen.
Wie viel wäre gewonnen, wenn wir uns in unseren Debatten von dieser Haltung leiten ließen? Hier könnten wir als Christinnen und Christen in positiver Weise stilbildend sein. Denn auch unter uns gibt es zu vielen Themen unterschiedliche Meinungen. Die Vielgestaltigkeit in der Gesellschaft bildet sich auch in unserer Volkskirche ab – Gott sei Dank! Wir dürfen und müssen unterschiedliche Positionen haben, um tragfähige Lösungen zu finden. Entscheidend ist, dass wir solche Debatten respektvoll führen. Dass wir uns immer wieder darauf besinnen, dass in Christus Unterschiede nicht mehr trennend sind. Die Jahreslosung hilft mir dazu.
Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.
Es geht in erster Linie nicht um Sympathie und auch nicht um Gleichgesinntheit. Umgekehrt: Es ist eine bewusste Entscheidung, andere Werte und Lebensgestaltungen stehen zu lassen und den Menschen, der sie vertritt, zu respektieren.
Um diese Haltung hat die Kirche von Anfang an gerungen. Es ist ihr mal besser und mal schlechter gelungen. Ich meine, es ist eine Haltung, die auch unserer Gesellschaft guttut:
Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.
Eine demokratische Gesellschaft zeichnet aus, dass unterschiedlichste Meinungen und Ansichten Platz haben und auch öffentlich geäußert werden. Umso wichtiger ist es, dass es Formen des Austausches und der Verständigung gibt, die nicht davon leben, den Andersdenkenden abzuwerten und zu diskreditieren. Wut und Spaltung sind die Folge. Ich wünsche mir mehr Plattformen, auf denen ein respektvoller Austausch geschieht. Ich wünsche mir mehr Medien, die nicht nur auf Überzeichnung und Skandalisierung setzen, sondern zur ausgewogenen Meinungsbildung beitragen.
Ich glaube aber auch, dass unsere Jahreslosung bis in den Alltag hinein, im täglichen Miteinander in den Familien, in der Schule, am Arbeitsplatz zu einem besseren Klima beitragen kann.
Gerade da erfahren wird doch: Wer ständig andere verurteilt und abwertet, sie womöglich auch beschimpft oder in ein schlechtes Licht rückt, setzt über kurz oder lange nicht nur das Miteinander, sondern das Zusammenleben und auch die Meinungsfreiheit in Frage. Wenn eine Seite verstummt, ist das äußerst selten ein Gewinn. Nicht umsonst unterscheiden wir zwischen vernichtender und konstruktiver Kritik und legen Wert auf teilweise auch aufwändige Meinungsbildungsprozesse. Lebensbejahende Freiräume fördern das Miteinander.
Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.
Der bekannte Kirchenvater Augustin, der nicht nur Martin Luther, sondern auch unsere abendländische Kultur und Werte wesentlich prägte, legte die Jahreslosung durch eine andere Akzentuierung aus. Er sagte: Liebe, und [dann] tue, was du willst. Vielleicht können wir gerade damit ins neue Jahr starten?
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