| Landeskirche

„Christen werden in vielen Ländern verfolgt“

Zum Gebetstag für bedrängte und verfolgte Christen am 26. Dezember, dem Stephanustag

Christinnen und Christen erleben aktuell in vielen Ländern Verfolgung – Kirchenrätin Dr. Christine Keim berichtet im Interview unter anderem von der Situation in Indien. Seit 2007 gibt es in der Landeskirche am 26. Dezember, dem Stephanustag, und am Sonntag Reminiszere einen Gebetstag für bedrängte und verfolgte Christen. Schwerpunktland 2023 ist Äthiopien.

Kirchenrätin Dr. Christine KeimBild: Gottfried Stoppel

Christenverfolgung – das Wort klingt für manche nach einer längst vergangenen Zeit, ist aber hochaktuell. Können Sie kurz erläutern, warum?

Dr. Christine Keim: In vielen Ländern sind Christen Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt. Das ist ein Teil des Phänomens, das überall auf der Welt erlebt wird: Religiöse Minderheiten werden aus politischen, wirtschaftlichen und religiösen Gründen verfolgt. Dies kann unterschiedliche Formen annehmen: Es kann sein, dass Christen bei der Arbeitssuche diskriminiert werden. Eine andere Form ist, dass kirchliche Versammlungsorte zerstört werden – bis hin zu Verfolgung und Tötung bestimmter Minderheiten. Wenn Christen verfolgt werden, werden oft auch andere Minderheiten verfolgt. Deshalb schließt die Sorge um Christenverfolgung auch die Sorge um andere verfolgte Minderheiten mit ein. Denn Religionsfreiheit ist ein Menschenrecht.

Wie genau sieht die Verfolgung von Christinnen und Christen z.B. aus?

Dr. Christine Keim:  Ein Land, in dem sich die Situation in den letzten Jahren verschärft hat, ist Indien. War früher Indien ein Beispiel gelungenen Zusammenlebens verschiedener Religionen, so hat sich die Lage unter dem jetzigen Premierminister Modi verschlechtert. Aufgrund der nationalistischen Einstellung werden Hindus bevorzugt. Minderheiten wie Christen, aber auch Muslime haben es schwer. Zum Teil kommt es zu Zerstörung von Eigentum und zu Unterstellungen und Diskriminierung, bis hin zur Inhaftierung.

Warum ist der 26.12. zum Gebetstag für bedrängte und verfolgte Christinnen und Christen erklärt worden?

Dr. Christine Keim: Der 2. Weihnachtsfeiertag wird auch als Gedenktag für die Märtyrer begangen – in Erinnerung an den ersten Märtyrer in der Kirchengeschichte, den Apostel Stephanus. Er war einer der sieben Diakone, die von den Aposteln der Urgemeinde nach Jesu Tod ernannt wurden, und tat sich durch besondere Weisheit und Überzeugungskraft hervor. Durch Wunderheilungen war sein Ansehen bei der Bevölkerung sehr hoch. Eine falsche Anklage brachte ihn vor Gericht und er wurde gesteinigt. In der Bibel wird berichtet, dass Paulus (damals noch Saulus) bei der Steinigung anwesend war (Apg 7,58ff).

Im Tigray-Konflikt leistete der LWB mit Wasser und Hilfsgütern Hilfe für Hunderttausende Menschen. Das Bild zeigt Frauen, die am Hilfsprogramm teilnahmen.Bild: Albin Hillert / LWF

In diesem Jahr ist Äthiopien das Schwerpunktland des Gebetstages. Können Sie kurz die Situation für Christinnen und Christen dort erläutern?

Dr. Christine Keim: In Äthiopien gehören zwei Drittel der Menschen dem Christentum an. Ein Drittel zählt sich zum Islam. Innerhalb Äthiopiens von Christenverfolgung zu sprechen, hat hauptsächlich ethnische Gründe: In den letzten zwei Jahren hat die Regierung Äthiopiens einen grausamen Krieg in der Region Tigray geführt. Die Regierungsarmee versuchte gezielt, die Identität der Tigrayerinnen und Tigrayer zu zerstören, die sich stolz auf ihr uraltes christliches Erbe beziehen. Dabei ging es auch um die bewusste Zerstörung von Kirchen, Klöstern und kirchlichen Gemeinschaften. Seit November 2020 sind dort mehr als 600.000 Menschen umgekommen, die Zivilbevölkerung musste Unvorstellbares erleiden. Äthiopien ist ein Beispiel dafür, dass leider auch Christen Christen verfolgen. Dies geschieht, um Regionalstaaten wie Tigray oder Oromia zu entmachten, indem die religiösen wie auch ethnischen Identitäten der Menschen gezielt zerstört werden.

Dr. Christine Keim bei der Vollversammlung des LWB 2023 mit Delegierten aus Äthiopien und Eritrea (v.r.n.l.: Delegierte aus Eritrea; Pfarrer Dr. Bruk Ayele, Leiter des theol. Seminars in Addis Abeba, Äthiopien; Pfarrer Yosief Fanuel Gebreyesus, Präsident der evangelisch-lutherischen Kirche in Eritrea; Kirchenrätin Dr. Christine Keim)Bild: privat

Was können wir, was kann die Kirche in Deutschland für Menschen tun, die religiöse Verfolgung erleben?

Dr. Christine Keim: Es ist vor allen Dingen wichtig, auf die Situation verfolgter Menschen aufmerksam zu machen. Dazu bietet der Stephanustag eine gute Möglichkeit. Es ist für die betroffenen Menschen sehr wichtig zu wissen, dass sie nicht vergessen sind. Das Gebet ist ein Zeichen einer solchen Verbundenheit. Zudem gibt es auch immer wieder gezielte ökumenische Aktionen der Kirchen, die sich auch politisch bei Regierungen dafür einsetzen, dass die Religionsfreiheit – und damit ein Menschenrecht – wahrgenommen und geschützt wird.


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