Hilfe ist Aufgabe der Kirchen, der Wohlfahrtsverbände und der gesamten Gesellschaft
Für Menschen mit Demenz und deren Angehörige haben sich Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July und Bischof Dr. Gebhard Fürst zum Auftakt der bundesweiten Woche für das Leben stark gemacht. Für die Kirchen und deren Wohlfahrtsverbände sei es von zentraler Bedeutung, Menschen mit Demenz nicht unter der Perspektive des Defizitären zu betrachten, sagte Landesbischof July. „Wir müssen darauf sehen, was ihnen alles noch möglich ist, und wir müssen verstehen, dass Angehörige noch immer denselben geliebten Menschen mit je eigenen Bedürfnissen vor sich haben.“ Jeder Mensch sei wertvoll und jeder Mensch habe seinen Wert – völlig unabhängig von seiner Gesundheit, teilte Bischof Fürst mit. Die Würde könne man nicht verlieren und darüber könne auch nicht verhandelt werden. „Deshalb treten wir als Kirchen dafür ein, dass Menschen mit Demenz ihren Platz in unserer Mitte haben – in der Mitte der Kirche und in der Mitte der Gesellschaft.“
Der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. zufolge leben rund 1,6 Millionen Menschen mit Demenz in Deutschland. Allein in Stuttgart leben derzeit etwa 7.000 Demenzkranke – rund zwei Drittel davon zu Hause. „Die Zahlen zeigen: Demenz ist mitten unter uns“, so Bischof Fürst. „Umso wichtiger ist es, dass die Woche für das Leben vom 30. April bis 7. Mai bundesweit ein Schlaglicht auf das Leben mit Demenz wirft.“
Besuch beim Netzwerk „Gemeinsam für ein demenzfreundliches Bad Cannstatt“
Gemeinsam mit Landesbischof July besuchte er deshalb das Gemeindepsychiatrische Zentrum in Stuttgart Bad Cannstatt, um sich die Arbeit des Netzwerks „Gemeinsam für ein demenzfreundliches Bad Cannstatt“ vorstellen zu lassen. In diesem beispielhaften Projekt arbeiten beide Kirchen, soziale Träger, Einrichtungen und Dienste im Stadtteil, das Bezirksamt sowie die Polizei und künftig auch Migrantenverbände zusammen. „Unser gesamtes Netzwerk ist deutlich mehr als die Summe der Einzelnen. Wir sehen es als Besonderheit an, dass wir über so viele Jahre hinweg so gut zusammenarbeiten. Die Mitwirkenden bringen sich mit ihren Ideen, zeitlichen Ressourcen und finanziellen Möglichkeiten ein. Keiner von uns könnte all das stemmen, ohne die anderen", erläuterte Bettina Oehl, bei der Caritas Stuttgart verantwortlich für die Gesamtkoordination des Netzwerks.
Schulungen für die Polizei
Der Leitende Polizeidirektor Carsten Höfler vom Polizeipräsidium Stuttgart berichtete von den speziellen Schulungen zum Thema Demenz, welche als Teil der Netzwerkarbeit für die Beamten angeboten werden. „Kognitive Einschränkungen sollten wir erkennen, um mit an Demenz erkrankten Menschen angemessen umgehen zu können. Mit 462 Einsätzen jährlich sprechen wir über keine Ausnahmen, sondern über wiederkehrende Einsatzlagen“, unterstrich er deren Bedeutung.
Nationale Demenzstrategie
Landesbischof July verwies auf die Nationale Demenzstrategie, die die Bundesregierung zusammen mit Kirchen und Verbänden beschlossen habe. „Ziel ist es, vor Ort Strukturen zu schaffen, in denen zum Beispiel ehrenamtliche Initiativen, Wohlfahrtsverbände, Ärztinnen und Ärzte und Seniorenheime ein enges Netz der Solidarität für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen knüpfen“, so der Bischof. Er freue sich darauf, dass durch die Umsetzung einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen das Leben von Betroffenen spürbar verbessert werde. Schließlich habe gerade die Corona-Pandemie gezeigt, dass ältere Menschen mehr Unterstützung bräuchten.
„Demenzsensible Gemeinden“
Und July sagte weiter: „In der evangelischen Kirche machen sich immer mehr Gemeinden auf den Weg, bewusst als demenzsensible Gemeinde eine Gemeinschaft für Menschen mit und ohne Demenz zu sein und Teilhabe zu ermöglichen. Denn Menschen mit Demenz bleiben wichtige Mitglieder der kirchlichen Gemeinschaft. Wir sagen: Es ist normal, verschieden zu sein und es steht uns nicht zu, Menschen einzuteilen in Helfer und Hilflose, Kranke und Gesunde, Starke und Schwache. Wir wollen deshalb Ehren- und Hauptamtliche verstärkt schulen und ein erkennbares Netzwerk auch mit fachlichen Anlaufstellen schaffen.“
Demenzerkrankte und deren Angehörige dürften nicht das Gefühl haben, von der Gesellschaft im Stich gelassen zu werden, forderte auch Bischof Fürst. Gemeinsam mit seinem Amtskollegen verwies er auf die Präsenz von Demenzerkrankten in den Kirchengemeinden und auf spezielle seelsorgerliche Angebote.
Hintergrund:
Die Woche für das Leben ist seit mehr als 25 Jahren eine ökumenische Initiative der evangelischen und katholischen Kirche für den Schutz und die Würde des Menschen vom Lebensanfang bis zum Lebensende. In diesem Jahr findet die Woche für das Leben vom 30. April bis zum 7. Mai 2022 statt. Sie wird am Samstag, 30. April, um 18 Uhr mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Ludwigsburger Friedenskirche in Württemberg durch Landesbischof Dr. h.c. Frank Otfried July und Bischof Dr. Gebhard Fürst eröffnet.
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