| Landeskirche

„Wichtig, dass es die evangelische Kirche gibt“

Pilotstudie in Württemberg und Westfalen zu Austrittsgründen

Innere Distanz zum christlichen Glauben und die Kirchensteuer sind häufig genannte Motive für einen Austritt aus der evangelischen Kirche, so das Ergebnis einer Pilotstudie. Die württembergische und die westfälische Landeskirche wollten wissen, was hinter den Zahlen zur Mitgliederstatistik steckt, die unter anderem die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) veröffentlicht. Deshalb haben die beiden Landeskirchen seit Oktober 2020 insgesamt 464 Telefoninterviews mit Personen geführt, die im Vormonat ausgetreten waren. Beim Thema Kirchensteuer setzt die württembergische Landeskirche auf Aufklärung: Eine neue Broschüre und weiteres Info-Material sollen hier noch mehr Transparenz schaffen.

Warum verlassen Menschen die Kirche und treten aus? Eine Studie der württembergischen Landeskirche zeigt die Gründe auf.Pixabay / Matthias Böckel

Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July nannte als eine Erkenntnis aus der Pandemiezeit, dass Menschen Erwartungen an Kirche hätten - besonders dort, wo sie unvertretbar und unersetzbar sei, etwa „bei der Seelsorge, beim Kümmern um Einsame, in der Gemeinschaft im Gottesdienst, in der Diakonie, die handelt und tröstet“. Gleichzeitig habe sich auch gezeigt, dass Menschen der Kirche den Rücken kehrten, ihre Relevanz für das eigene Leben in Frage stellten, so der Landesbischof. „Wir wollen eine nachgehende und eine fragende Kirche sein, deshalb wollten wir wissen, was Menschen zu der Entscheidung bringt, unsere Landeskirche zu verlassen – und uns damit auseinandersetzen.“

Dafür haben die evangelischen Landeskirchen in Württemberg und Westfalen seit vergangenem Oktober telefonisch im Vormonat Ausgetretene befragt. 61 Prozent der Angerufenen waren zu einem Gespräch bereit, das in Württemberg Pfarrerinnen und Pfarrer geführt haben. Die wissenschaftliche Begleitung der repräsentativen Untersuchung liegt beim Siegener Professor für Praktische Theologie, Dr. Ulrich Riegel.

Drei verschiedene Gruppen von Austrittsgründen

Bei den in der Befragung genannten Austrittsmotiven ließen sich nach einer ersten Auswertung drei Komplexe unterscheiden, erläuterte Dr. Fabian Peters, in der Landeskirche zuständig für Statistik und Co-Autor der sogenannten „Freiburger Studie“. Dies seien erstens Motive, die sich auf das Handeln der Kirche bezögen, zweitens Motive, die Glaubensverlust oder Indifferenz der Kirche gegenüber ausdrückten, sowie drittens Motive, denen eine individuelle Nutzen-Abwägung zugrunde liege. Das Handeln der Kirche spiele fast ausschließlich für Menschen ab 40 Jahren eine Rolle, wenn sie überlegten, aus der Kirche auszutreten. Für die Befragten unter 40 Jahren seien es vor allem der Glaubensverlust und die Nutzen-Abwägung, die den Kirchenaustritt bewirkten.

Die meisten Befragten würden keinen konkreten Anlass für ihren Austritt nennen, so Peters. „Vielmehr erscheint er als Ergebnis eines längeren Prozesses beziehungsweis als Konsequenz aus grundsätzlichen Motiven. Wenn die Befragten von einem konkreten Anlass berichten, handelt es sich meistens um ein aktuelles Thema, zum Beispiel Missbrauch oder das Flüchtlingsschiff, oder um ein persönliches Erlebnis, etwa Ärger mit kirchlichen Mitarbeitenden.“ Dazu gehöre auch, dass die Kirchenmitgliedschaft in der Vergangenheit nicht aktiv wahrgenommen wurde. „Für mich ist es mit der Kirche wie mit einem Fitness-Studio, für das ich Beitrag zahle, aber nie hingehe“, so einer der Befragten.

Überraschend für Peters: Auch Menschen, die aus der Kirche ausgetreten sind, fänden es mehrheitlich wichtig, dass es die evangelische Kirche gibt. Das gelte sowohl für jüngere als auch für ältere Menschen. Am skeptischsten seien in dieser Hinsicht die männlichen Ausgetretenen unter 40 Jahren. Am positivsten werde die evangelische Kirche von den männlichen Ausgetretenen über 40 Jahren betrachtet.

Die Befragung werde weiter fortgesetzt und durch Prof. Riegel wissenschaftlich ausgewertet. Anschließend würden die Daten interessierten Wissenschaftlern zur Verfügung gestellt. 

„Kirchensteuer wirkt“ - Informationen zur Verwendung der Kirchensteuer

Der Finanzdezernent der Landeskirche, Oberkirchenrat Dr. Martin Kastrup, setzt beim Thema Kirchensteuer auf Aufklärung: „Wir wollen mit unserer neuen Kirchensteuerbroschüre und weiterem Info-Material mehr Transparenz schaffen und insbesondere Menschen, die Kirchensteuer zahlen, zeigen, wozu es Kirchensteuer braucht und was sie mit ihrem Beitrag alles bewirken.“ Auch gelte es richtig zu stellen, dass die finanzielle Belastung durch die Kirchensteuer nicht etwa bei knapp zehn, sondern im Durchschnitt nur bei etwa einem Prozent liege. „Fast die Hälfte unserer Mitglieder zahlt sogar keine Kirchensteuer, da ihre Einkünfte unter der Besteuerungsgrenze liegen.“

Kastrup verwarf Gedankenspiele zu einer reduzierten Kirchensteuer oder gar deren Abschaffung: „Kirche wäre damit nicht mehr in der bekannten Form lebensfähig. Etwa 50 Prozent unserer Einnahmen kommen aus der Kirchensteuer, und die Mehrheit der darüber hinausgehenden Mittel lässt sich nur einwerben, weil die Kirchensteuer als Sockelfinanzierung zur Verfügung steht“, so der Finanzdezernent.

Mitgliederstatistik

Am 31.12.2020 hatte die Württembergische Landeskirche 1.914.425 Mitglieder. Das sind 42.436 weniger als am Stichtag im Vorjahr und entspricht einem Rückgang von 2,2 Prozent. Dieser Rückgang ergibt sich zum größten Teil aus der Zahl der Todesfälle, die auf 29.237 gestiegen sind (+4,3%), zum anderen aus der Zahl der Austritte (20.593), die gegenüber 2019 um 14 Prozent gesunken ist. Damals waren es 24.109.

Aufgrund der Corona-Pandemie haben 2020 deutlich weniger Taufen stattgefunden (9.029). Ebenso ging die Zahl der Aufnahmen auf 1.361 zurück. Die Zahl der Taufen ist besonders in den Monaten März bis Juni 2020 gesunken, also während des ersten „Lockdowns“. Diese Monate waren im Jahr 2019 die Monate mit den meisten Taufen.



Anlässe und Motive des Kirchenaustritts - erste Befunde
download

Info: 483 KB | PDF
14.07.2021

Anlässe und Motive des Kirchenaustritts - erste Befunde

Broschüre: Kirchensteuer wirkt
download

Info: 3 MB | PDF
13.07.2021

Broschüre: Kirchensteuer wirkt

Flyer: Kirchensteuer wirkt
download

Info: 2 MB | PDF
10.03.2023

Flyer: Kirchensteuer wirkt

Flyer: 10 gute Gründe warum ich in der Kirche bin
download

Info: 1 MB | PDF
13.07.2021

Flyer: 10 gute Gründe warum ich in der Kirche bin

Mehr News

  • Datum: 27.03.2024

    „Leben ist ein unverfügbares Geschenk“

    In seiner Osterpredigt weist Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl auf die Heiligkeit des menschlichen Lebens hin und warnt vor gesellschaftlichen Risiken: „Eine Gesellschaft, die meint, sich selbst das Leben zu verdanken, verliert am Ende die Ehrfurcht vor dem Leben.“

    Mehr erfahren
  • Datum: 27.03.2024

    Osterbotschaft: „Sieg des Lebens“

    „Ostern ist der Sieg des Lebens über den Tod, der Sieg des Lichtes über die Dunkelheit“, sagt Landesbischof Gohl in seiner Osterbotschaft. Im Video nimmt er Sie mit auf den Birkenkopf bei Stuttgart, wo nach dem 2. Weltkrieg große Mengen Fassadentrümmer aufgeschüttet wurden.

    Mehr erfahren
  • Datum: 27.03.2024

    Mit den Sinnen feiern: Ostern mit den Konfis

    Ostern ist kein einfaches Fest. Wie man dieses zentrale Fest der Christenheit Konfirmanden und Konfirmandinnen nahebringt, davon erzählen Pfarrer Friedemann Bauschert (Stephanuskirche Tübingen) und Pfarrer Martin Trugenberger, Dozent für Konfirmandenarbeit am ptz.

    Mehr erfahren
  • Datum: 27.03.2024

    Perspektiven für christlich-islamischen Dialog

    Dr. Friedmann Eißler, Islambeauftragter der Landeskirche, erklärt in einer aktuellen Stellungnahme, was den interreligiösen Dialog gegenwärtig so komplex macht.

    Mehr erfahren
  • Datum: 27.03.2024

    Spenden für humanitäre Hilfe im Nahen Osten

    Nach den Angriffen der Hamas auf die israelische Bevölkerung ist die humanitäre Lage der Menschen in den betroffenen Gebieten dramatisch. Medikamente, Wasser und Lebensmittel fehlen. Dr. Annette Noller, Vorstandsvorsitzende der Diakonie Württemberg, bittet um Hilfe.

    Mehr erfahren
  • Datum: 26.03.2024

    ACK-Broschüre über Nachhaltigkeit

    Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Baden-Württemberg fordert in den „Schöpfungs-Leitlinien“ nachhaltige Lebensbedingungen für die ganze Welt. Die erstmals 2002 herausgegebene Broschüre ist nun in einer überarbeiteten Neuauflage erhältlich.

    Mehr erfahren
  • Datum: 25.03.2024

    beraten & beschlossen Frühjahrssynode 2024

    Videos, Bilder, Berichte - unser digitales Synoden-Magazin gibt multimedial Einblick in die Frühjahrstagung der Landessynode am 15. und 16. März. Und um keine Ausgabe zu verpassen, können Sie sich hier für unseren „beraten & beschlossen“ Newsletter registrieren.

    Mehr erfahren
  • Datum: 25.03.2024

    Prälatur-Gottesdienste in der Karwoche und zu Ostern

    Die Regionalbischöfinnen und Regionalbischöfe der Landeskirche feiern an Gründonnerstag, Karfreitag, Ostersonntag und Ostermontag Gottesdienste in ihrer Prälatur. Hier finden Sie die Terminübersicht.

    Mehr erfahren
  • Datum: 25.03.2024

    FAQ zu Ostern: Auferstehung für Zweifelnde

    Ohne Auferstehung gäbe es kein Ostern. Doch woran glauben Christinnen und Christen da eigentlich, und was ist, wenn einem dieser Glaube schwerfällt? Was sagt die Bibel dazu? Pfarrer Dan Peter, Sprecher der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, gibt Antworten.

    Mehr erfahren
  • Datum: 22.03.2024

    Dr. Fabian Peters wird Dezernent für Finanzmanagement & Informationstechnologie

    Dr. Fabian Peters leitet künftig das Dezernat für Finanzmanagement und Informationstechnologie im Stuttgarter Oberkirchenrat. Der Landeskirchenausschuss hat ihn am Donnerstag, 21. März, in dieses Amt gewählt.

    Mehr erfahren
  • Datum: 22.03.2024

    Der Passion und Auferstehung Jesu nachgehen

    Gründonnerstag, Karfreitag und Ostern sind Höhepunkte im Kirchenjahr. Evangelische Kirchengemeinden und Einrichtungen erinnern mit Ostergärten und -wegen an Jesu Leiden, Tod und Auferstehung.

    Mehr erfahren
  • Datum: 21.03.2024

    Trauer um Franziska Stocker-Schwarz

    Pfarrerin Franziska Stocker-Schwarz, Leiterin der Württembergischen Bibelgesellschaft, ist am 19. März im Alter von 62 Jahren nach schwerer Krankheit verstorben. Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl sagt über sie: „Ihr Tod ist ein großer Verlust für unsere Kirche.“

    Mehr erfahren
Mehr laden