„Es geht darum, einander auf Augenhöhe zu begegnen“
Zukunftskongress zum Potenzial der Älteren für Kirche und Gesellschaft
Warum ist der demografische Wandel für die Kirche gravierend, aber auch eine Chance? Wie muss sich die Arbeit mit Älteren in Kirche und Diakonie verändern? Darum geht es beim Zukunftskongress „Eure Älteren werden Träume haben…“, den Landeskirche und Diakonisches Werk am 15. Oktober hybrid veranstalten. Im Interview haben wir mit den Initiatoren Dr. Karin Grau und Richard Haug gesprochen. Kirchenrätin Dr. Karin Grau ist Geschäftsführerin der Fachgruppe „Demografie und Alter“ in Oberkirchenrat und Diakonischem Werk Württemberg. Richard Haug war Dekan und neun Jahre lang Vorsitzender der LAGES – Evangelische Seniorinnen und Senioren in Württemberg. Außerdem hat er an der Konzeption von Landeskirche und Diakonie „Eure Älteren werden Träume haben“ für die Arbeit mit Älteren mitgeschrieben.
Wie ist die Idee zu diesem Kongress entstanden?
Dr. Karin Grau: Richard Haug und ich arbeiten schon lange zusammen. Zuletzt waren wir beide Teil der Fachgruppe „Demografie und Alter“ der Landeskirche. Die Fachgruppe will ein klares, großes Zeichen für die Arbeit mit Älteren setzen und hat deshalb den Kongress initiiert. Er sollte eigentlich vor einem Jahr stattfinden, wurde aber wegen der Corona-Pandemie verschoben.
Was erwartet die Teilnehmerinnen und Teilnehmer?
Grau: Die Eröffnung übernimmt Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July. Außerdem haben wir zwei professionelle Moderatorinnen gewonnen. Kirchenrätin Eva-Maria Armbruster, Vorstand Sozialpolitik des Diakonischen Werks, wird ein Grußwort halten. Außerdem kommen zwei hochkarätige Vortragende. Oberkirchenrätin i. R. Cornelia Coenen-Marx ist eine Expertin für das Thema Gemeinschaftliches Leben mit älteren Menschen. Am Nachmittag hält Professor Dr. Andreas Kruse einen Vortrag, einer der bekanntesten Gerontologen. Zwischendurch soll es viel Raum für Begegnungen geben. Neben den Workshops gibt es auch Infostände zum Thema Ältere sowie Pinnwände, die wir sowohl real als auch digital aufstellen. Wir wünschen uns, dass die Menschen, die teilnehmen, ihre Träume zum Alter in Kirche und Diakonie notieren.
Auf welchen Workshop freuen Sie sich besonders?
Grau: Wir haben drei große Schwerpunkte. Der erste ist die Digitalisierung: Ältere Menschen müssen daran Anteil haben. Mindestens so wichtig ist jedoch die Orientierung im sozialen Nahraum. Kirche muss sich in ihr Quartier begeben und dort mitarbeiten. Außerdem wollen wir auch kreative Themen anbieten. Der blumigste Titel im eigentlichen Sinne des Wortes ist „Grünkraft Gottes“. In diesem Workshop geht es darum, Materialien aus der Natur für die Arbeit mit Älteren zu nutzen. Damit wollten wir ein Gegengewicht zu den anderen Workshops bieten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollen dort auch ein wenig Atem holen.
Was waren die Herausforderungen bei der Arbeit mit Älteren während der Corona-Pandemie und danach?
Richard Haug: Die Hauptherausforderung war, dass viele Menschen sehr isoliert waren, am meisten in den Pflegeheimen. Es konnten dort auch keine Gottesdienste mehr gefeiert werden und es gab keine gemeinschaftlichen Begegnungen. Auch für die hochaltrigen Menschen, die zu Hause leben, sind viele Kontaktmöglichkeiten weggefallen. In Kirchengemeinden konnten etwa keine Seniorennachmittage stattfinden. Im Sommer sind die meisten Angebote wieder angelaufen. Im Moment sind die Entwicklungen sehr vielfältig, deshalb kann ich noch kein Fazit ziehen. Aber unser Zukunftskongress kommt meiner Ansicht nach genau zum richtigen Zeitpunkt, weil er einen Aufbruch vermittelt und eine hoffnungsvolle Sicht in die Zukunft.
Die Gemeindegliederzahlen gehen zurück, während die Älteren einen immer größeren Teil der Mitglieder ausmachen. Wie muss sich der Umgang von Kirche und Diakonie mit den Älteren verändern?
Haug: Die Phase des Alters hat sich sehr stark gespreizt. Seit etwa 1950 sind im Durchschnitt rund 15 Lebensjahre hinzugekommen: Das sind 15 gewonnene Jahre. Ich würde grob zwischen der dritten und der vierten Lebensphase unterscheiden. In der dritten Phase geht es darum, dass ältere Menschen sich in Kirche und Gesellschaft einbringen können. Viele sind dazu bereit. Die Bereitschaft der Älteren zum Engagement ist in den letzten zehn bis zwanzig Jahren statistisch signifikant gestiegen. In unserer Konzeption „Eure Älteren werden Träume haben…“ fällt der Begriff „Kultur der Ermöglichung“. Das bedeutet, dass Menschen Möglichkeiten wahrnehmen und sich einbringen können. Nicht nur als ehrenamtliche Helfende, sondern als Menschen, die mitgestalten wollen. Die Kirche bietet dafür sehr gute Gelegenheiten – wenn sie von den Menschen her denkt.
Was ist die vierte Phase?
Haug: Das hohe Lebensalter. Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt in den Jahren seit etwa 2010 bis 2030 um rund das Doppelte. Wie kann unser Sozialsystem das verkraften? Wie kann die Pflege menschenwürdig sein? Sehr wichtig ist der Bezug zum Gemeinwesen, das Quartier. Unsere Vision ist, dass wir vor Ort, in überschaubaren Bereichen, in sogenannten „sorgenden Gemeinden“ leben. Wichtig ist, sich nicht in einem Subjekt-Objekt-Schema von Pflegenden und Pflegebedürftigen aufzuhalten, sondern darüber nachzudenken, wie wir füreinander sorgen können. Natürlich hat das etwa im Falle von Demenz seine Grenzen. Aber auch da geht es darum, einander auf Augenhöhe zu begegnen.
Mir ist wichtig, dass man Hochaltrige als Menschen betrachtet, die selbst noch etwas einbringen möchten und für andere etwas bedeuten wollen. Mir fällt meine eigene Mutter ein, die am Ende ihres Lebens drei Jahre in einem Altenpflegeheim verbracht hat. Sie konnte kaum noch sehen, aber sie hat für andere gebetet. Gerade deswegen war sie für viele Menschen wichtig.
Welches Potenzial bieten denn Ältere für die Kirche?
Grau: Auch der Mensch, der nicht mehr viel tun kann, hat noch viel Potenzial. Die Älteren und Ältesten sind einer unserer größten Schätze. Sie haben Erfahrungen, die für Jüngere nicht mehr selbstverständlich sind. Sie besitzen eine große Öffnung gegenüber Gottesglauben und Kirche. Wir wissen nicht, wie sich dies bei künftigen Generationen entwickeln wird.
Haug: Früher war das Alter häufig durch Armut gekennzeichnet. Das ist sie natürlich heute zum Teil noch immer. Aber die große Mehrheit der Seniorinnen und Senioren verfügt über ein ganz ordentliches Einkommen. Und das bedeutet auch Freiheit. Man muss sich nicht ständig darum sorgen: „Wie komme ich durch?“ Im Unterschied zu früheren Generationen bringen Ältere außerdem unheimlich viel Wissen und gute Ausbildungen mit. Etwa die Frauen: Früher war klar, dass eine Frau Ehefrau, Mutter und Hausfrau ist. Heute verfügen viele Frauen über eine exzellente Ausbildung und berufliche Erfahrung. Doch das wichtigste Potenzial der Älteren ist: Sie haben Zeit. Anders als eine Person, die etwa 40 Stunden pro Woche arbeitet.
Auch beim Umgang mit der Corona-Pandemie kam ein Potenzial der Seniorinnen und Senioren zum Vorschein: Es gab eine Untersuchung zu der Frage, wie die Generationen mit der Krise umgehen oder umgegangen sind. Herausgekommen ist, dass die Älteren im Durchschnitt viel besser durch die Krise gekommen sind als die Jüngeren, weil sie Lebenserfahrung besitzen und wissen, dass sie nicht jede Krise gleich umwirft. Auch das ist ein wichtiges Potenzial in Blick auf die Zukunft.
Mir ist es ein Anliegen, dass wir Älteren uns für eine gute Zukunft der kommenden Generationen einsetzen, dass wir unseren Teil dazu beitragen, angesichts der Klimakrise nicht einfach unser Leben weiterzuleben wie immer, sondern mit all unserer Lebenserfahrung versuchen, einen Beitrag zur Bewältigung dieser Krise zu leisten.
Über den Zukunftskongress „Eure Älteren werden Träume haben“
Am 15. Oktober findet der Zukunftskongress „Eure Älteren werden Träume haben“ von 10:00 bis 17:00 Uhr statt. Es ist möglich, analog oder digital teilzunehmen. Angeboten werden Workshops, Vorträge - etwa von Prof. Dr. Andreas Kruse, Direktor des Instituts für Gerontologie an der Universität Heidelberg, und Oberkirchenrätin i. R. Cornelia Coenen-Marx - sowie Möglichkeiten zum Austausch und Beteiligungsformen im Netz. Veranstaltungsort für alle, die vor Ort teilnehmen möchten, ist der Hospitalhof Stuttgart.
TV-Tipp: Ein Schuss – und plötzlich ist alles anders
Bei einer Bundeswehr-Übung erschießt Heiko Bauder einen Kameraden. Schuldgefühle und ein Nervenzusammenbruch sind die Folge. Mit professioneller Hilfe und seinem Glauben findet er zurück ins Leben. Darüber spricht er mit "Alpha & Omega“-Moderatorin Heidrun Lieb.
Sabine Bullinger, Landesbauernpfarrerin der Landeskirche, denkt in ihrem Impuls über die heutige Bedeutung des Erntedankfestes nach. Ist das Fest so noch zeitgemäß und wie kann Danken gegen die Gedankenlosigkeit helfen? Impuls zum Predigttext: 1. Timotheus 4,4-5.
Die vier großen Kirchen in Baden-Württemberg erinnern mit großer Dankbarkeit daran, dass es vor 35 Jahren im Geist des Friedens möglich war, ohne Blutvergießen die Diktatur in der ehemaligen DDR abzuschütteln. Zur gemeinsamen Erklärung „Kerzen und Gebete – ein Vermächtnis“
500 Pfarrerinnen und Pfarrer beraten über die Zukunft der Kirche
Württembergische und badische Pfarrerinnen und Pfarrer treffen sich am 13. und 14. Oktober zum Pfarrerinnen- und Pfarrertag in Heilbronn. Das Treffen dient dazu, sich in Zeiten gravierender Veränderungen in Gesellschaft und Kirche auszutauschen. Hier geht es zum Programm.
Gedenken an den Jahrestag des Hamas-Überfalls auf Israel
Am 7. Oktober jährt sich der Hamas-Überfall auf Israel. An diesem Tag nimmt Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl an einem interreligiösen Friedensgebet in Reutlingen teil. Am 6. Oktober erinnert die Ulmer Prälatin Gabriele Wulz in ihrer Predigt im Ulmer Münster daran.
Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Baden-Württemberg hat einen neuen Vorstand gewählt. Neue Vorsitzende ist Heike Friedrich von der Evangelisch-methodistischen Kirche. Außerdem wurde die Neuapostolische Kirche (NAK-Süd) als Vollmitglied aufgenommen.
Die Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit veröffentlichen unter dem Titel #50tagelaut Jahrestag des Überfalls der Hamas auf Israel Videos, in denen Prominente gegen Antisemitismus Stellung nehmen. Auch Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl beteiligt sich daran.
Kirchengemeinderäte und -rätinnen leiten die Gemeinden vor Ort gemeinsam mit den Pfarrpersonen. Was macht das Amt aus? Was macht Freude, was nicht? Warum sollten man sich bei der nächsten Kirchenwahl um das Amt bewerben? Darüber erzählt hier Margret Börger aus Tübingen.
Die vier großen Kirchen in Baden-Württemberg haben sich mit einem gemeinsamen Gruß zum jüdischen Neujahrsfest Rosch ha-Schana des Jahres 5785 des jüdischen Kalenders an die jüdischen Menschen und Gemeinden im Land gewandt und sie der Solidarität der Kirchen versichert.
Einen ungewöhnlichen Zugang zur Nazi-Diktatur haben Ulmer Schülerinnen und Schüler bei einem Konzert des Lebensmelodien-Projekts über jüdische Komponisten gefunden. Die Landeskirchenstiftung und der württembergische Landesbischof haben das Projekt finanziell unterstützt.
Der OIKOS Immobilienprozess betrifft alle Kirchenbezirke und -gemeinden der württembergischen Landeskirche. Alle Informationen rund um OIKOS hat die Landeskirche nun auf der neuen Webseite www.oikos-elk-wue.de gebündelt.
1994 nahm das Büro der Frauenbeauftragten im Oberkirchenrat die Arbeit auf. Aus ihm ging das Büro für Chancengleichheit hervor, dass heute viele verschiedene Themen bearbeitet. Ursula Kress gibt Einblick in die Geschichte sowie aktuelle Themen und Herausforderungen.