| Gesellschaft

80 Jahre Reichspogromnacht

Wort von Landesbischof July | Gedenkveranstaltungen in Württemberg

In der Nacht vom 9. auf den 10. November vor 80 Jahren brannten die Synagogen. In Württemberg so wie im ganzen Deutschen Reich. Juden wurden misshandelt, verhaftet oder getötet. In dieser Nacht wurde offensichtlich, dass Antisemitismus und Rassismus staatsoffiziell geworden waren – sie war das Fanal zum größten Völkermord Europas. Dazu schreibt Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July:  

EMH/Gottfried Stoppel

Der 9. November 2018 führt uns in ein besonderes Gedenken: 80 Jahre Pogromnacht in Deutschland. Jahrelange Hetze, Hass-Rede, Rassismus und gezielte Ausgrenzung führten zu einem ersten, von den Nazis und ihren Schergen gesteuerten, entsetzlichen Tiefpunkt. Jüdische Menschen wurden gejagt, getötet, ausgegrenzt. Synagogen brannten, Feuerwehr und Polizei schauten zu oder griffen nur ein, um die Ausbreitung des Feuers auf andere Häuser zu verhindern. Ein grausiges Spektakel, das Vorzeichen war für die schreckliche Deportation und Vernichtung von Millionen jüdischer Menschen in Europa. Nur wenige Kirchenvertreter und Christen erhoben ihre Stimmen. In Württemberg denken wir dabei an Pfarrer Julius von Jan, der angesichts der Situation mahnend gegen die Ausgrenzung und Verfolgung jüdischer Menschen predigte: „Land, Land, Land, höre des Herren Wort“ (Jeremia 22,29). 

Leider erheben sich heute wieder Antisemitismus, Rassismus, Ausgrenzung und menschenverachtendes Sprechen. In den Köpfen, in den Gedanken, mit der Sprache fängt es an. In der Geschichtsvergessenheit geht es weiter. 

Der 9. November mahnt uns: Nie wieder! 
100 Jahre nach dem ersten Weltkrieg: Nie wieder Krieg!
80 Jahre nach der Reichspogromnacht: Nie wieder Antisemitismus, Rassismus und Menschenverachtung. 

Auch in Erinnerung an 29 Jahre der Maueröffnung gilt: Ich möchte ein Deutschland, das um sein geschichtliches Erbe weiß und deshalb alle Versuche zurückweist, deutsche Schuld zu Recht zu biegen oder als eine zu vernachlässigende Kleinigkeit abzutun. 

Das Predigtwort „Land, Land, Land höre des Herren Wort!“ mahnt und erinnert uns an unsere Verantwortung vor Gott und den Menschen. Ich hoffe, dass in vielen Gemeinden unserer Landeskirche am 9. November Fürbitte und Andacht gehalten wird und deshalb viele Kirchenglocken zum Gottesdienst läuten können.


Hier einige Veranstaltungen aus unserer Landeskirche

Donnerstag, 8. November

Böblingen
„Regina Jonas – Porträt der weltweit ersten Rabbinerin (ermordet 1944 in Ausschwitz)“ lautet ein Vortrag, zu dem die evangelische Paul-Gerhardt-Gemeinde um 15 Uhr ins Bonhoeffer-Haus einlädt.ReutlingenEine Gedenkstunde mit der Zeitzeugin Ruth Michel findet um 18.30 Uhr auf Einladung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK), der jüdischen Gemeinde, der Stadt und der örtlichen Theodor-Heuss-Schule in der Marienkirche statt. 

Stuttgart
Am Mahnmal für die Opfer des nationalsozialistischen Regimes am Karlsplatz beim Alten Schloss erinnern Schülerinnen und Schüler der Klassen 10 und 11 des Evangelischen Mörike-Gymnasiums von 8.00 bis 8.30 Uhr an die Reichspogromnacht. Im Jahr 2003 hat die Schule eine Patenschaft für dieses Mahnmal übernommen. Seitdem wird von der Schule dort jährlich der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. 

Freitag, 9. November


Aalen
In der Aalener Stadtkirche gibt es um 17 Uhr einen ökumenischen Gottesdienst. Im Anschluss findet ein  Schweigemarsch durch die Innenstadt zu den Stolpersteinen an der VR-Bank mit Mahnwache statt.

Crailsheim
Um 18.30 Uhr lädt die Initiative „Erinnerung und Verantwortung“ zur Gedenkveranstaltung am Grundriss der Synagoge in der Adam-Weiß-Straße ein. Im Anschluss daran gibt es im Forum der Stadt Crailsheim dazu einen Vortrag zum Thema „Täter“.

Flacht
Pavel Hoffmann, Jahrgang 1939, ist einer der jüngsten Holocaustüberlebenden. Als Kind verbrachte er fast zwei Jahre als Häftling im jüdischen Ghetto und im KZ Theresienstadt. Aus seiner Familie überlebten einzig ein Onkel und eine Tante. Er lebt seit 1968 in Deutschland und berichtet als Zeitzeuge über seine Rettung und über den Antisemitismus heute. Pavel Hofmann spricht ab 19.30 Uhr im evangelischen Gemeindehaus Flacht. Parkplätze sind hinter dem Gemeindehaus. 

Großsachsenheim
In Großsachsenheim wird es um 19.30 Uhr einen Ökumenischen Gottesdienst in der Franziskuskirche geben.

Ravensburg
Um 17.00 Uhr findet beginnend in der Grüner-Turm-Straße ein Gedenkgang durch Ravensburg statt. Die Strecke führt zu den ehemaligen jüdischen Geschäften am Marienplatz. Veranstalter sind die Stadt Ravensburg sowie die Ev. und Kath. Gesamtkirchengemeinde und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Begegnung in Oberschwaben.

Stuttgart

Das Evangelische Jugendpfarramt Stuttgart, die Stiftung Weltethos und das Evangelische Bildungszentrum Hospitalhof laden ab 9 Uhr in den Hospitalhof ein. Das Thema lautet: „Welche Rolle spielt der Antisemitismus 80 Jahre später?“ Mit dabei sind der Filmemacher Peter Ohlendorf, der Antisemitismusbeauftragte der Landesregierung, Dr. Michael Blume, die Künstler Rebekka Choo sowie Schülerinnen und Schüler. Zudem wir der Film „Blut muss fließen“ gezeigt, eine Recherche in der extremen RechtsRock-Szene. Das Ende der Veranstaltung ist um 12:30 Uhr. Den genauen Programmablauf finden Sie hier.

Die Israelitische Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW) lädt zusammen mit der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit um 13.00 Uhr zur Gedenkveranstaltung vor der Synagoge in der Hospitalstraße ein.

Um 17 Uhr spricht der Pfarrer und Publizist Dr. Joachim Hahn über „Das Schicksal der Synagogengebäude und der jüdischen Friedhöfe in der NS-Zeit in Württemberg von 1938 bis 1945“ im Lesesaal des Landeskirchlichen Archivs in der Balinger Straße 33/1. 

Sonntag, 11. November

Tuttlingen

Theologieprofessor Dr. Martin Dober predigt um 11 Uhr zum Film des Vortages (Samstag, 10. November, 19 Uhr – „Nacht über Berlin“) in der Versöhnungskirche.  

Montag, 12. November

Ludwigsburg

Auf Einladung der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) spricht Pfarrer Stefan Brückner, freier Mitarbeiter am Demokratiezentrum Baden-Württemberg, um 19.30 Uhr im Gemeindehaus Osterholzallee 53 zum Thema „80 Jahre nach der Reichspogromnacht – wie sich heute Rechtsextremismus in Deutschland zeigt“. 


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