Landesbischof Gohl auf der Kundgebung in Ulm gegen den AfD-Parteitag im November
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Landeskirche
„Rechtsextremismus und christlicher Glaube unvereinbar“
Landesbischof Gohl betont auf Kundgebung gegen AfD-Parteitag das christliche Menschenbild
Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl sprach am 5. Oktober in Ulm bei der Kundgebung im Anschluss an die Proteste gegen den AfD-Parteitag. „Rechtsextremismus und christlicher Glaube sind unvereinbar“, sagte er und sprach angesichts des für den 9. November 2024 in Ulm geplanten AfD-Parteitags von einer bewussten Provokation. Veranstalter der Demonstration war das Bündnis Demokratie Ulm. Lesen Sie hier die Rede von Landesbischof Gohl im Volltext.
„Liebe Freundinnen und Freunde der freiheitlichen Demokratie,
heute stehen wir zusammen: Für Demokratie und Vielfalt. Und wir stehen hier auf dem Weinhof zusammen gegen die Geschichtsvergessenheit. Danke, dass Ihr da seid und zeigt: Der AfD-Parteitag ist in Ulm nicht willkommen!
Hier auf dem Weinhof brannte am 9. November 1938 wie an anderen Orten in ganz Deutschland die Synagoge. Die Reichspogromnacht war das Werk der Nazis. Auch hier in Ulm. Ulmer Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens wurden gedemütigt, sie mussten hier in den Brunnen steigen und wurden krankenhausreif geschlagen – darunter der Rabbiner Dr. Julius Cohn.
Die Gesinnung der Rechtsextremisten, die zwischen Menschen erster und zweiter Klasse unterscheiden, brach sich hier Bahn. Wenige Monate später überzog diese menschenverachtende Ideologie Europa und die Welt mit Krieg und kostete 50 Millionen Menschen das Leben.
Jedes Jahr am 9. November erinnert auf dem Weinhof eine Gedenkfeier an dieses Ereignis. Und jedes Jahr versprechen wir uns: Nie wieder! Nie wieder ist jetzt!
Björn Höcke, Landesvorsitzender der AfD in Thüringen, hat vieles, was unsagbar erschien, in den letzten Jahren Schritt für Schritt wieder sagbar gemacht. Er und viele andere dieser rechtsextremen Partei grenzen aus, diffamieren und sind dabei offen rassistisch.
Höcke vergleicht in einem Vortrag das Reproduktionsverhalten von Schwarzafrikanern mit dem von Bakterien und anderen sogenannten niederen Lebewesen.
Wir müssen solche Aussagen ernst nehmen und dürfen Beschwichtigungsversuchen keinen Glauben schenken. Mit der Sprache beginnt die Gewalt.
Victor Klemperer, Literaturwissenschaftler und Holocaust-Überlebender, hat die Sprache des Dritten Reichs analysiert. Er schreibt: „Worte können sein wie winzige Arsendosen: sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung da“.
Lassen wir uns also nicht den Blick vernebeln.
Solche menschenverachtenden Aussagen zeigen, wessen Geistes Kind Björn Höcke und seine Gesinnungsgenossinnen und -genossen sind.
Heute stehen wir hier zusammen: Für Demokratie und Vielfalt und gegen Geschichtsvergessenheit!
Der Parteitag der AfD am 9. November 2024 – am alljährlichen Gedenktag zur Reichspogromnacht – ist daher eine bewusst herbeigeführte Provokation. Dagegen stellen wir uns. Auch heute. Die AfD ist in Ulm nicht willkommen.
Als Demokratinnen und Demokraten stehen wir alle gemeinsam auf dem Boden des Grundgesetzes.
Es war der Württemberger Theodor Heuss, der vor 75 Jahren die bis heute gültige Präambel des Grundgesetzes formulierte, die „vom Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen“ spricht.
Nach der Präambel folgt mit Art. 1 der berühmte Satz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“
„Alle Mensch sind Ebenbilder Gottes“ – so heißt es im ersten Kapitel der Bibel. Und so kann es jeder und jede auf dem Banner – wenige Meter von hier – am Ulmer Münster lesen. Für die Väter und Mütter des Grundgesetzes war die Unantastbarkeit der Menschenwürde die zentrale Lehre aus den Verbrechen der Rechtsextremisten der Nazizeit.
Damit verweist das Grundgesetz auf das christliche Menschenbild und die großen Traditionen der Bibel. Das christliche Menschenbild und der Schutz der Menschenwürde sind nicht vollständig deckungsgleich. Sie entsprechen sich aber in weiten Teilen. Deshalb spreche ich hier als Bürger dieses Landes und als Christ – und ich tue dies ausdrücklich auch im Namen von Diözesanadministrator Dr. Clemens Stroppel. Und wenn beide großen Kirchen eindeutig Stellung beziehen gegen die AfD, ist das keine parteipolitische Aussage, sondern eine theologische: Rechtsextremismus und christlicher Glaube sind unvereinbar. Sie widersprechen sich fundamental!
Nicht jeder, der die AfD wählt, ist ein Rechtsextremist. Aber jeder und jede muss wissen, dass er oder sie eine inzwischen in weiten Teilen rechtsextreme Partei wählt. Niemand soll später sagen können: Das habe ich nicht gewusst.
Einen Vorgeschmack darauf, was uns droht, wenn die AfD an der Macht ist, zeigte das unwürdige Agieren des Thüringer Alterspräsidenten bei der Konstituierung des Landtags. Erst das Thüringer Landesverfassungsgericht konnte die demokratische Ordnung sicherstellen.
Solche Demonstrationen wie heute sind wichtig. Doch mindestens ebenso wichtig ist, dass wir im persönlichen Umfeld Aussagen widersprechen, die die Menschenwürde in Frage stellen. Wozu Menschenverachtung führt, zeigt der Weinhof und die Erinnerung an die Reichspogromnacht 1938.
Dagegen sagen wir heute: „Alle Menschen sind Ebenbilder Gottes“, oder in den Worten des GG:
„Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“
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