| Flüchtlinge

„Es ist unmenschlich, dass Menschen in ihrer innersten Not und äußeren Bedrängnis nicht wahrgenommen werden“

Ökumenischer Gottesdienst zum Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung

Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl und Weihbischof Thomas Maria Renz (Diözese Rottenburg-Stuttgart) haben im Namen der vier großen Kirchen in Baden-Württemberg zum Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung am 20. Juni in der Tübinger Eberhardskirche einen ökumenischen Gottesdienst mit anschließendem Begegnungsabend im Haus der Kirche Villa Metz gefeiert.

Landesbischof Ernst-Wilhelm GohlBild: Magdalena Smetana

Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl (Ev. Landeskirche in Württemberg) dankte in seiner Begrüßung allen, die sich für und mit Geflüchteten engagieren. Er erinnerte daran, dass der Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zurückgehe und zog die Verbindung zu den Menschen, die aus der Ukraine in die EU fliehen. Zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems sagte Gohl, er teile „die Sorge von vielen um die Wahrung der Menschenrechte und des Flüchtlingsschutzes“. Und weiter sagte Gohl: „Als Kirchen erwarten wir, dass die Staaten in Europa zu einem echten solidarischen Miteinander kommen“. Gohl erinnerte daran, dass die Bibel an vielen Stellen davon spreche, wie „Menschen vor Gewalt fliehen und Aufnahme finden […] Die Weihnachtsgeschichte ist eine Fluchtgeschichte. Auf der Flucht vor dem Schwert des Herodes fanden Maria und Josef mit ihrem Baby Aufnahme in Ägypten. Gott sei Dank!“

Gohl wies zudem darauf hin, dass die württembergische Landeskirche „zahlreiche lokale und regionale Initiativen vor Ort“ unterstützt. „Besonders liegt mir die ökumenische Arbeit am Herzen. Wie bei der Gemeinschaft Sant’Egidio, die mit ihrem Projekt der humanitären Korridore Pionierarbeit leistet.“

Weihbischof Thomas Maria RenzBild: Magdalena Smetana

Weihbischof Thomas Maria Renz wies in seiner Predigt darauf hin, dass die Zahl der Flüchtlinge weltweit auf eine neue Rekordhöhe gestiegen sei. Mehr als 108 Millionen Flüchtlinge habe das UN-Flüchtlingskommissariat im vergangenen Jahr erfasst, so viele wie nie zuvor seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, „und hinter jedem dieser Flüchtlinge steht ein konkreter Mensch, eine menschliche Person, meine Schwester und mein Bruder aus der universalen Menschheitsfamilie“. Es sei unmenschlich, dass Menschen in ihrer Einzigartigkeit und Einmaligkeit, in ihrer innersten Not und äußeren Bedrängnis von niemandem wahrgenommen und ernstgenommen werden, sagte Renz und verwies auf die „vermutlich über 500 Menschen, zumeist Frauen und Kinder, die erst in der vergangenen Woche in einem völlig überfüllten, lausigen Fischkutter waren, der nicht hochseetauglich war und der vor der Küste Griechenlands gesunken ist“.

Renz sagte weiter: „Ohne die Flüchtlinge, Vertriebenen und Migranten von der Peripherie ins Zentrum zu holen, kann es das Reich Gottes, so wie Gott selbst es im Sinn hat, nicht geben. Denn Gott selbst will sein Reich errichten als ein Reich des Friedens, der Gerechtigkeit, der Liebe, der Menschenwürde, der Freiheit und der Wahrheit!“

Staatssekretär Siegfried Lorek MdLBild: Magdalena Smetana

Staatssekretär Siegfried Lorek MdL wies in seinem Grußwort darauf hin, dass die Zahl der Flüchtlinge weltweit einen Höchststand erreicht habe – „ein langjähriger Höchststand, ein trauriger Höchststand“. Diese Menschen hätten Unterstützung verdient, „und gerade für uns als Christen ist diese Hilfe eine mitmenschliche Verpflichtung“.

Weiter sagte Lorek: „So hat unser Land seit dem brutalen russischen Überfall auf die Ukraine bereits über 160.000 Menschen aufgenommen – mehr als ganz Frankreich.“ Baden-Württemberg helfe, stoße dabei aber zunehmend „an die Grenzen unserer Aufnahmekapazität“. Lorek begrüßte die Europäische Einigung beim Umbau des Asylsystems, wies aber auch darauf hin, dass diese Einigung umstritten ist: „Es ist […] richtig, dass sich die Innenminister der europäischen Union auf eine Anpassung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems geeinigt haben. Für manche ist diese Einigung nur ein erster Schritt, für andere ist sie ein Schritt zu weit.“ Dieser Kompromiss müsse nun umgesetzt werden und sich bewähren, und „wir müssen es uns weiter zur Aufgabe machen, für sichere Fluchtwege zu sorgen“. Migrationspolitik brauche „Humanität und Ordnung. Beides zu verbinden ist unsere gemeinsame Verantwortung über alle konfessionellen, religiösen oder politischen Grenzen hinweg“.

Lorek erinnerte auch „an das Schicksal vieler Deutscher, die sich nach dem Grauen des zweiten Weltkriegs auf den Weg nach Westen machen mussten. Die ihre Heimat verloren hatten, die vertrieben worden sind und sich schließlich auch und gerade bei uns in Baden-Württemberg ein neues Leben aufgebaut haben. Auch ihrer Geschichte, ihres Einsatzes für ihr neues Zuhause und ihres großen Beitrags zum Erfolg unseres Landes erinnern wir uns heute.“

Dr. Daniela Harsch, Bürgermeisterin für Soziales, Ordnung und Kultur in TübingenBild: Magdalena Smetana

Dr. Daniela Harsch, Bürgermeisterin für Soziales, Ordnung und Kultur in Tübingen, wandte sich mit Dank an die Haupt- und Ehrenamtlichen in der Tübinger Flüchtlingsarbeit: „Sie alle haben sich in den letzten Monaten, Jahren, teilweise Jahrzehnten so sehr eingebracht, haben unterstützt, wo staatliche Systeme an ihre Grenzen gekommen sind, haben bei Integration geholfen, haben Verzweiflung und schwierige Lebenswege erlebt und manchmal auch Scheitern.“ Mit Blick auf das Anwachsen politisch extremer Kräfte sagte Harsch: „Wir werden diesen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft brauchen.“ Es sei „unser aller Verantwortung, gut zusammenzuleben, Probleme anzusprechen, nichts totzuschweigen aus Angst davor, dass es andere gegen uns und die Menschen, die zu uns gekommen sind, verwenden könnten, sondern ehrlich zu sein und zu schauen, wie wir das gemeinsam als Gesellschaft hinbekommen.“



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