Reichspogromnacht: „Auch das Fehlen eines Reflexes ist eine Diagnose“
Gedanken zum 9. November 1938 von Jochen Maurer, Beauftragter für das christlich-jüdische Gespräch
Am 9. November jährt sich die Reichspogromnacht zum 85. Mal. Synagogen wurden niedergebrannt, jüdische Geschäfte zerstört und jüdische Mitbürger misshandelt, verhaftet und getötet. Ein Impuls über das Wegsehen und fehlende Reflexe zu Antisemitismus heute von Jochen Maurer, er ist der Beauftragte für das christlich-jüdische Gespräch der evangelischen Landeskirchen in Württemberg und Baden.
Die Synagoge in Ludwigsburg wurde in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 zerstört.Bild: Sammlung der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem
9. November 1938 – 9. November 2023: Was verbindet diese beiden Daten – und warum geht uns an, was vor 85 Jahren geschehen ist? Was haben die Bilder der brennenden Synagogen, zerschlagenen Schaufensterscheiben und gequälten, gedemütigten und in KZs zusammengetriebenen jüdischen Menschen mit den aktuellen Ereignissen zu tun? Soweit das eine politische Frage ist, hat Vizekanzler Robert Habeck zuletzt verständlich gemacht, dass die nach 1945 in Deutschland etablierte Demokratie, das Grundgesetz und die Menschenrechte eng mit der Sicherung der Existenz des Staates Israel verbunden sind. Was also gemeint ist, wenn man die Sicherheit Israels als deutsche Staatsraison betrachtet.
„Nie wieder Auschwitz!“
Wer das Bekenntnis: „Nie wieder Auschwitz!“ ernst meint, muss jetzt aktiv werden gegen Antisemitismus! Ob er sich in den traumatisierenden Taten und Bildern des Hamas-Terrors zeigt und in der Freude darüber, oder ob er die Verantwortung für diesen Exzess bei den Opfern sucht. Aktivsein gegen Antisemitismus heißt auch, darauf zu bestehen, dass auch die, denen die Anliegen und die Rechte des palästinensischen Volkes wichtig sind, die Menschenrechte auch für Israelis ohne Einschränkung anerkennen.
Jochen Maurer ist Beauftragter für den christlich-jüdischen Dialog der Evangelischen Landeskirchen in Württemberg und BadenBild: Gottfried Stoppel
9. November ist kirchlicher Gedenktag
Der 9. November 2023 hat aber auch eine kirchliche Seite – seit 2008 ist die Erinnerung an die Nacht des Pogroms 1938 Inhalt eines kirchlichen Gedenktags in Württemberg. Warum ist das wichtig? Die kritische Selbstprüfung – im christlichen Glauben nennen wir das Buße – gehört zum Kern biblischer und christlicher Existenz. „Wo ist dein Bruder Abel?“ – diese Frage Gottes an Kain, der seinen Bruder erschlagen hat, befragt alle Menschen, die am Leben ihrer Brüder oder Schwestern schuldig geworden sind.
Wie erklärt man sich das schweigende Zu- und Wegsehen?
Eine doppelte Frage wird hörbar, wenn wir des 9. November 1938 gedenken: Waren die Täter, die Torarollen schändeten, Synagogen in Brand setzten und die jüdischen Mitmenschen quälten und töteten, nicht auch Christen? Und, noch bedrängender: Wie erklärt man sich das schweigende Zu- und Wegsehen der vielen Umstehenden – die doch wahrscheinlich getauft, gefirmt oder konfirmiert waren? „Soll ich meines Bruders Hüter sein?“ Das ist die Gegenfrage Kains an Gott, die keine Reue erkennen lässt.
Viele Menschen hierzulande mögen diese Fragen nicht (mehr) stellen. Sie wollen damit in Ruhe gelassen werden – das ist aber in meinen Augen unmöglich. Wie aktuell der 9. November – kirchlicher Gedenktag an den Novemberpogrom – 2023 ist, dazu möchte ich zum Schluss eine Beobachtung des Publizisten und Pädagogen Meron Mendel stellen.
Unwillkürlicher Reflex?
Beim Kinderarzt wurde der Kniesehnenreflex seines Kindes getestet: Ein solcher Reflex zeichnet sich dadurch aus, dass er unwillkürlich ausgelöst wird. „Je suis Charlie“ – ein solcher unwillkürlicher, weil menschlicher Reflex der Öffentlichkeit war diese Parole, die im Januar 2015 nach dem Mordanschlag auf die Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo Mitgefühl und Identifikation ausdrückte. Und nach den gräulichen Verbrechen der Hamas, unter dem Eindruck ihrer medialen Verbreitung, angesichts von 240 Verschleppten – …
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