| Landeskirche

Spezialtalar und Sonderbehandlung

Heide Kast – die erste Pfarrerin Baden-Württembergs mit eigenem Pfarrbezirk

Seit dem Beschluss der württembergischen Landessynode am 15. November 1968 ist es Frauen in Württemberg erlaubt, als Pfarrerinnen eine Gemeinde zu leiten. Doch auch nach der Einführung der Frauenordination gab es Unterschiede zwischen den Geschlechtern, weiß die erste Pfarrerin, Heide Kast. 

Heide KastEPD/Kubitschek

Es ist im Jahr 1956. Die Stuttgarter Abiturientin Heide Kast hat einen Termin beim Oberkirchenrat der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Sie will es genau wissen: Wenn Sie sich für ein Theologiestudium entscheidet, kann sie dann danach auch als Gemeindepfarrerin arbeiten?

Schon seit 1904 war es Frauen erlaubt, Theologie zu studieren, erinnert sich Kast. „Meine Mutter, 1914 geboren, hatte bei der ersten Theologin mit Examen in Württemberg im Katharinenstift in Stuttgart Religionsunterricht“.

Doch bis 1970 konnten Theologinnen nur als staatliche Religionslehrerinnen, Krankenhausseelsorgerinnen sowie in der Frauen- und Mädchenarbeit angestellt werden. Darauf hatte die Abiturientin allerdings keine Lust. Sie wollte eine Gemeinde leiten mit allen Aufgaben, die damit verbunden sind.

Die Kirchenleitung versprach ihr damals, dass die Frauenordination beschlossene Sache ist, bis sie mit dem Studium fertig ist. „Im Übrigen lag so etwas in der Luft, die Frauen kämpften auch auf anderen Ebenen um ihre Rechte“. Also nahm Kast ihr Theologiestudium auf und studierte auch zwei Semester in Berlin, das damals kurz vor dem Mauerbau stand. In Ostberlin erlebte sie, dass wegen des Pfarrermangels Frauen dort schon längst als gleichberechtigte Gemeindepfarrerinnen arbeiteten.

Doch der Südwesten braucht länger: Als die Vikarin 1962 nach Aalen kommt, gibt es noch immer keine Frauenordination. In ihrem Vikariat wird sie mit den typischen „Frauenaufgaben“ betraut, macht vor allem Religionsunterricht und Mädchenarbeit, auf die Kanzel in der Stadtkirche darf sie nicht: „Drei weitere Pfarrer wollten dort gerne predigen, da war ich überflüssig“, erinnert sich die 80-Jährige, die heute in Ostfildern im Landkreis Esslingen wohnt.

Anschließend arbeitet sie als Vikarin und später als Pfarrvikarin in Besigheim (Landkreis Ludwigsburg), wo sie regelmäßig predigen darf und die Gemeindearbeit kennen lernt. Am 15. November 1968 stimmt die württembergische Landessynode mit breiter Mehrheit für die Frauenordination; das Kirchenparlament der Evangelischen Landeskirche in Baden geht diesen Schritt drei Jahre später.


In der Landeskirche ist die erste Gemeindepfarrerin Württembergs inzwischen längst nicht mehr die einzige Frau: Derzeit gibt es 2.039 Pfarrer, 725 von ihnen sind weiblich. Auch in der Badischen Landeskirche sind etwa ein Drittel der Pfarrer Frauen.


Theologinnen können nun ordiniert werden, im Gemeindepfarramt tätig sein und die Amtsbezeichnung „Pfarrerin“ tragen. Nachdem die Gesetzesänderung beschlossen war, bot die Kirchenleitung Kast eine Stelle in der Ludwigsburger Auferstehungskirche an. Doch die Theologin setzte mit Unterstützung ihres damaligen Dekans durch, dass sie sich wie ihre männlichen Kollegen regulär auf diese Stelle bewerben kann, statt sie unter der Hand „zugeschoben“ zu bekommen.

1970 wurde sie als erste Pfarrerin in Baden-Württemberg in der Auferstehungsgemeinde Ludwigsburg in ihr Amt eingesetzt. Die Gottesdienstbesucher gewöhnten sich rasch an eine Frau im Talar. „Es gab keine Anfeindungen.“ Nur einen Vorfall erlebte Kast: Die Witwe eines Oberfeldwebels wollte nicht, dass eine Frau die Beerdigung ihres Mannes übernehmen sollte.

Trotz der Gleichstellung gab es immer noch Unterschiede: Frauen durften auf ihren Talar keine Beffchen tragen, sondern hatten „Krägele“, sagt Kast und zeigt als Beweis amüsiert den Zeitungsartikel ihrer Investitur. Bis 1977 konnte eine Eheschließung und vor allem das Kinderkriegen als „Beeinträchtigung des Dienstes“ gesehen werden und zu seiner Beendigung führen.

1978 wechselte sie als geschäftsführende Pfarrerin in die Gemeinde Wolfbusch in Stuttgart-Weilimdorf und arbeitete anschließend ab 1991 bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 2001 in Stuttgart-Wangen, wo sie auch die Renovierung der Michaelskirche begleitete. In ihrem Ruhestand ist Heide Kast noch immer aktiv, predigt ab und zu, leitet einen Kreis „Bibel im Gespräch“ und engagiert sich unter anderem im Kreisseniorenrat Esslingen sowie im Bezirksarbeitskreis Senior des Kirchenbezirks.

In der Landeskirche ist die erste Gemeindepfarrerin Württembergs inzwischen längst nicht mehr die einzige Frau: Derzeit gibt es 2.039 Pfarrer, 725 von ihnen sind weiblich. Auch in der Badischen Landeskirche sind etwa ein Drittel der Pfarrer Frauen.

Sieht Heide Kast sich als Pionierin, als Vorkämpferin der Frauen? Die 80-Jährige schüttelt energisch ihren Kopf. Aber sie sei froh, dass sie tatsächlich in ihrem Wunschberuf arbeiten konnte. Und natürlich habe sie die Verantwortung gespürt, die auf ihr als der ersten Gemeindepfarrerin lag. „Schließlich wollte ich meine Innung nicht blamieren.“ 

Quelle: Evangelischer Pressedienst (epd)


Geschichtliche Einordnung

Die Frauenordination wird erstmals mit der Theologinnenordnung vom 15. November 1968 geregelt. Dort wird in § 3 definiert: Die Theologinnen im ständigen Dienst führen die Amtsbezeichnung Pfarrerin. Mit der neuen Ordnung von 1968 waren somit alle Pfarrvikarinnen im ständigen Pfarrdienst berechtigt die Amtsbezeichnung „Pfarrerin“ zu tragen.

Aus den Akten des landeskirchlichen Archivs wird nicht ersichtlich, ab wann eine Pfarrerin in der Gemeinde mit den gleichen Rechten und Pflichten wie ein Mann eingesetzt war. „Deutlich hingegen wird aber, dass es trotz gleichlautender Ernennungsformel immer auch auf die Situation und den Willen vor Ort ankam“, erklärt Michael Bing vom landeskirchlichen Archiv. „Da es kein zentrales Ordinationsregister gibt, ist es schwierig, Ordination, ständigen Pfarrdienst und Ernennung auf eine Gemeindepfarrstelle in ein lineares Verhältnis zueinander zu setzen.“

1969, ein Jahr nach der Theologinnenordnung, waren noch immer keine Theologinnen auf eine eigene Pfarrstelle ernannt, das dauerte bis 1970. Von den 31 im Dienste stehenden Pfarrerinnen hatten nun fünf ein Gemeindepfarramt: Heide Kast (Ludwigsburg), Gertrud Schenk (Heidenheim), Margarete Schmid (Bavendorf/Ravensburg), Elisabeth Schmitthenner (Ditzingen) und Hildegard Riethmüller (Böblingen). Zwei Theologinnen haben in diesem Jahr ein Krankenhauspfarramt übernommen: Elfriede Rappold und Lenore Volz.

Heide Kast war den Akten zufolge die erste Pfarrerin mit eigenem Pfarrbezirk mit allen Rechten und Pflichten.


Mehr News

  • Datum: 22.04.2024

    Innovationstag: Jetzt anmelden!

    Frische Ideen fürs Gemeindeleben: Unter dem Motto „#gemeindebegeistert – Kirche lebt, wo dein Herz schlägt“ veranstaltet die Landeskirche am 4. Mai einen großen Innovationstag. In Projektpräsentationen und Workshops gibt’s Austausch und Tipps. Jetzt anmelden

    Mehr erfahren
  • Datum: 22.04.2024

    KI in der Gemeindearbeit einsetzen

    Was ist Künstliche Intelligenz und was ist damit anzufangen? Eignet sich KI auch für die Gemeindearbeit und wo konkret kann sie dort zielgerichtet angewendet werden? Mit diesen Fragen befasst sich am 16. Mai ein Online-Seminar des Evangelischen Medienhauses.

    Mehr erfahren
  • Datum: 19.04.2024

    „Konfirmanden ist Glaube wichtiger als Geschenke“

    Frontalunterricht gibt es kaum noch im Konfi-Unterricht, sagt Prof. Dr. Wolfgang Ilg von der Evangelischen Hochschule in Ludwigsburg im Interview. Die Konfi-Arbeit sei nach wie vor das Angebot mit der größten Reichweite in der Evangelischen Kirche.

    Mehr erfahren
  • Datum: 18.04.2024

    „Kirche mit Kindern“ ist einfach lebendig

    Vom Kindergottesdienst zu einer Kirche für die ganze Familie: Lebendiger und spannender Gottesdienst mit neuen Herausforderungen. Wir haben Sabine Foth gefragt, wie sich die Kirche mit Kindern zu einer Familienkirche gewandelt hat und was ihr an der Arbeit besonders gefällt.

    Mehr erfahren
  • Datum: 18.04.2024

    Video: Multitalent mit Down-Syndrom

    Tamara Röske hat viele Talente: Schauspielern, Modeln und Leichtathletik – trotz Handicap. Die 28-Jährige hat das Down-Syndrom. Wie bringt sie alles unter einen Hut? Darüber spricht sie zusammen mit ihrer Mutter Antje mit „Alpha & Omega“-Moderatorin Heidrun Lieb.

    Mehr erfahren
  • Datum: 17.04.2024

    „Der Segen Gottes gilt uns allen“

    Mit einem Gottesdienst in der Klosterkirche Mariaberg bei Gammertingen hat am 13. April die ökumenische Woche für das Leben begonnen. Sie stellt unter dem Motto die Lebenswirklichkeiten Jugendlicher und junger Erwachsener mit Behinderungen in den Mittelpunkt.

    Mehr erfahren
  • Datum: 16.04.2024

    Segen, Mut & Traubenzucker

    In diesen Wochen stehen an vielen Schulen Abschlussprüfungen an - für Schülerinnen und Schüler eine stressige Zeit. Die Ev. Jugendkirche Stuttgart macht mit einem speziellen PrüfungsSegen Mut und stellt auch anderen Gemeinden Materialien zur Verfügung.

    Mehr erfahren
  • Datum: 16.04.2024

    Digitaler Notfallkoffer für die Seele

    Hilfe in persönlichen Krisenmomenten bietet die KrisenKompass-App der Telefonseelsorge fürs Handy und Tablet. Sie bietet Unterstützung, um schnell wieder auf positive Gedanken zu kommen oder bei Bedarf rasch professionelle Hilfe finden zu können.

    Mehr erfahren
  • Datum: 16.04.2024

    Zum 200. Todestag von Beata Regina Hahn

    Vor 200 Jahren starb Beata Regina Hahn, die zweite Ehefrau des Mechanikerpfarrers Philipp Matthäus Hahn, Tochter von Johann Friedrich Flattich und Mutter der Schulgründerin Beate Paulus. Als Herausgeberin von Hahns Schriften prägte sie dessen Bild für viele Jahre.

    Mehr erfahren
  • Datum: 15.04.2024

    „Wir beten, dass die zerstörende Gewalt ein Ende nimmt“

    Die Landeskirchen in Württemberg und Baden haben den Jüdinnen und Juden im Land Grüße zum Pessach-Fest übersandt. Darin nehmen Landesbischof Gohl und Landesbischöfin Springhart Bezug auf den Angriff der Hamas wie auch auf den Raketenangriff des Iran auf Israel.

    Mehr erfahren
  • Datum: 15.04.2024

    Hoffnung wird durch Menschen vermittelt

    Bei einer religionspolitischen Tagung der SPD-Bundestagsfraktion am 12. April in Berlin unter dem Titel „Mehr Zuversicht! Mit Hoffnung die Zeiten wenden“ betonte Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl, wer die Verwurzelung in Jesus Christus spüre, werde für andere zur Hoffnung.

    Mehr erfahren
  • Datum: 13.04.2024

    Landesbischof Gohl: "Wir stehen an der Seite Israels"

    "Der Angriff des Iran bedroht die Existenz Israels. Wir müssen daran erinnern, dass alles mit dem Pogrom der Hamas an Israel begann." Gohl weist weiterhin auf die israelischen Geiseln in der Gewalt der Hamas hin.

    Mehr erfahren
Mehr laden