| Landeskirche

Vom Nebeneinander zum Miteinander

Landesbischof July zum Bußgottesdienst in Biberach

Gespräch mit Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July über „Heilendes Erinnern“, den ökumenischen Bußgottesdienst am Sonntag, 12. März, in Biberach an der Riß gemeinsam mit dem römisch-katholischen Bischof Dr. Gebhard Fürst sowie eine Zwischenbilanz der ersten Monate des Reformationsjubiläumsjahres.

Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July (rechts) zusammen mit Dr. Gebard Fürst, Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart.

Herr Landesbischof, was steckt hinter „Healing of Memories“?
Die Erfahrung: Wenn bedrückende geschichtliche Schulderfahrungen nie aufgearbeitet werden, nie ausgesprochen werden, gehen sie immer untergründig weiter und verbauen auch Perspektiven in die Zukunft. Mit „Healing of Memories“ ist gemeint, dass wir in diesem Gottesdienst in Biberach solche Stolpersteine, die hinter uns liegen – manche liegen auch noch vor uns – ansprechen, aussprechen, uns um Vergebung bitten. Und dadurch auch den ökumenischen Weg zu verbreitern, zu verbessern suchen. Um deutlich zu machen, dass wir 500 Jahre nach der Reformation gemeinsam Christus bekennen können. Und das ist schon sehr viel!

Diesen Bußgottesdienst gibt es EKD-weit in vielen Kirchengemeinden. In Biberach ist der zentrale für die Württembergische Landeskirche. Gibt es spezielle „württembergische“ Dinge, die geheilt werden müssen?
Wir können mit Biberach selber anfangen: Biberach war eine Stadt der Parität, in der also beide Konfessionen nebeneinander lebten. Tatsächlich mehr nebeneinander als miteinander. Trotz der schon in der Vergangenheit gemeinsam genutzten Kirche gab es immer wieder Auseinandersetzungen, weil man so nah beieinander lebte. Biberach ist also ein hervorragender Ort um zu zeigen, dass es von einem Nebeneinander zu einem Miteinander gehen muss – und kann. Natürlich gab es das auch in Württemberg, dass beide Seiten miteinander intolerant umgegangen sind. Katholiken wurden aus evangelischen Gebieten herausgetrieben und umgekehrt. So hat es in der Freiheitsgeschichte der Reformation – die ich unterstreichen möchte  – doch aber gleichzeitig auch Erfahrungen von Auseinandersetzungen, Spaltungen, Hass und Gewalt gegeben.

Auf evangelischer Seite wird meist von Reformationsjubiläum gesprochen, andere bevorzugen Reformationsgedenken. Ist dieser Bußgottesdienst jetzt der Gedenkpart im Unterschied zu Jubiläumsveranstaltungen an anderer Stelle?
Das Jubiläum der evangelischen Kirchen ist so reif, dass auch das Gedenken dazugehört. Man kann sich an der Reformation freuen und wird dadurch befähigt, auch das Schwierige anzusprechen. Ganz im Sinne unserer Losung „…da ist Freiheit“  sage ich an diesem Punkt: Ja, wir haben die Freiheit, Schuld anzuerkennen, uns einander diese Schuld aussprechen zu lassen, zu vergeben.

Die Medienaufmerksamkeit ist sehr stark. Reformation, Freiheit, Martin Luther, Kirchentrennung, Kircheneinigung - das sind wieder Themen auch der deutschen Zivilgesellschaft. Und das finde ich sehr bemerkenswert!

Landesbischof July

2018 gibt es das Jubiläum 50 Jahre Frauenordination in der Württembergischen Landeskirche. Derzeit sieht es nicht so aus, dass es in diesem Punkt bei der römisch-katholischen Kirche zu Veränderungen kommt. Gemeinsame Eucharistie- oder Abendmahlsfeiern scheinen auch in weiter Ferne. Befördert das Reformationsjubiläum die Ökumene?
Es gehört dazu, dass man einen realistischen Blick erhält. Wir dürfen nicht unterschätzen, dass der Papst in Lund öffentlich anerkannt hat, was Martin Luther theologisch wollte. Man hat prominent auf EKD- und Bischofskonferenz-Ebene gesagt: Wir wollen uns selbst verpflichten, weitere Schritte zu gehen, die in dem Papier „Erinnerung heilen – Jesus Christus bezeugen“ ausgesprochen sind. Ich räume ein: Gegenwärtig ist die Frage der Frauenordination in der römisch-katholischen Kirche in sehr weiter Ferne - obwohl es da auch Vorstöße gibt. In der Frage des Amtes und der gemeinsamen Eucharistie haben wir auch noch Stolpersteine - aber auch da sehe ich einzelne Lichtstrahlen. Mit dieser Versöhnung, mit diesem gemeinsamen Bußgottesdienst haben wir eine weitere Tür aufgemacht und eine neue, weitere Straße zu gehen. Aber das alles bedeutet noch nicht die versöhnte Verschiedenheit in der letzten Vollendung…

Wie schätzen Sie die ersten Monate des Reformationsjubiläumsjahres ein - was ist Ihre Zwischenbilanz?
Vieles ist besser gelungen als manche Kritiker am Anfang vermutet oder geraunt haben. Ich denke an Veranstaltungen wie „Baden-Württemberg liest Luther“, in denen die Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ gemeinsam gelesen werden. Ich fand das bei der Auftaktveranstaltung in positiver Weise sehr aufregend: wie eine nicht-christliche Parlamentspräsidenten – Frau Aras – sich mit Luther auseinandergesetzt hat. Ich habe das Pop-Oratorium vor Augen, bei dem in der zweimal ausverkauften Porsche-Arena Menschen sich mit der Geschichte Martin Luthers und der Reformation auseinandergesetzt haben. Und ich meine, dass die Begegnungen zwischen evangelischen und katholischen Christen sich wunderbar geweitet haben. Die Medienaufmerksamkeit ist sehr stark. Reformation, Freiheit, Martin Luther, Kirchentrennung, Kircheneinigung - das sind wieder Themen auch der deutschen Zivilgesellschaft. Und das finde ich sehr bemerkenswert!


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