Ursula Kress bei ihrem Bericht.
Ursula Kress, die Beauftragte für Chancengleichheit, stellte den Bericht des Büros für Chancengleichheit der Evangelischen Landeskirche vor.
Chancengleichheit betreffe - entsprechend der Kriterien des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes - sehr unterschiedliche Faktoren wie Geschlecht, sexuelle Identität, Alter, Behinderung, Migration und Religion und sei daher eine "Querschnittsaufgabe". Ein Schwerpunkt liege in der Evangelischen Landeskirche auf der Intervention, Aufarbeitung, den Hilfen und Anerkennungsleistungen. Die Einrichtung einer Meldestelle für sexualisierte Gewalt mit 25 Prozent Auftrag, die auf zwei Jahre befristet ist, sei für den Sommer geplant. Die Meldestelle müsse bereits innerhalb von 24 Stunden tätig werden, wenn ein Fall gemeldet werde.
Kress ist seit 2000 Frauenbeauftragte und seit 2007 Beauftragte für Chancengleichheit. Seit 2014 ist das Büro für Chancengleichheit auch Anlaufstelle für sexualisierte Gewalt in der Landeskirche und für Intervention, Hilfen und Aufarbeitung zuständig. Im Bereich Prävention und Anlaufstelle gebe es derzeit drei befristete Teilzeitstellen, was für die Kontinuität und Planbarkeit der Arbeit nicht einfach sei und seiner aktuellen Bedeutung nicht entspreche.
Präventionskonzepte auf den unterschiedlichen kirchlichen Ebenen
Das Büro für Chancengleichheit führe Schulungen durch, was Prävention vor sexualisierter Gewalt angehe. Da Prävention in der Kirche auf unterschiedlichen Ebenen vorgeschrieben sei, nehme die Nachfrage danach ständig zu. Alle Dekaninnen und Dekane würden bereits erfolgreich geschult, für neuberufene Dekaninnen und Dekane sei ein jährlicher Schulungstag implementiert worden. Alle Verwaltungsstellenleitenden sollten ebenfalls eine Schulung erhalten. Für Ausbildungen Verantwortliche sollten Prävention und Intervention bei sexualisierter Gewalt in Ausbildungspläne aufnehmen. Für das Schulungskonzept "hinschauen-helfen-handeln" sollten für die Implementierung vor Ort in zwei Kursen im Jahr 2023 Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ausgebildet werden. Gemeinden sollten zudem über das Programm "AHAS" rückmelden, wie dort der Stand der Schutzkonzepte sei.
Alle neuen Mitarbeitenden müssten eine Selbstverpflichtungserklärung abgeben. Die Broschüre "Bewerbungsverfahren achtsam gestalten" sei überarbeitet worden.
Erstes Betroffenenforum
Am 2. April 2022 habe das erste Betroffenenforum im Hospitalhof stattgefunden. Dort hätten die Leitungen des Diakonischen Werks Württemberg und der Landeskirche Scham und Betroffenheit zum Ausdruck gebracht. Von circa 145 eingeladenen Personen hätten 48 teilgenommen. Der Dialog mit den Betroffenen solle fortgesetzt werden.
Paritätische Zusammensetzung in Leitungspositionen
2013 habe die Synode beschlossen, eine freiwillige Quote einzuführen. Das Büro für Chancengleichheit führe seitdem Statistiken über Frauen in Leitungspositionen. Entscheidungsträger, Wahlgremien und Leitungsgremien sollten, so der Auftrag der Synode, sensibilisiert und geschult werden. Das sei in Teilen gelungen. Ein Vergleich der Zahlen von 2018 und 2022 in Bezug auf den Frauenanteil in den Führungsgremien der Landeskirche habe eine teils beachtliche Steigerung des Frauenanteils in vielen Leitungsgremien ergeben. Insgesamt sei der Frauenanteil gewachsen.
Aussprache
"Der Bericht ist eine ausgezeichnete Grundlage für unsere Arbeit", sagte Annette Sawade (Schwäbisch Hall), Vorsitzende des Beirats für Chancengleichheit. Vieles sei erreicht, aber es gebe auch noch viel zu tun. Für den Umgang mit Betroffenen sexueller Gewalt benötige es Kontinuität bei der Stellenplanung. Auch Präventionsarbeit sei wichtig und eine "Daueraufgabe". Positiv zu vermerken sei, dass der Frauenanteil in der Kirche gestiegen sei. "Leider sank er in der Synode um fast sechs Prozent." Wichtig sei die AG Diversity, die daran arbeite, Chancengleichheit auf alle Bereiche auszudehnen. Die Stabsstelle für Chancengleichheit sei nicht nur für Frauen wichtig, sondern für alle, die diskriminiert und benachteiligt würden.
Es sei gut, dass der Umgang mit sexualisierter Gewalt zunehmend auf den Leitungsebenen implementiert werde, sagte Marion Blessing (Holzgerlingen). Wichtig sei, dass viele Menschen für sexualisierte Gewalt sensibilisiert würden. Prävention und Intervention müssten zum Standard werden. Auf Dauer benötige es jedoch weitere Stellen. Zudem müsse die Abgabe einer Selbstverpflichtungserklärung für alle kirchlichen Mitarbeitenden zum Standard werden. "Ich wünsche mir noch mehr Frauen in Leitungsaufgaben in Beruf und Ehrenamt", sagte Blessing. Es brauche neben der freiwilligen Quote gute Rahmenbedingungen für Frauen. Sie sei zwar dankbar, dass sich in der Synode junge Mütter und Väter engagieren würden - doch wie könnte mehr Personen in diesem Alter eine synodale Tätigkeit ermöglicht werden? Auch hier sei Chancengleichheit wichtig.
Anja Faißt (Friedrichshafen) berichtete, dass es zwar eine finanzielle Unterstützung für die Kinderbetreuung für Synodale gebe, dass sie ihr Kind aber nicht während einer Ausschusssitzung etwa in eine Kita nach Stuttgart bringen könne. "Ich konnte an keiner Ausschusssitzung teilnehmen, weil mir eine Kinderbetreuung gefehlt hat." Das Ehrenamt sei schwer mit familiären Aufgaben vereinbar.
Christiane Mörk (Brackenheim) zeigte sich froh darüber, dass der Frauenanteil neun Jahre nach Einführung der freiwilligen Quote beachtlich gestiegen sei. "Aber vor allem auf der Leitungsebene geht noch etwas." In die Synode seien zudem zwar viele Frauen gewählt wurden, doch nur wenige hätten kandidiert. Gendergerechte Sprache werde an vielen Stellen zum Standard. Sie erklärte, in der Kirche herrsche ein "typisches Rollenverständnis". Mit den Erkenntnissen und offenen Fragen aus dem Bericht werde sich bald der theologische Ausschuss beschäftigen.
Die Selbstverpflichtung der Synode habe Wirkung gezeigt, sagte auch Andrea Bleher (Untermünkheim). Das freue sie besonders, da sie Gegnerin der Quote gewesen sei.
Wie können Pfarrerinnen Erfahrungen bei der Geschäftsführung von Pfarrstellen sammeln, frage sie sich. Es müsse möglich sein, verschiedene Lebensentwürfe mit Pfarrstellen zu vereinen. Das würde auch für Männer immer mehr zum Thema, da heute die Mehrheit der Frauen berufstätig sei. Frauenförderung sei auch immer Familienförderung, betonte Bleher. Sie unterstütze die beruflichen Förderprogramme für Frauen und Männer sehr.
Dr. Hans-Ulrich Probst (Tübingen) betont die Bereiche Homo- und Transfeindlichkeit, bei denen es in der Kirche noch Nachholbedarf gebe: "Wir müssen anerkennen, dass uns das Thema angeht."