23.12.2025

Gemeinsam für Frieden und Verständigung einstehen

Festakt anlässlich von Chanukka und des 4. Advents 

Die beiden Israelitischen Religionsgemeinschaften, die vier großen christlichen Kirchen und die Stadt Pforzheim haben am 20. Dezember 2025, dem 30. Kislew des jüdischen Kalenders, nach Schabbatende zu einem gemeinsamen Festakt eingeladen. Unter dem Motto „Dein Wort ist eine Leuchte meinen Füßen und ein Licht auf meinem Weg“ (Ps 119,105) stand im Rahmen des Advents und von Chanukka die ezidische Gemeinschaft im Mittelpunkt, die am 19. Dezember ihr Fest Îda-Êzî gefeiert hat. Das Ezidentum ist eine monotheistische Glaubensgemeinschaft, die ihren Ursprung in Nordsyrien, Nordirak und der südöstlichen Türkei hat. Die Feier stand sechs Tage nach dem antisemitischen Terrorangriff in Sydney auch im Zeichen des Gedenkens an die Opfer.

Festakt in Pforzheim nach Schabbatende und am 4. Advent. Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl hob die Bedeutung des gemeinsamen Einsatzes gegen Antisemitismus durch die Zivilgesellschaft, die Kirchen und Gewerkschaften hervor
Festakt in Pforzheim nach Schabbatende und am 4. Advent. Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl hob die Bedeutung des gemeinsamen Einsatzes gegen Antisemitismus durch die Zivilgesellschaft, die Kirchen und Gewerkschaften hervor

Landtagspräsidentin Muhterem Arras wies in ihrem Grußwort deshalb die Bedeutung dieses interreligiösen Miteinanders und der klaren Ablehnung antisemitischer Diskriminierung und Gewalt hin: „Unabhängig der Glaubensrichtung wünschen sich Menschen ein Leben und eine Zukunft in Sicherheit, Wärme und Geborgenheit. Dafür müssen wir weiter im Dialog bleiben: Jede und jeder von uns kann sich jeden Tag aufs Neue dazu entscheiden, den gesellschaftlichen Raum zu erhellen - niemals dürfen wir zulassen, dass Hass, Hetze und Spaltung das Licht der Hoffnung zum Erlöschen bringen.“ Für die Israelitischen Religionsgemeinschaft in Württemberg und in Baden waren Professorin Barbara Traub, Rami Suliman sowie Landesrabbiner Moshe Flomenmann beteiligt. Barbara Traub hob hervor, wie wichtig für die jüdische Gemeinschaft ein geschlossenes Zeichen gegen den wachsenden Antisemitismus sei: „Unsere jüdischen Feste sind einerseits religiöse Feiern, aber sie sind stets auch Anlass für geselliges Zusammenkommen und die Erneuerung unseres Miteinanders. Dieses Gemeinschaftsgefühl war stets ein bedeutender Faktor, um unsere jüdische Identität auch in schweren Zeiten zu bewahren. Indem wir heute Abend feierlich zusammenkommen, setzen wir nicht nur ein gemeinsames Zeichen gegen Antisemitismus, Hass und Hetze, sondern dürfen aus dem Gefühl der Gemeinschaft auch Zuversicht und Hoffnung schöpfen.“ 

Moshe Flomenmann legte Wert darauf, dass man zwar gemeinsam feiere, dies aber nicht gleichbedeutend sei mit einer Gleichsetzung der religiösen Inhalte: „Wir begehen heute zwei Feste mit unterschiedlichem Ursprung, Chanukka und den Advent. Was uns dabei verbindet, sind gemeinsame Werte: Respekt, Verantwortung füreinander und der Einsatz für ein friedliches Zusammenleben. Das Licht, das wir heute entzünden, steht für diese gemeinsame Haltung – gegen Antisemitismus, Ausgrenzung und Hass.“ Wenngleich Juden und Christen verschiedene Anlässe feiern, bleiben sie durch die jeweiligen Grundsätze dem Ziel verpflichtet und verbunden, gemeinsam für ein friedvolles und gerechtes Zusammenleben einzutreten. Rami Suliman ergänzte: „Wir lassen uns nicht unterkriegen, auch nicht durch antisemitische Mordanschläge wie vor einer Woche in Bondi Beach. Wir trauern, aber wir führen auch unsere Feste durch. Unverändert, ohne Angst. Seit dem Festakt im Jahr 2022 ist der freundschaftliche Kontakt über den Dialog hinaus zu einem gemeinsamen Tun geworden. Wir setzen die Gemeinsamkeit verstärkt in Erlebnisse und Veranstaltungen um.“ 

Die Bedeutung der von Juden und Christen geteilten Überzeugung, miteinander und füreinander in die Gesellschaft hinein zu wirken, wurde durch das gemeinsame Lichtzünden von Landesrabbiner Flomenmann, Landesbischöfin Prof. Heike Springhart und Erzbischof Stephan Burger für den badischen Landesteil sowie von Prof. Traub, Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl und Bischof Dr. Klaus Krämer für den württembergischen Landesteil deutlich. In ökumenischer Einigkeit stellten Landesbischöfin Springhart und Erzbischof Burger fest: „Deshalb stehen wir heute Seite an Seite und zünden die Chanukkia: Als Zeichen und Vorbild für unsere Gesellschaft, zusammenzufinden statt zu spalten, Grenzen zu überwinden statt neue zu begründen.“ Angesichts der wachsenden antisemitischen Gefahr für jüdisches Leben, die sich in Sydney erneut Bahn gebrochen hatte, bekräftigte Bischof Krämer, dass christliche Lehre und christliches Leben nicht mit antisemitischem Denken vereinbar sei: „Die gemeinsame Feier heute ist Ausdruck dessen, dass wir, Juden und Christen, Jesiden und Muslime, uns für dieses Miteinander einsetzen. Wir stehen entschieden dafür ein, dass wir solch einen Terroranschlag wie den in Sydney niemals akzeptieren werden.“ Landesbischof Gohl hob die Bedeutung des gemeinsamen Einsatzes gegen Antisemitismus durch die Zivilgesellschaft, die Kirchen und Gewerkschaften hervor: „Wir müssen jetzt alle – religiös oder nicht - an der Seite der jüdischen Gemeinschaft stehen, um in einem breiten Bündnis Antisemitismus und jede Form von Diskriminierung in die Schranken zu weisen.“

Für die Stadt Pforzheim zündete der Oberbürgermeister der Stadt, Peter Boch, eine Kerze an und stellte die interreligiöse Gemeinschaft und Bedeutung des Rats der Religionen für das Zusammenleben in Pforzheim heraus: „Pforzheim zeigt, dass Vielfalt verbinden kann. Wenn Menschen unterschiedlicher Religionen einander mit Respekt begegnen, entsteht Vertrauen – das verkörpert der Rat der Religionen in unserer Stadt. Er baut Brücken und setzt ein klares Zeichen gegen Ausgrenzung, Antisemitismus und religiösen Hass. Wie wichtig und wertvoll der interreligiöse Dialog für den Zusammenhalt ist, zeigt uns auf tragische Weise der grausame Anschlag auf das Chanukka-Fest in Bondi Beach. In Gedanken sind wir bei der jüdischen Gemeinde in Sydney und bei allen Betroffenen dieses barbarischen Anschlags - bei den Menschen, die getötet und verletzt wurden, sowie ihren Verwandten, Freunden und Hinterbliebenen.“ Außerdem entzündeten auch Vertreterinnen und Vertreter der ezidischen Gemeinschaft eine Kerze. Ezidinnen und Eziden sehen sich in Deutschland, wie die jüdische Gemeinschaft, einem steigenden Druck ausgesetzt und sind in ihrer Heimat noch immer von Verfolgung bedroht. Vom Festakt soll nicht zuletzt ein Zeichen an die Politik ausgehen, die ezidische Gemeinschaft stärker zu unterstützen. 

Am Ende des formellen Teils stand der Austausch zwischen den verschiedenen Religionen, Konfessionen und Kulturen im Mittelpunkt. So möchte dieser Festakt nicht nur die guten Beziehungen zwischen den beiden Israelitischen Religionsgemeinschaften und den vier großen christlichen Kirchen aufzeigen, sondern zum Nachahmen aufrufen: Füreinander einzustehen, miteinander zu diskutieren und zu feiern ist etwas, das in vielen Städten Baden-Württembergs möglich und angesichts vieler Absagen interreligiöser Feiern dringender denn je nötig wäre, um die in der Gesellschaft herrschenden Polarisierungen, vor allem Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit, zu überwinden.

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