Zum zweiten Mal jährt sich am 7. Oktober der Überfall der Hamas auf Israel. Das Leid, dass die Menschen dort seither auf beiden Seiten erleben, macht fassungslos. Pfarrer Uwe Gräbe, Verbindungsreferent Nahost bei der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS) und ehemaliger Propst der evangelischen Erlösergemeinde in Jerusalem, hat dieses Entsetzen in ein Gebet gefasst.
Gnädiger, erbarmender, mitleidender Gott,
wir sind entsetzt und verstört angesichts von Tod, Leid und Hunger,
angesichts leiblicher und seelischer Verstümmelungen,
angesichts der verlorenen Kindheit so vieler junger Menschen im Gazastreifen,
angesichts von so viel Hass, von Vertreibungs- und Vernichtungsphantasien.
Das Elend der israelischen Geiseln irgendwo in der Trümmerwüste geht uns unter die Haut.
Die tiefen Traumata von Israelis und Palästinensern seit dem 7. Oktober 2023 lassen uns nicht kalt.
Wir wollen, dass das aufhört.
Und fühlen uns zugleich so machtlos.
Darum bringen wir sie vor dich: die Opfer sexualisierter Gewalt, die Verwundeten, die, die um Angehörige bangen und um Ermordete trauern.
Die Menschen, die nur in Dörfern im Süden Israels leben oder nur ein Festival besuchen wollten.
Vor dich bringen wir die, die erschöpft und verzweifelt in Gaza von Flucht zu Flucht getrieben werden und nicht zur Ruhe kommen können.
Vor dich bringen wir die, die humanitäre Hilfe leisten und in Gaza die letzten Reste des Gesundheitssystems in Betrieb halten.
Vor dich bringen wir unsere Geschwister, die verzweifelt Schutz suchen: an der griechisch-orthodoxen St. Porphyrios-Kirche,
der katholischen Kirche zur Heiligen Familie und dem anglikanischen Ahli Arab Hospital in Gaza.
Herr, erbarme dich!
Vor dich bringen wir unsere jüdischen Geschwister in Deutschland und in der ganzen Welt, die in diesen Tagen das Laubhüttenfest feiern,
an die 40 Jahre des Volkes Israel in der Wüste denken – und dabei ihre ganz eigene Wüste erfahren: eine Wüste von antisemitischem Hass und Gewalt.
Ebenso bringen wir vor dich unsere muslimischen Nachbarinnen und Nachbarn, die so viel Hass und Ausgrenzung erleben.
Aber auch uns selbst bringen wir vor dich: Hab Erbarmen mit uns, wo wir selbstgerechtes und vorschnelles Urteil fällen.
Wo wir angesichts der Katastrophe nicht die richtigen Worte und nicht zum richtigen Handeln finden.
Wo wir selbst wie gelähmt sind. Wo wir immer wieder versagen.
Vergib uns, gnädiger Gott – und hilf uns, das zu sagen und zu tun, was deinem Willen entspricht.
Gott, Heiliger Geist, du Quelle des Lebens, wir bitten dich für eine Welt, in der Palästinenser und Israelis Seite an Seite in gerechtem Frieden leben.
Mach auch uns dazu zu Werkzeugen deines Friedens.
Amen.
Kirchengemeinden sind herzlich eingeladen, Texte wie diesen von www.elk-wue.de in ihren eigenen Publikationen zu verwenden, zum Beispiel in Gemeindebriefen. Sollten Sie dabei auch die zugehörigen Bilder nutzen wollen, bitten wir Sie, per Mail an kontakt