Beim schweren Zugunglück im Landkreis Biberach am Abend des 27. Juli mit drei Todesopfern und viele Verletzten waren mit den Rettungskräften auch 16 Mitarbeitende der ökumenischen Notfallseelsorge vor Ort. Im Folgenden finden Sie ein Interview mit Diakon Thomas Lerner (Diözese Rottenburg-Stuttgart) von der ökumenischen Notfallseelsorge im Landkreis Biberach. Die Notfallseelsorge wird überwiegend von Ehrenamtlichen geleistet.
Am Sonntagabend gab es das Zugunglück im Kreis Biberach mit drei Toten und zahlreichen Verletzten, viele davon schwer. Wie konnten Sie in dieser Situation vor Ort konkret helfen?
Thomas Lerner: Wir nehmen die betroffenen Menschen mit ihren Sorgen und Gefühlen in solchen Krisen- und Notfallsituationen sehr ernst. Wir begegnen den betroffenen Personen auf Augenhöhe und versuchen ihnen mit viel Zeit, Empathie und den aktuell zur Verfügung stehenden Informationen zu helfen. Ebenfalls versuchen wir, Sicherheit und Orientierung in der momentanen Situation zu geben und die zu Begleitenden mit den notwendigen weitergehenden Informationen zu versorgen.
Betroffene solcher Unglücke kommunizieren viele persönliche Fragen und Sorgen im Hinblick auf die erlebten Notfälle und die schrecklichen Erfahrungen. Diese variieren aber je nach Grad der Betroffenheit, der Lebenserfahrung, aber auch mit dem räumlichen und zeitlichen Abstand zum Geschehen erheblich.
Wie haben Sie die Situation vor Ort erlebt?
Thomas Lerner: Wie bei Einsatzlagen in dieser Größenordnung üblich, war die Zusammenarbeit in allen Ebenen und über die Organisationsgrenzen hinweg von großer Ruhe, Sorgfalt, Professionalität, und großem Engagement aller Beteiligten geprägt. Wiederkehrende organisationsübergreifende Übungen und das "sich kennen" über die einzelnen Organisationen – Rettungsdienste, Feuerwehren, Polizei und Kräfte der Psychosozialen Notfallversorgung des Landkreises – hinweg, haben sich hier sehr gut bewährt und für ein professionelles Miteinander gesorgt. Somit war eine gute Begleitung und Betreuung sowohl der Betroffenen als auch der Einsatzkräfte gegeben.
Wie lange begleitet die Notfallseelsorge die Betroffenen? Gibt es weiterführende Angebote?
Thomas Lerner: Die einzelnen Gespräche vor Ort haben naturgemäß eine sehr unterschiedliche Länge. Dies hängt von der persönlichen Situation der Person ab. Je nach Situation und Betroffenheit kann dies von einigen Minuten bis mehrere Stunden dauern. Allerdings sind die Gespräche unmittelbar nach solchen Ereignissen eher kurz. In der Regel stehent der Informationsbedarf und die Frage nach dem Wohlergehen von Angehörigen im Vordergrund. In diesem Fall werden wir ca. fünf bis acht Tage lang für weitergehende Gespräche zur Verfügung stehen. Hierzu haben wir ein Angebot auch auf unserer Homepage (www.notfallseelsorge-bc.de) geschaltet.
Aufgrund der Größe des Einsatzgeschehens wird es seitens der Notfallseelsorge Biberach weitergehende Angebote für die Betroffenen und für die Bevölkerung geben. Über einzelne konkrete Angebote wird zu gegebener Zeit informiert.
Hintergrund: Über die Notfallseelsorge
Schwere Verkehrsunfälle, Naturkatastrophen, Todesnachrichten: Polizei und Rettungskräfte wie Feuerwehr, THW und Notärzte tun, was sie können, um zu helfen, zu schützen, Schäden abzuwenden oder zu reparieren. Aber Verzweiflung, Schock, Angst, Panik und seelischem Schmerz kommt man mit Blaulicht, Schneidbrenner oder Schmerzmittel nicht bei.
Deshalb werden in solchen Situationen die Einsatzkräfte oft von Notfallseelsorgern oder --seelsorgerinnen begleitet. Das sind zum Beispiel Psychologen oder Sozialpädagoginnen, aber auch viele Diakone und Diakoninnen, Pfarrerinnen und Pfarrer, die diese Aufgabe ehrenamtlich übernehmen und sich dafür speziell schulen lassen.
Sie gehen zum Beispiel mit, wenn die Polizei eine Todesnachricht überbringt, und bleiben bei den Betroffenen, bis andere nahestehende Menschen zur Unterstützung da sind, oder helfen bei den nächsten Schritten. Die Notfallseelsorge hilft auch bei schweren Verkehrsunfällen und Naturkatastrophen – zum Beispiel bei schlimmen Hochwassern wie im Ahrtal oder letztes Jahr in Süddeutschland. Dann sind Teams der Notfallseelsorge manchmal wochenlang im Einsatz, um die Betroffenen zu unterstützen, zu helfen, zu trösten, die zum Teil extremen psychischen und körperlichen Reaktionen auf den Notfall zu erklären und für Gespräche aller Art zur Verfügung zu stehen.
Die Notfallseelsorge kümmert sich aber auch um die Einsatzkräfte, die bei ihrer Arbeit oft der Grenze der psychischen Belastbarkeit arbeiten. Auch die Feuerwehrleute, Polizisten, Ärztinnen, und sonstige Helfer können sich an die Notfallseelsorge wenden, wenn die Belastung zu groß wird.
Kirchengemeinden sind herzlich eingeladen, Texte wie diesen von www.elk-wue.de in ihren eigenen Publikationen zu verwenden, zum Beispiel in Gemeindebriefen. Sollten Sie dabei auch die zugehörigen Bilder nutzen wollen, bitten wir Sie, per Mail an kontakt
Was es mit der Kirchensteuer auf sich hat, wie sie bemessen wird und welche positiven Effekte die Kirchen mit der Kirchensteuer an vielen Stellen des gesellschaftlichen Lebens erzielen, erfahren Sie auf www.kirchensteuer-wirkt.de.