17.12.2025

Weihnachten in … Gefängnisseelsorge, Militärseelsorge, Krankenhausseelsorge und Notfallseelsorge

Hier ist Weihnachten ganz anders

Weihnachtsidylle im Wohnzimmer? Darauf müssen nicht wenige Menschen verzichten – sei es aus beruflichen Gründen, weil sie im Krankenhaus sind, weil sie fern der Heimat Dienst tun, weil sie inhaftiert sind oder weil sie von einem Schicksalsschlag getroffen werden, der ihre ganze Welt in Frage stellt. Hier finden Sie Einblicke in vier Arbeitsbereiche kirchlicher Seelsorge, die solche Lebenslagen im Blick haben: Gefängnisseelsorge, Militärseelsorge, Krankenhausseelsorge und Notfallseelsorge. Ihnen ist gemeinsam: Hier ist Weihnachten ganz anders. 

„Leben und Tod nur wenige Meter voneinander entfernt“

Eike Baumann, Klinikseelsorgerin in Tübingen, erzählt: 

Weihnachten in der Klinik ist manchmal gar nicht zu fassen: Freude und Leid, Leben und Tod liegen nur wenige Meter voneinander entfernt. Am Heiligen Abend gehe ich auf jede meiner Stationen, Geburtshilfe und Neonatologie, und besuche die, die nicht nach Hause können.  

Da ist die Mutter, die ihr gesundes Neugeborenes in den Armen hält, leuchtend vor Glück und Erschöpfung.  

Ein paar Zimmer weiter Eltern, die hoffen und beten, dass sich die Geburt ihres Kindes noch ein paar Wochen hinauszögert, denn es ist viel zu früh. Und damit die Mutter trotzdem sieht und schmeckt, dass Weihnachten ist, hat der Vater zu Hause gekocht und das Festessen samt Porzellan in die Klinik mitgebracht.  

Auf der Neonatologie wartet Lea*, die bei ihrer Geburt vor zwei Tagen kaum 400 g wog. Ihre Familie ist da, die Eltern, der große Bruder, Patentante und -onkel. Am Heiligen Abend wird sie von mir getauft, das hat sich die Mutter gewünscht. Denn Lea soll leben! (Und Lea wird leben! Nach vielen Komplikationen wird sie in fünf Monaten entlassen werden.)   

Am 1. Weihnachtsfeiertag werde ich in den Kreißsaal zu Rosi* gerufen, ebenfalls kaum 400 g. In der Heiligen Nacht hatten trotz aller Bemühungen des behandelnden Teams Wehen eingesetzt. Rosi wurde geboren, sie lebte noch eine halbe Stunde und starb im Arm ihrer Mutter, gehalten und geborgen. Als Seelsorgerin spreche ich einen Segen und bewundere dieses winzige, perfekte Menschenkind und die große, bedingungslose Liebe der Eltern.  

Freude und Leid, Leben und Tod nur wenige Meter voneinander entfernt – das ist unfassbar und zugleich ergreifend. Weihnachten in der Klinik erzählt von dem Gott, der mir in einem Neugeborenen begegnet. In der Hoffnung der Eltern. Und in der Liebe, die über den Tod hinausgeht, weil im Glauben an Jesus jeder Tod auch eine Geburt ist.  

Dr. Eike Baumann, Klinikseelsorge in der Universitäts-Frauenklinik und Neonatologie Tübingen 

* Namen geändert 

„Auch im Gefängnis werden Bäume geschmückt und Geschenke gepackt“

Gefängnisdekanin Susanne Büttner
Gefängnisdekanin Susanne Büttner

Gefängnisdekanin Susanne Büttner, Seelsorgerin in der Justizvollzugsanstalt Gotteszell, erzählt: 

Alle Jahre wieder stellt sich für uns Seelsorgerinnen und Seelsorger in den Gefängnissen die Frage, wie wir den Inhaftierten das Kommen Gottes in ihre Welt der verschlossenen Türen nahebringen.  

Hinter jedem inhaftierten Menschen verbirgt sich eine Geschichte, und oft sind es traurige und tragische Geschichten. Oft sind die Männer und Frauen selbst Opfer gewesen, bevor sie zu Tätern und Täterinnen wurden. An Weihnachten lasten die Schuldgefühle gegenüber den Angehörigen besonders schwer. Wieder ein Weihnachten ohne Papa oder Mama.  

Wir bleiben davon nicht unberührt. In diesem Jahr berühren mich besonders Untersuchungsgefangene der Frauenanstalt Schwäbisch Gmünd. In den 3,5 Stunden Aufschluss pro Tag treffen wir uns wöchentlich zur Bibelgruppe. Oft mit Bibeln in zehn verschiedenen Sprachen. Wir lesen die Geschichte der Ankündigung der Geburt Jesu. Eine Palästinenserin, in Deutschland aufgewachsene Muslimin, sagt: „Ja zu etwas zu sagen, das Maria noch gar nicht überblicken konnte … zu etwas, das ihr Leben auf den Kopf stellen würde: das beeindruckt mich.“ Eine andere sagt: „Ich habe mein Leben selbst auf den Kopf gestellt. Die Haft ist sehr schwer für mich. Aber ich habe doch die Hoffnung, dass Gott einen Neuanfang mit mir wagt.“  

Seelsorge im Gefängnis heißt, Räume der Freiheit zu öffnen. Gespräche unter der Schweigepflicht ermöglichen Entlastung für Einzelne. Jeden Sonntag feiern wir Gottesdienste und sprechen Menschen Vergebung zu.  

Mit mancher Frage kommen wir selbst an unsere Grenzen. Ist es „gerecht“, arme Menschen wegen Fahren ohne Fahrschein ins Gefängnis zu sperren – während andere in unserem Land damit beschäftigt sind, ihre Millionen profitabel anzulegen? „O Heiland, reiß die Himmel auf!“ Die Adventszeit als eine Zeit der Sehnsucht auf das Kommen Gottes in die Welt zu feiern, hat im Gefängnis wenig mit Besinnlichkeit zu tun. Und doch werden in diesen Tagen auch dort die Bäume geschmückt und Geschenke für alle gepackt.  

Gefängnisdekanin Susanne Büttner, Seelsorgerin in der Justizvollzugsanstalt Gotteszell 

„Sie waren der Fels in der Brandung als alle anderen schreiend davongelaufen sind“

Markus Schwab, Landeskirchlicher Beauftragter für Notfallseelsorge, Pfarramt für Polizei- und Notfallseelsorge
Markus Schwab, Landeskirchlicher Beauftragter für Notfallseelsorge, Pfarramt für Polizei- und Notfallseelsorge

Markus Schwab, Landeskirchlicher Beauftragter für Notfallseelsorge, Pfarramt für Polizei- und Notfallseelsorge, erzählt: 

Weihnachten bei Einsatzkräften von Rettungsdienst, Feuerwehr, Polizei oder der Notfallseelsorge heißt jederzeit in den Einsatz abgerufen werden können. Dabei unterscheidet sich das Weihnachten der Hauptamtlichen im Rettungsdienst, der Polizei und der Berufsfeuerwehr von den Ehrenamtlichen der Hilfsorganisationen, Freiwilligen Feuerwehren und Notfallseelsorge. Die Hauptamtlichen, die auf den Feuer-, Polizei- oder Rettungswachen ihren Bereitschaftsdienst versehen, versuchen auf der Wache eine gewisse Feierlichkeit aufkommen zu lassen, zum Beispiel mit einem geschmückten Weihnachtsbaum und festlichem Essen. Sie feiern in ihrer „Blaulicht-Familie“ den Heiligen Abend beziehungsweise die Weihnachtstage. Die Ehrenamtlichen, die zu Hause alarmiert werden und von dort aus in einen Einsatz gehen, feiern in der Regel mit ihren Familien, die sie bei einer Alarmierung schnell verlassen müssen. 

Die Einsatzkräfte gehen zum Beispiel nach einer vergeblichen Reanimation oft mit einem schalen Gefühl aus den Weihnachtseinsätzen zurück in die Wachen, als ob sie selbst dafür verantwortlich wären, das Weihnachtsglück von Menschen zerstört zu haben. Sie sind sehr dankbar dafür, dass sie die Notfallseelsorge rufen können, damit die Betroffenen nicht allein mit ihren Emotionen und zerstörten Erwartungen an Weihnachten als Fest der Liebe oder Fest der Familie bleiben müssen. Wir Notfallseelsorgerinnen und Notfallseelsorger lassen uns darauf ein. Wir sind genau dafür da, mit den betroffenen Menschen die Emotionen auszuhalten und durch unser Zuhören und Handeln erste Trittsteine für eine Verarbeitung zu legen. Ein Weihnachtswunder wird es nicht geben, denn die Tatsache, dass ein Mensch verstorben ist, bleibt. Aber es gibt manchmal Sätze als Rückmeldung wie „Sie waren der Fels in der Brandung als alle anderen schreiend davongelaufen sind.“ So machen wir auch dieses Jahr wieder an Weihnachten gerne unseren Dienst. 

Markus Schwab, Landeskirchlicher Beauftragter für Notfallseelsorge, Pfarramt für Polizei- und Notfallseelsorge

„Die Feldpost lindert manchen Schmerz“

Militärpfarrer Bernhard Schaber-Laudien
Militärpfarrer Bernhard Schaber-Laudien

Militärpfarrer Bernhard Schaber-Laudien, Seelsorger am Bundeswehr-Standort Laupheim, erzählt: 

Weihnachten und Jahreswechsel heißt für Soldatinnen und Soldaten ganz Verschiedenes: 
manche genießen freie Tage; andere haben Wachdienst oder Bereitschaft vor Ort – zum Beispiel die Feuerwehren, aber auch IT-Betreuer; wieder andere kommen einzelne Tage „rein“, etwa um Maschinen kurz laufen zu lassen.  

Rund 1.800 Soldatinnen und Soldaten aber sind meines Wissens Weihnachten und Jahreswechsel 2025/2026 im Einsatz oder in „einsatzgleicher Verpflichtung“: Litauen, Kosovo, Jordanien, Libanon, Irak, um einige zu nennen. Oder auf großen Schiffen. Das belastet vor allem die Familien daheim. Auch im Einsatz findet man Weisen zu feiern. Die Feldpost lindert manchen Schmerz oder man kann per Videotelefonie einander bei der Bescherung zuschauen. Manchmal schmerzt das aber mehr als es tröstet.  

Gerade Weihnachtsgottesdienste im Einsatz sind etwas ganz Besonderes. Beispielsweise muss man das Krippenspiel neu erfinden. Für mich als Seelsorger sind die Herausforderungen ähnlich. Im Einsatz im kalten Winter Litauens haben wir 2023 mit einem viersprachigen Gottesdienst eindrücklich Heiligabend gefeiert.  

Ich selbst werde 2025 wie jedes Jahr am Standort Laupheim die Diensttuenden am 24.12. und 31.12. besuchen und einen Gruß der Militärseelsorge vorbeibringen. Dabei begegnen mir viele Geschichten aus Einsatzzeiten, die es seelsorgerlich zu begleiten gilt. Schon am Wochenende des Dritten Advent trafen sich zum Thema „Licht sein“ Soldateninnen und Soldaten, mit und ohne Familie, zur Familienrüstzeit in Steingaden. Neben der Symbolik des Adventskranzes und des Herrnhuter Sterns dachten wir über Johannes den Täufer nach und seinen Rat an Soldaten. Neben Basteln und Backen gab es dabei vor Allem viele Gespräch zwischendurch, bei den Mahlzeiten und Spaziergängen. Eine wichtige Auszeit für alle.  

Für mich am eindrücklichsten war aber jener Gottesdienst Heiligabend 2023 und auch der Jahreswechsel dort: Während ein Feuerwerk manche ablenkte und erfreute, läutete ich von Hand die Glocke an unserer Little Church. 

Im Unterschied zu Pflegekräften, der Arbeitnehmern in der Gastronomie oder Blaulichtkräften sind Soldatinnen und Soldaten nicht ein paar Stunden oder Tage weg, sondern meist vier bis sechs Monate. Manche kommen in dieser Zeit nicht oder kaum aus dem engen Lager heraus. Die Enge, der fehlende Privatraum: mit einem fremden Menschen sechs Monate in einem Container zu verbringen, muffelnde Gemeinschaftsdusche, keine Privatsphäre und beispielsweise in Jordanien mit dauerndem Fluglärm, das belastet die Nerven.  

Ohne Feldpost wären Einsätze unendlich viel schwerer. Wenn Briefe oder gar Pakete kommen, würde man die Leute am liebsten sofort umarmen. Maultaschen aus der Dose sind ein unvergleichbar leckeres Weihnachtsessen! Faszinierend ist auch die Gemeinschaft im Einsatz an diesem Tag – und das Internationale: Als wir 2023 zum Abschluss der Christmette den Segen zu viert spendeten, jeder in seiner Muttersprache auf Französisch, Tschechisch, Niederländisch und Deutsch berührte das wohl alle. Als wir dann noch „Stille Nacht“ gleichzeitig in der jeweiligen Muttersprache mit den rund 80 Soldaten sangen, wurde greifbar, was es heißt: „Christ, der Retter ist da!“ 

Militärpfarrer Bernhard Schaber-Laudien, Bundeswehr-Standort Laupheim 

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