Im Folgenden finden Sie als geistlichen Impuls zu Erntedank die Predigt von Prälat Ralf Albrecht, Regionalbischof der Prälatur Heilbronn.
Erntedank und die derzeitige Situation der Kirche – was das miteinander zu tun hat? Gottes Wort aus dem Jesajabuch, 58. Kapitel, die 7-12, gibt Auskunft:
Heißt das nicht: Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut! Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird deinen Zug beschließen. Dann wirst du rufen und der HERR wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich. Wenn du in deiner Mitte niemand unterjochst und nicht mit Fingern zeigst und nicht übel redest, sondern den Hungrigen dein Herz finden lässt und den Elenden sättigst, dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen, und dein Dunkel wird sein wie der Mittag. Und der HERR wird dich immerdar führen und dich sättigen in der Dürre und dein Gebein stärken. Und du wirst sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt. Und es soll durch dich wieder aufgebaut werden, was lange wüst gelegen hat, und du wirst wieder aufrichten, was vorzeiten gegründet ward; und du sollst heißen: »Der die Lücken zumauert und die Wege ausbessert, dass man da wohnen könne«.
1) Ausgebesserte Lücken
Und es soll durch dich wieder aufgebaut werden, was lange wüst gelegen hat, und du wirst wieder aufrichten, was vorzeiten gegründet ward; und du sollst heißen: »Der die Lücken zumauert und die Wege ausbessert, dass man da wohnen könne«.
Wirklich, ich hab diesen Text für Erntedank nicht ausgesucht, er ist vorgegeben für diesen Tag, und er spricht von der Tempelweihe. Unfassbar – oder? Dankbarkeit allenthalben. Endlich sind Lücken ausgebessert. Endlich ist alles soweit wieder aufgerichtet – nach einer Durststrecke von 70 und mehr Jahren. Und dann schnell geschehen: aufrichten, zumauern, ausbessern.
Was hier aber geschildert wird, wie bei der Zukunft unserer Kirche, ist nicht einfach Steine klopfen und mauern. Da geht es um einen Dienst Gottes an den Menschen – und Gottesdienst für die Menschen.
Dein Licht in der Finsternis aufgehen, und dein Dunkel wird sein wie der Mittag. Und der HERR wird dich immerdar führen und dich sättigen in der Dürre und dein Gebein stärken. Und du wirst sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt.
So werden Lücken ausgebessert. Das sind nicht einfach Steine und Materialien, das ist ein innerer, geistlicher Garten, ein neuer Tag. Eine aufgehende Gottessonne. Darum geht es in unserer Kirche. Nicht dass OIKOS und Verwaltungsmodernisierung, neues Finanzwesen und die Neuaufstellung von Hohebuch durchgezogen werden. Bitte nicht falsch verstehen, das gehört dazu und muss sein. Aber Kirche besteht letztlich nicht daraus, dass sie neu gemalert wird und neue Lichter entstehen – sondern dass dieser Glanz hinweist auf den einen, der am ersten Tag gesprochen hat: ES WERDE LICHT! Und dass uns in jedem Kirchenraum noch manches Licht aufgeht und noch manches Wort heimleuchtet – und die Lücken unseres Lebens ausbessert. Denn wenn etwas immer wieder statisch aus den Fugen gerät, so richtig, dann ist das unser Leben! Nichts anderes. Und was immer in unserer Kirche ausgebessert und nachgebessert, verkleinert und verändert wird, geschieht, damit wir unser Leben von Gott ausbessern lassen.
Deshalb tut alles, aber schont Eure Kirchengebäude nicht. Drückt sie nicht nur an Erntedank zusammen, sondern auch nächsten Sonntag. Wohnt sie möglichst schnell ab. Macht sie dreckig, stürmt sie immer wieder, nicht nur an Heiligabend. Eine Kirche mag es, wenn sie Leute beherbergt. Sie ist kein Museum und Dorfdenkmal, sie ist ein Garten, der sättigt und stärkt. Dem es nie an Wasser fehlt. Und für den man dankbar sein kann – ohne Ende. Die beste Form der Dankbarkeit für diese geschlossenen Lücken ist, wenn in ihr möglichst oft gefeiert wird. Weil hier das Licht aufgeht. Weil hier Dunkel ist wie Mittag. Hier kann ich Gott mein Dunkel hinhalten – und er macht Licht. Buntlicht – Licht, das den Gekreuzigten und Auferstandenen anstrahlt – und von da in mein Leben, mein Dunkel, meine Sorgen hineinstrahlt. Das, was es in meinem Leben an Lücken gibt, wird ausgebessert. Gott sei Dank – Erntedank und ausgebesserte Lücken.
2) Ende der Armut
Heißt das nicht: Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut! Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird deinen Zug beschließen.
Der Erntedanktag ist da – der Zug hat seinen Weg gefunden, hierher in den Gottesdienst. Aber, so legt der Prophet Jesaja den Finger direkt dorthin, wo es nötig ist, alles recht und gut. Es geht aber letztlich nicht um Steine und Beine, sondern um eine Haltung, um ein Herz. Kirche ist mehr als das Gebäude, viel mehr, himmelweit mehr.
Kirche ist der Ort, wo folgendes passiert: „Lass den Hungrigen Dein Herz finden“ Und: entzieh Dich nicht Deinem Fleisch und Blut. Was für starke und provokative und erleuchtende Worte. Lass den Hungrigen Dein Herz finden. Jede und jeder von uns ist dazu aufgerufen, Herz zu zeigen. Da zu sein für Hunger, fehlende Kleidung, Nahrung, Gastfreundschaft … Und zwar nicht auf der verzweifelten Suche, „wo sind sie denn, die das brauchen – wir sehen sie gar nicht“. Sondern sie sind da, und wir sind es oft genug beieinander und andere noch mit uns, sondern: lass sie Dein Herz finden. Verbirg das Herz nicht. Entzieh Dich nicht.
Das erinnert so sehr an die Geschichte vom barmherzigen Samariter. Der nur eines gemacht hat: die offensichtlich zu sehende Not nicht zu ignorieren. Priester und Levit wechseln die Straßenseite und lassen den Verletzten liegen – der Samariter versorgt ihn, lädt ihn auf seinen Esel und bringt ihn zum Hospiz, wo weiter für den Verwundeten gesorgt wird.
Kirche wird ihr Licht dann leuchten lassen, wenn es Menschen gibt, die so hier drin ihr Herz zeigen. Sie können nicht zu allen Zeiten alles retten und helfen. Aber sie wollen sich nicht mehr einfach entziehen, wo geholfen werden muss. Das genügt dick.
Die Bewohner einer Nordseeinsel hatten ein Problem. Nein, eigentlich zwei, aber das erste, das war für sie gelöst: der arme Paul Moders, der konnte eben keine solche rote Jacke haben, wie sie in diesem Herbst bei den kalten Winden so nötig war. Der war zu arm, und sie konnten und wollten ihm keine geben. Aber das zweite Problem, das war die Kirchenrenovierung. Die kleine Kirche war einen Meter zu weit links, ungeschützt zum Bauen gekommen. Nur einen Meter weiter, da wäre sie viel geschützter, besser. Was tun? Sie musste renoviert, versetzt werden. Jetzt war guter Rat teuer. Paul Moders hatte einen. Legt doch eine rote Jacke auf die andere Seite der Kirche. Dann, Ihr starken Männer, geht um die Kirche herum, und fangt an zu schieben. Und schiebt sie so weit, bis die rote Jacke nicht mehr zu sehen ist. Das müsste doch reichen in der Spannweite – ein Meter. Was für ein guter Vorschlag so eines minderbemittelten Mannes. Und es wurde hingelegt, und es wurde an der anderen Seite angepackt und gedrückt und gehebelt, bis Paul Moders schrie: Gut, fertig, nix mehr zu sehen von der roten Jacke. Was für ein Stolz, der sich am folgenden Sonntag nur noch mit einem nachdenklichen Gedanken in der Kirche mischte: woher war nur der Paul Moders in der vergangenen Woche zu so viel Geld gekommen, dass er diesen Sonntag mit einer roten Jacke im Gottesdienst auftauchen konnte? …
Liebe Leute, im übertragenen Sinne warten hier am Ort noch viele rote Jacken darauf verschenkt zu werden. Und dann wäre die Kirchenrenovierung wirklich gelungen, wenn Menschen hier in diesem Raum einander ihr Herz, ihr barmherziges Herz finden lassen und sich nicht einander entziehen – denn Jesusglaubende sind aus dem gleichen Fleisch und Blut.
3) Gottes Wohnung hat Platz für alle
Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird deinen Zug beschließen. Dann wirst du rufen und der HERR wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich.
Hier bin ich, sagt Gott jetzt in diesem Moment. Er ist hier, ER ist da, und ER ist in diese Kirche wieder hereingekommen – wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind, da ist Jesus mitten unter ihnen.
Seine Art hereinzukommen ist bewegend. Voraus geht die geschenkte Gerechtigkeit. Sie geht vor uns her. Nicht unsere Leistung, nicht unser Frommsein, nicht unser Können. Gottes Gerechtigkeit, die meine wird, weil Jesus sie mir schenkt und damit alles an Vergebung und Rechtwerden, was ich brauche. Die geht voraus. Aber der Zug ist dann lang – Person um Person. Die einen schneller und weiter hinten, die anderen langsamer und weiter vorne.
Und ganz am Schluss geht wer? Wieder Gott, seine Herrlichkeit, das heißt seine Würde, sein Gewicht, sein Wert, sein Glanz beschließt alles. Gottes Gerechtigkeit geht voraus bei der Einweihung, und den ganzen Zug der Freude und des Dankes beschließt wiederum Gottes Würde. Dazwischen ist in unserer Kirche Platz für alle. Zwischen geschenkter Gerechtigkeit und verliehenem Wert und Würde haben alle Platz. Keine Zwei- oder Dreiklassengesellschaft, ein gemeinsamer Zug der Einweihung. Keiner ist zu schnell und rennt so weit voraus, dass keiner mitkommt. Ganz vorne geht nur eins: Gottes Gerechtigkeit.
Und keiner ist zu langsam, wird abgehängt, macht sich vom Acker, kommt nicht mehr mit – denn hinten geht Gott und sagt: Du bist mir unendlich viel wert. Gottes Wohnung hat Platz für alle, sogar für alle Begeisterten und für alle Zweifler, sogar für alle Superinnovativen, sogar für alle Bedenkenträger, sogar für alle Älteren und alle Jungen. Platz für alle – damit sie an Erntedank und sonst Gott hören und sein Wort. Gott sagt es zu – und wir tun es. Lücken werden ausgebessert, Armen wird geholfen, Platz ist für alle. Gott spricht: „Siehe, hier bin ich!“ Amen.
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