| Landeskirche

Scharfsinniger Theologe vertritt seine Position

450. Geburtstag Lukas Osiander der Jüngere

Als Lukas Osiander der Jüngere am 6. Mai 1571 in Stuttgart geboren wurde, war der württembergische Reformator Johannes Brenz im Jahr zuvor gestorben und die Erben der Reformation stritten um die richtige Fassung der lutherischen Lehre. Der Aufbruch aus der Freiheit des Evangeliums drohte in Rechthabereien zu ersticken. Jacob Andreae wollte im Konkordienbuch die Eintracht (concordia) wieder herstellen. Osiander selbst sollte einen wesentlichen Beitrag zur polemischen Zuspitzung der konfessionellen Auseinandersetzungen leisten, die schließlich die Katastrophe des Dreißigjährigen Krieges mit heraufbeschworen.

Das Leben von Lukas Osiander endete beinahe zwei Jahre früher: auf der Kanzel der Tübinger Stiftskirche wurde ein Attentat auf ihn verübt. Professorengalerie, Museum Universität Tübingen MUT

Kanzel- und Kathederkarriere

Lukas Osiander stammte aus einer großen Theologenfamilie. Schon sein Vater gleichen Namens, der Herausgeber des ersten württembergischen Gesangbuchs, war Mitglied der Kirchenleitung. Sein älterer Bruder Andreas war bereits 1605 ebenfalls Kanzler der Tübinger Universität, die damals zum „lutherischen Spanien“ wurde. Lukas Osiander wurde nach seinem Studium Stiftsrepetent, dann Pfarrer in Göppingen, Dekan in Leonberg sowie Prälat von Bebenhausen und Maulbronn. Ab 1618 lehrte er als Professor in Tübingen mit dem Schwerpunkt Kontroverstheologie und Polemik. In diesen Fächern ging es darum, das überlegene Luthertum gegen die anderen Konfessionen scharf abzugrenzen. Viel Schweiß der Edlen wurde für diese polemischen Auseinandersetzungen vergossen, dazu zuerst Tinte, dann auch Blut. Aus theologischen Entdeckungen drohten Richtigkeiten zu werden. Der scharfsinnige Theologe stritt gegen Calvinisten, Schwenkfelder, Wiedertäufer und Jesuiten. Auch am Streit mit den Gießener Theologen über die Person Christi wirkte er mit.

„Anti-Arndt“

Schließlich überspannte er fast den Bogen seiner Streitereien, als er vor den gerade in Württemberg mit Interesse aufgenommenen Büchern Johann Arndt's "Vom wahren Christenthum" (1610) warnte. Er warf ihm eine mystische Position vor, die das innere dem äußeren Wort vorzog. Wieder waren seine Beobachtungen durchaus zutreffend, seine Abgrenzungen aber überzogen. Manche sagten gar, bei ihm sei der Heilige Geist ein Rabe und keine Taube!

Wer Wind sät, wird Sturm ernten

(nach Hosea 8, 7)

Die zunehmenden polemischen Abgrenzungen führten zu Aggressionen, die schließlich nicht nur den grausamen Konfessionskrieg beförderten, sondern auch auf Osiander persönlich zurückschlugen, als eines Sonntags der Spiritualist und selbsternannte Prophet Ludwig Friedrich Gifftheil aus Böhringen die Kanzel der Tübinger Stiftskirche erstürmte und den Kanzler erstechen wollte. Dieser aber überlebte auch diesen Angriff und starb eines natürlichen Todes am 10. August 1638 in Tübingen. Aber kann es scharfsinnige theologische Erkenntnis nicht auch ohne aggressive Abgrenzungen geben, oder, wie es der Straßburger Reformator Martin Bucer sagte, ohne Feindbild und Schmähung der anderen? Eine noch immer aktuelle Frage!

Dr. Wolfgang Schöllkopf, Stift Urach

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