| Medien & Kultur

„Würden Sie einen Roboter taufen?“

Eindrücke vom 5. Evangelischen Medienkongress in München

„Mensch oder Maschine: Wer programmiert hier wen?“, so lautete das Thema des 5. Evangelischen Medienkongresses vom Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik in München. Die rund 300 Teilnehmenden beschäftigten sich von 16. bis 17. Oktober mit Themen wie Künstlicher Intelligenz (KI), sich ausbreitendem Hass und Parallelwelten im Netz. 

Prof. Dr. Jürgen Schmidhuber, Direktor des „Dalle-Molle-Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz“ in der Schweiz.EMH/Dan Peter

Künstliche Intelligenz mit Sozialverhalten

Als Prof. Dr. Jürgen Schmidhuber, Direktor des „Dalle-Molle-Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz“ in der Schweiz, nahezu liebevoll von seiner Forschung erzählte, wurde es im Saal merklich still. Schmidhubers Systeme lernten spielerisch im Labor Schmerz zu vermeiden und freuten sich über Belohnungen. Sogar Sozialverhalten würden sie erlernen. So bekämen verschiedene  Systeme etwa eine Aufgabe, die sie nur zusammen lösen könnten. Da sie letztlich alle erfolgreich sein wollten, gingen sie Kollaborationen ein. Eine KI hätte aber nicht das Bewusstsein wie es wir Menschen haben, beharrte der Kirchenpräsident von Hessen-Nassau, Dr. Dr. h. c. Volker Jung, in anschließender Diskussion. Schnell war hingegen deutlich, dass das mit einem ungeklärten Begriff von „Bewusstsein“ eine heikle Sache ist. Moderatorin Franziska Storz vom Bayerischen Rundfunk spitzte die Problematik zu, als sie Jung frei heraus fragte: „Würden Sie einen Roboter taufen?“ Jungs Antwort, „Natürlich nicht!“, war schnell gegeben, doch zeigte der Kongress, dass gängige Begründungsstrukturen dafür immer mehr ins Wanken geraten. Selbst Empathie könnte eine KI lernen, so hieß es schließlich vom Technologie- und Trendforscher Dr. Mario Herger. Das sei sogar gewünscht, weil wir Menschen dann umgekehrt ebenfalls empathisch auf die Maschinen reagierten und z. B. Kleidung für unsere Staubsaugerroboter kauften. Das kann man nett finden oder verrückt.

Science-Fiction oder nur Kulturfortschritt?

Bedenklich bis empört reagierte das Publikum aber, als Schmidhuber sein Zukunftsszenario präsentierte: Die KI werde so intelligent, dass sie andere  erschaffen können – das täten sie in Schmidhubers Labor ja jetzt schon. Als solche breiteten sie sich aus wie Feuer. Auf der Suche nach Rohstoffen würden sie auf dem Planeten Erde bald nicht mehr fündig werden, dann würden sie sich in den Weltraum ausbreiten. Irgendwann bevölkerten sie das ganze Universum, dem Menschen natürlich längst überlegen. Aber das sei okay, so Schmidhuber. Das sei Evolution. 

Manche Hörerenden empfanden das als weniger „okay“. In Pausen diskutierten Teilnehmende aus dem Umfeld von Theologie und Journalismus engagiert weiter. „Es wird nicht alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird“, könnte dabei die Devise des Medienkulturwissenschaftlers Prof. Dr. Jens Schröter lauten. Der legte in seinem historisch fundierten Vortrag zur „Virtual Reality“ dar, dass es immer wieder Hype-Phasen gab, die Zukunftsvisionen in der Science-Fiction aufzeigten. Gekommen sei das dann eben doch nicht und daran hätte letztlich auch keiner ein Interesse. Interesse gebe es vielmehr dafür, den menschlichen Erfahrungsraum zu erweitern statt zu ersetzen und Arbeitsabläufe technisch zu unterstützen – Dinge, die kulturell schon immer da gewesen seien.

Der Hass aus dem Netz wird auf die Straße getragen

Viel greifbarer war der Zusammenhang von virtueller und realer Welt – sofern man am Gegensatzpaar festhalten möchte. „Woher kommt der Hass?“, fragte der Konflikt- und Gewaltforscher Prof. Dr. Andreas Zick in seinem Vortrag. Dabei zeigte er auf, dass Hass ein besonders gemeinschaftsstiftender Identitätsmarker ist. Darüber hinaus verwies er auf den Zusammenhang zwischen Netz-Community und der Gruppen-Konstitution außerhalb des Internets – z. B. wenn Menschen sich im Netz verabreden und dann gemeinsam auf die Straßen ziehen.

Deutlich wurde: Es fehlt an starken positiven Identitätsmarkern. Die gilt es wirksam in den Diskurs einzubringen. Diese Aufgabe kann genauso aus München mitgenommen werden wie die Erkenntnis, dass philosophische und theologische Fragen hier längst nicht zu Ende diskutiert sind und Antworten sich in der Praxis zu bewähren haben. 

Isabelle Fries

Mehr News

  • Datum: 26.04.2024

    Zum 90. Geburtstag von Prof. Dr. Martin Rößler

    „Wir gratulieren Martin Rößler und wünschen ihm Gottes Segen. Einen passenderen Sonntag als diesen gibt es für Martin Rößler nicht: Sonntag Kantate, der das geistliche Singen in den Mittelpunkt stellt.“ Landesbischof Gohl gratuliert Prof. Dr. Martin Rößler zum 90. Geburtstag.

    Mehr erfahren
  • Datum: 26.04.2024

    „Das Gesangbuch ist ein Lebensbuch“

    „Singen ist Lebenshilfe. Das Gesangbuch ist mehr als eine Sammlung von Liedern für wechselnde Jahreszeiten und sonstige Anlässe. Das Gesangbuch ist ein Lebensbuch.“ Das sagt Landesbischof Gohl in seiner Predigt aus Anlass des 500-jährigen Jubiläums des evangelischen Gesangbuchs.

    Mehr erfahren
  • Datum: 26.04.2024

    „Wo wir der Hoffnung Stimme geben, wächst die Zuversicht“

    „Hoffnung in einer hoffnungslosen Welt?!“ war das Motto des Herzschlaggottesdienstes in Nellmersbach, in dem Landesbischof Gohl am 21. April gepredigt hat. Hier finden Sie die Predigt zu einem Vers aus Psalm 18: „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen“.

    Mehr erfahren
  • Datum: 22.04.2024

    Innovationstag: Jetzt anmelden!

    Frische Ideen fürs Gemeindeleben: Unter dem Motto „#gemeindebegeistert – Kirche lebt, wo dein Herz schlägt“ veranstaltet die Landeskirche am 4. Mai einen großen Innovationstag. In Projektpräsentationen und Workshops gibt’s Austausch und Tipps. Jetzt anmelden

    Mehr erfahren
  • Datum: 22.04.2024

    KI in der Gemeindearbeit einsetzen

    Was ist Künstliche Intelligenz und was ist damit anzufangen? Eignet sich KI auch für die Gemeindearbeit und wo konkret kann sie dort zielgerichtet angewendet werden? Mit diesen Fragen befasst sich am 16. Mai ein Online-Seminar des Evangelischen Medienhauses.

    Mehr erfahren
  • Datum: 19.04.2024

    „Konfirmanden ist Glaube wichtiger als Geschenke“

    Frontalunterricht gibt es kaum noch im Konfi-Unterricht, sagt Prof. Dr. Wolfgang Ilg von der Evangelischen Hochschule in Ludwigsburg im Interview. Die Konfi-Arbeit sei nach wie vor das Angebot mit der größten Reichweite in der Evangelischen Kirche.

    Mehr erfahren
  • Datum: 18.04.2024

    „Kirche mit Kindern“ ist einfach lebendig

    Vom Kindergottesdienst zu einer Kirche für die ganze Familie: Lebendiger und spannender Gottesdienst mit neuen Herausforderungen. Wir haben Sabine Foth gefragt, wie sich die Kirche mit Kindern zu einer Familienkirche gewandelt hat und was ihr an der Arbeit besonders gefällt.

    Mehr erfahren
  • Datum: 18.04.2024

    Video: Multitalent mit Down-Syndrom

    Tamara Röske hat viele Talente: Schauspielern, Modeln und Leichtathletik – trotz Handicap. Die 28-Jährige hat das Down-Syndrom. Wie bringt sie alles unter einen Hut? Darüber spricht sie zusammen mit ihrer Mutter Antje mit „Alpha & Omega“-Moderatorin Heidrun Lieb.

    Mehr erfahren
  • Datum: 17.04.2024

    „Der Segen Gottes gilt uns allen“

    Mit einem Gottesdienst in der Klosterkirche Mariaberg bei Gammertingen hat am 13. April die ökumenische Woche für das Leben begonnen. Sie stellt unter dem Motto die Lebenswirklichkeiten Jugendlicher und junger Erwachsener mit Behinderungen in den Mittelpunkt.

    Mehr erfahren
  • Datum: 16.04.2024

    Segen, Mut & Traubenzucker

    In diesen Wochen stehen an vielen Schulen Abschlussprüfungen an - für Schülerinnen und Schüler eine stressige Zeit. Die Ev. Jugendkirche Stuttgart macht mit einem speziellen PrüfungsSegen Mut und stellt auch anderen Gemeinden Materialien zur Verfügung.

    Mehr erfahren
  • Datum: 16.04.2024

    Digitaler Notfallkoffer für die Seele

    Hilfe in persönlichen Krisenmomenten bietet die KrisenKompass-App der Telefonseelsorge fürs Handy und Tablet. Sie bietet Unterstützung, um schnell wieder auf positive Gedanken zu kommen oder bei Bedarf rasch professionelle Hilfe finden zu können.

    Mehr erfahren
  • Datum: 16.04.2024

    Zum 200. Todestag von Beata Regina Hahn

    Vor 200 Jahren starb Beata Regina Hahn, die zweite Ehefrau des Mechanikerpfarrers Philipp Matthäus Hahn, Tochter von Johann Friedrich Flattich und Mutter der Schulgründerin Beate Paulus. Als Herausgeberin von Hahns Schriften prägte sie dessen Bild für viele Jahre.

    Mehr erfahren
Mehr laden