In Stuttgart-Hedelfingen steht erste „Bauhaus-Kirche“ der Landeskirche
Ein Bruch mit überlieferten Vorstellungen, ein Neudenken in Kunst, Architektur und Design feiert in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag: das Bauhaus. Viele denken dabei an Industriebauten, Walter Gropius‘ Wirken in Dessau oder die Weißenhofsiedlung in Stuttgart. Reinhard Lambert Auer denkt an die Kreuzkirche in Stuttgart.
Kreuzkirche Hedelfingen innen: Das Lichtband lässt die Decke scheinbar schweben.Florian Monheim / Bildarchiv Monheim GmbH
„Die Kreuzkirche in Hedelfingen ist die erste moderne Kirche der Landeskirche und die erste moderne Kirche Stuttgarts“, sagt der Kunstbeauftragte der württembergischen Landeskirche, Kirchenrat Reinhard Lambert Auer. „Dabei war das keine bewusste Entscheidung des Bauherren, modern zu bauen“, sagt er.
Die Erklärung: Die Kirchenleitung wollte günstig bauen, beschränkte die Bausumme im Jahr 1929 auf 220.000, später 270.000 Reichsmark. „Und dann kam das heraus: eine Moderne durch schwäbische Sparsamkeit“.
170 Jahre geplant – und verworfen
Der Vorlauf zu diesem Bauprojekt zog sich über fast 170 Jahre hinweg. Zunächst wollte die Kirchengemeinde ihre Alte Kirche erweitern. Der älteste überlieferte Plan reicht bis in das Jahr 1763 zurück, doch alle Um- und Erweiterungsbauten scheiterten meist am nötigen Geld.
Die Kreuzkirche Stuttgart-Hedelfingen gilt als erste moderne Kirche der Landeskirche. Florian Monheim / Bildarchiv Monheim GmbH
1928 hätte der damals aktuelle, vom Büro Volkart und Trüdinger geplante, Umbau umgesetzt werden können. Doch da gelang es der Hedelfinger Kirchengemeinde, ein zentral gelegenes Grundstück an der heutigen Amstetter Straße zu erwerben. Ein kompletter Neubau wurde möglich.
Die ersten Entwürfe Paul Trüdingers für den Neubau der Kirche erinnerten in vielen Details bis hin zur Dachgestaltung eher an das konservative Bauen der 1920er Jahre. Doch die strenge Deckelung der Baukosten durch den Oberkirchenrat machte ein grundlegendes Umdenken nötig. Nur durch die neuartige Stahlskelett-Bauweise und eine sachliche, dem Bauhaus nahestehende Formgebung, war dieser Kostenrahmen zu halten.
Mit der Stahlskelett-Architektur, die zudem die Bauzeit stark verringerte, experimentierte man seit kurzem auch im Wohnhausbau. Trüdinger konnte das bei der Errichtung der Stuttgarter Weißenhofsiedlung unter Leitung von Mies van der Rohe und führenden Vertretern des Neuen Bauens 1927 beobachten.
Nordansicht der Kreuzkirche in Stuttgart-Hedelfingenvon Florian Monheim / Bildarchiv Monheim GmbH
Auch der berühmte Architekt Otto Bartning errichtete in diesem Verfahren 1928 die Pressa-Kirche in Köln, deren bleiverglasten Fensterwände die Kirche als geschlossenen, aber dennoch transparenten Raum gestalteten. Das war ein Jahr vor Baubeginn in Hedelfingen. Trüdinger ließ sich davon inspirieren, auch wenn er – im Gegensatz zu Bartning - das Stahlskelett mit Bimssteinen ausmauern ließ.
Form follows function in Hedelfingen
In Hedelfingen ging es nun Schlag auf Schlag. Am 1. Juni 1929 teilte der Kirchengemeinderat Paul Trüdinger mit, dass die Baupläne genehmigt und sein Büro engagiert seien. Am 29. September erfolgte die Grundsteinlegung, gut ein Jahr später, am 26. Oktober 1930, die Einweihung der neuen Kirche. „Die Theologen sprachen von den Kosten, der Architekt von der Konzeption“, sagt Auer.
„Das Äußere der Kirche: nun, es will das getreue Abbild des Inneren sein, ohne Zutaten und ohne falschen Schein“, schrieb Paul Trüdinger. Er folgt damit der Konzeption des sogenannten Neuen Bauens, einer seit etwa 1910 zu beobachtenden Architektur-Richtung, die dem Bauhaus nahe standen. Aus Raumprogramm und Grundriss folgen die Fassaden. „Form follows function“ würde man heute sagen.
„Der Altarraum ist nur wenig erhöht“, sagt Auer. „Prediger, Liturg und Gemeinde sollen eng aufeinander bezogen sein.“Braun / EMH
Viel Platz für Gottesdienste mit Gemeindebeteiligung
Der Grundriss des Sakralraums basiert auf einer frühchristlichen Bauform, der Basilika mit ihrem langgestrecktem Raum, erhöhtem Mittelschiff und niedrigen Seitenschiffen. Er wirkt großzügig, sachlich, klar und karg und kommt – dank Stahlskelett-Bauweise - ohne Stützen zu den angedeuteten Seitenschiffen aus. Die Erhöhung des Kirchenmittelteiles wird von einem durchlaufenden Lichtband getragen, so dass die Decke scheinbar schwebt. Eine architektonische Innovation.
Der weite, halbrunde Altarraum ist mit drei niedrigen Stufen nur wenig erhöht, ebenso die Kanzel. „Das gibt viel Platz für Gottesdienste mit Gemeindebeteiligung“, betont Auer. „Prediger, Liturg und Gemeinde sollen eng aufeinander bezogen sein.“ Oder in den Worten Trüdingers: „Die Hauptaufgabe einer Predigtkirche besteht darin, Gottes Wort deutlich vernehmbar zu vermitteln. Es heißt also in erster Linie, einen Raum zu schaffen, in dem die Zuhörer dem Prediger möglichst nahe sind. Ein evangelischer Kirchenraum sollte deshalb kurz sein und sich in die Breite dehnen. Ganz von selbst wird dadurch auch dem Bedürfnis nach guter Akustik entgegengekommen.“
Treppe zu den Gemeinderäumen im Turmvon Florian Monheim / Bildarchiv Monheim GmbH
Verzicht auf alles Beiwerk
Hinter dem Altar entfaltet ein großes Kreuz im Orgelgitter in aller Schlichtheit doch eine raumbeherrschende Wirkung. Die Oberflächen der Wände und Decken als auch die Ausstattung des Kirchenraumes verzichten auf schmückendes Beiwerk und sind im Sinn der Neuen Sachlichkeit einfach und funktional gehalten. An den Kirchenraum schließt sich nördlich ein großzügiger Gemeinderaum an, der durch eine Faltwand stützenfrei mit dem Kirchenraum verbunden ist. Drei weitere, kleinere Gemeinderäume sind in den unteren drei Etagen des Glockenturms untergebracht.
„Wenn man nicht wüsste, wann die Kirche errichtet worden ist, könnte man es sie für ein Gebäude aus den zu Ende gehenden 50er Jahre halten“, sagt Reinhard Lambert Auer. „Das ist zukunftsweisendes Bauen. So hätte es weitergehen können.“
Weite Teile der Möblierung sind erhalten: hier der mit Linoleum bezogene Tisch und die Stühle in der Sakristei.Braun / EMH
Die Kirche blieb während des Zweiten Weltkrieges von schweren Schäden verschont. Die heutige Ausstattung und Möblierung ist weitgehend original erhalten.
In Zusammenarbeit mit dem Denkmalamt wurden bei Restaurierungsarbeiten vor einigen Jahren die Buntglasfenster und das Lichtband neu geschaffen sowie das matte Rot der zwischenzeitlich weiß gestrichenen Außenfassade wieder hergestellt.
„Unsere Gemeinde war schon immer froh über diese erste moderne Kirche der Landeskirche, und auch ein wenig stolz darauf“, sagt Pfarrer Wilhelm Kautter. „Erst recht, seit wir uns im Zuge des 75-jährigen Jubiläums und der Renovierungsarbeiten noch intensiver mit dem Bau beschäftigt haben.“
Jahr für Jahr beteiligt sich die Gemeinde am bundesweiten Tag des offenen Denkmals am jeweils zweiten Sonntag im September und bietet zudem regelmäßig Kirchenführungen an.
Stephan Braun
Kirchenführungen in der Kreuzkirche in Stuttgart-Hedelfingen: jährlich von Mai bis Oktober an jedem ersten Sonntag im Monat von 15 bis 16 Uhr.
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