05.12.2025

„Ihre Urteilskraft und ihr großes Engagement werden uns fehlen“

Prälatin Gabriele Wulz geht in den Ruhestand

„Es gab kaum einen Sonntag, an dem Prälatin Gabriele Wulz nicht predigend auf einer der zahlreichen Kanzeln in der Ulmer Prälatur stand, und oft übernahm sie dann noch den Abendgottesdienst im Münster. Und gleich, wo sie hinkommt, kennt sie die Menschen mit Namen und weiß, wer Kirchengemeinderat, Mesnerin oder Chorleiter ist. Sie lebte dabei auch den Dekaninnen und Dekanen vor, wie kirchenleitendes Handeln allein mit der Macht des Wortes geschieht“. So würdigt Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl die scheidende Prälatin Gabriele Wulz, die am Sonntag, 7. Dezember, im Ulmer Münster in einem Festgottesdienst entpflichtet und in den Ruhestand verabschiedet wird. 

Prälatin Gabriele Wulz im Abschiedsinterview

Weiter sagt Gohl über die Ulmer Regionalbischöfin: „Auch unbequeme Themen wie den Umgang mit sexualisierter Gewalt in der Kirche hat sie angepackt und dessen Aufarbeitung entscheidend vorangebracht. In ihrem kirchenleitenden Amt hat sie immer die Freude an der Theologie ausgestrahlt. In all den Jahrzehnten ihres Wirkens hat sie die Suche nach Wahrheit im gemeinsamen Gespräch nie aufgegeben und von ihrem Gegenüber mit einer großen Beharrlichkeit und wenn nötig auch mit Härte eingefordert. In der Kirchenleitung wird uns nicht nur ihre Urteilskraft und ihr großes Engagement fehlen.“ Prälatin Gabriele Wulz ist zum 1. Dezember aus ihrem Dienst ausgeschieden. Sie hatte das Amt der Prälatin seit 2001 inne.  

Prälatin Gabriele Wulz

Gabriele Wulz sagt über ihre Zeit als Prälatin: „Ich blicke sehr dankbar auf 24 Jahre als Prälatin von Ulm zurück. Das Amt der Prälatin ist eine wunderbare Aufgabe, die Theologie, Kirche und Gemeinde zusammenbringt. Man ist nicht in erster Linie administrativ tätig, nicht Teil des Dienstwegs und lernt trotzdem viele Schaltstellen unserer Kirche kennen. Es ist ein geistliches Amt. Man hat kein Budget, keine Stellen, keinen Stab, kein Personal. Man hat nur die Kraft des Wortes und das Vertrauen darauf, dass dieses Wort etwas austragen kann. Manchmal gelingt das und manchmal misslingt es auch.“ Über die Zukunft der Kirche sagt Wulz: „Die Bedeutung von Kirche wird eine andere werden. Wir befinden uns in Transformationsprozessen: Der Pfarrdienst verändert sich, die Gemeindestruktur verändert sich, das Ehrenamt verändert sich. Diese Veränderungen waren bei meinem Amtsantritt 2001 schon präsent. Dass sich Kirche verändert, ist ein kontinuierlicher Prozess.“

Prälatin Wulz engagierte sich in ihrer Amtszeit auch als Vorsitzende des Gustav-Adolf-Werks (GAW) und hat die Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt in der Kirche intensiv begleitet. Zudem lag ihr das Verhältnis von Juden und Christen sehr am Herzen. Einen weiteren Arbeitsschwerpunkt bildete Kirche in ländlichen Räumen.

Nach dem Studium der Theologie in Tübingen, Berlin und Jerusalem und dem Vikariat in Leonberg arbeitete sie im unständigen Pfarrdienst in Aitrach und in Jerusalem sowie als Repetentin im Evangelischen Stift in Tübingen. Sie wechselte 1992 auf eine Pfarrstelle in Stuttgart-Vaihingen und war anschließend von 1998 bis 2001 als Studieninspektorin im Tübinger Stift tätig, bevor sie auf die Stelle der Regionalbischöfin der Prälatur Ulm wechselte.

Die Verabschiedung findet am 7. Dezember um 9:30 Uhr im Ulmer Münster statt. Prälatin Wulz hält die Predigt. Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl nimmt im Gottesdienst die Entpflichtung vor.

Das Abschied-Interview mit Prälatin Gabriele Wulz

Gabriele Wulz
Gabriele Wulz

Sie sind 2001 als zweite Frau in dieses besondere Amt gekommen – wie war das damals für Sie? 

Prälatin Gabriele Wulz: Es war eine sehr, sehr große Überraschung. Als mich die Anfrage ereilte, habe ich mir Bedenkzeit erbeten, um mich mit der Idee auseinanderzusetzen - immer so ein bisschen zwischen Traum und Wirklichkeit. Ich habe die damaligen Kollegen gefragt: Was bedeutet das eigentlich? Was für eine Aufgabe ist das? Alle haben mir versichert, dass es in diesem Amt darauf ankommt, dass du als Person und als Theologin präsent bist, und dass du sagst, was zu sagen ist. Das hat mich sehr gereizt.

Das Amt der Prälatin hat die wunderbare Aufgabe, Theologie, Kirche und Gemeinde zusammenzubringen, nicht im administrativen Bereich, nicht als Teil des Dienstwegs, und trotzdem viele Schaltstellen unserer Kirche kennenzulernen. Es ist ein geistliches Amt. Man hat kein Budget, keine Stellen, keinen Stab, kein Personal. Man hat nur die Kraft des Wortes und das Vertrauen darauf, dass dieses Wort etwas austragen kann. Manchmal gelingt es und manchmal misslingt es.

Sie hatten ja vorher schon Erfahrungen in unterschiedlichen Aufgaben gesammelt?

Prälatin Gabriele Wulz: Ich war Vikarin in Jerusalem, ich war im Oberschwäbischen, im Allgäu, denn ich habe immer von mir selbst gesagt: Ich bin unterwegs, ich will nicht lange am selben Ort sein, ich will mich immer wieder auf den Weg machen. Deshalb habe ich häufig die Stelle gewechselt.

Als ich dann ins Amt der Prälatin eingeführt wurde, war ich sicher: Das mache ich nie im Leben bis zum Ruhestand, kommt überhaupt nicht in Frage. Aber so wird man seiner eigenen Irrtümer überführt. Jetzt sind es 24 Jahre geworden, eine sehr, sehr lange Zeit, die mir aber im Rückblick gar nicht lang vorkommt, weil ich mich immer noch an vielen Stellen als Anfängerin sehe und bis zuletzt in Situationen kam, die ich noch nie erlebt hatte.

Natürlich habe ich manchmal überlegt, dass ich eigentlich mal was verändern müsste. Aber je länger ich Prälatin war, desto klarer wurde mir: Man muss die Kirche, die Gemeinden, die Kollegen und Kolleginnen, die Kulturen wirklich gut kennen und zu lesen wissen, um etwas bewirken zu können.

Die Vorsitzende eines Kirchengemeinderats hat mit einmal gesagt: „Frau Wulz, Sie haben jetzt schon gehört, was ich nicht gesagt habe.“ Das war für mich ein Schlüsselsatz. Man muss auch das hören können, was nicht gesagt wird, was noch nicht offen zu Tage liegt, aber trotzdem vielleicht eine viel größere Rolle spielt als das, was ausgesprochen wird.

Sie haben es gleich zu Beginn mit starken und deutlich älteren Persönlichkeiten zu tun gehabt. Wie war das?

Prälatin Gabriele Wulz: Prälatin Dorothea Margenfeld war natürlich quasi die Schwester im Amt. Sie hat mich sehr ermutigt und hatte immer eine freundliche, unterstützende Haltung. Aber auch mit den Kollegen hatte ich eine sehr, sehr gute Zusammenarbeit, die von großer Wertschätzung getragen war. Man hat sich auch übereinander aufgeregt, ganz klar. Und es war am Anfang viel zu klären. Das war mindestens so heftig wie das, was jetzt gerade unsere Landeskirche beschäftigt. 

Die Bedeutung von Kirche wird eine andere werden. Wir befinden uns in Transformationsprozessen. Der Pfarrdienst verändert sich, die Gemeindestruktur verändert sich. Das Ehrenamt verändert sich. Das war 2001 schon ganz präsent. Insofern empfinde ich es gar nicht so, dass sich so viel verändert hat, sondern das ist eigentlich für mich ein kontinuierlicher Prozess. Wir haben damals den Gemeindekongress in Böblingen gemacht, da war viel Energie und Lust im System, aber auch viel harsche Kritik. Also die gute alte Zeit, die gab es eigentlich so nicht.

Auch jetzt im Nachhinein würde ich nicht sagen, dass wir damals den Eindruck gehabt hätten, das wäre jetzt schon besonders toll, sondern im Gegenteil, es war herausfordernd, belastend und anstrengend. Aber ich war definitiv damals kämpferischer unterwegs als heute. 

Gab es ein bestimmtes Ereignis, das Sie geprägt oder nie mehr losgelassen hat? 

Prälatin Gabriele Wulz: Da gab es ganz arg viele, die oft mit persönlichen Begegnungen zusammenhingen. Zum Beispiel die Bischofswahlen – ich habe ja drei Bischöfe erlebt – waren immer Einschnitte, Zäsuren. Dann sind natürlich Menschen im Amt verstorben, die mir wichtig waren. Das waren immer auch schwere Zeiten, die man da miteinander durchgestanden hat. Auch das Reformationsjubiläum 2017 war eine intensive Zeit. 

Es gab auch heftige Konflikte, die sich nach ein paar Jahren wieder aufgelöst haben. Diese Erfahrung gibt einem eine größere Gelassenheit, bei manchen Dingen sagen zu können: Das kann sich alles wieder ändern und wir haben es nicht in der Hand. Ich bin vielleicht auch etwas gelassener geworden, glaube ich. 

Was hat sich in Ihrer Wahrnehmung verändert zwischen 2001 und heute? 

Prälatin Gabriele Wulz: Heute haben die Menschen insgesamt das Gefühl, in der Kirche brösele alles weg und die Kirche sei nicht mehr relevant. Das halte ich für einen Trugschluss. Wenn kirchliche Menschen heute sagen: „Um Gottes Willen, Hilfe, die Menschen finden uns nicht mehr wichtig!“ – dann sage ich: Die haben uns vorher auch nicht so wahnsinnig wichtig gefunden. Man hat es nur nicht ganz so laut gesagt, nicht so aggressiv.

Und es gibt auch viele positive Veränderungen. Zum Beispiel war kürzlich Konfirmandenvorstellung im Ulmer Münster. Danach gab es Kaffee. Das wäre vor 25 Jahren undenkbar gewesen, im Münster Kirchenkaffee zu haben. Da hat mich ein Vater angesprochen und gesagt, wie wichtig es seinem Sohn ist, konfirmiert zu werden, und wie schön er das findet und wie schade, dass die Menschen so den religiösen Bezug verloren haben. Und ich habe gedacht: So ein Gespräch zwischen Stehtischen und einer Tasse Kaffee, das hätte es vor 40 Jahren nicht gegeben.

Es wird nicht alles komplett wegbrechen. Im Gegenteil, vielen Kollegen und Kolleginnen macht Konfirmandenunterricht richtig Freude, denn es sind zwar nicht mehr 90 Prozent des Jahrgangs dabei, sondern vielleicht 40 oder 60 Prozent, aber das heißt ja: Es ist nicht mehr der Mainstream. Und die dabei sind, machen es gerne, bewusster, intensiver und konzentrierter. Ich predige jetzt auch völlig anders als am Anfang. Man wird direkter, nahbarer, greifbarer, geht mehr ins Gegenüber zum Menschen. Und da merke ich eine unglaubliche Resonanz. Insofern kann ich diesen Dekadenzmythos nicht teilen. Ich habe ganz viele feine Menschen kennengelernt in all diesen Jahrzehnten, bei denen ich denke, es ist großartig, dass es sie gibt. Und das ist wirklich Salz der Erde. 

Es gibt kirchliche Arbeitsfelder, die sich in besonderer Weise mit ihrer Person verbunden haben, etwa das EKD-Papier „Ländlicher Raum“...

Prälatin Gabriele Wulz: Ja, das war eine echte Entdeckung. Es war relativ am Anfang, da wurde ich angefragt, in dieser Arbeitsgruppe auf EKD-Ebene mitzuarbeiten. Das war für mich ein Augenöffner, weil mir klar geworden ist, dass ländlicher Raum kein monolithischer Block ist, sondern es eine Vielzahl ländlicher Räume gibt. Bin ich im Ries oder bin ich in der oberschwäbischen Diaspora? Oder auf der Blaubeurer Alb? Und die ist wieder ganz anders als die Heidenheimer Alb. Und so weiter und so fort. Ein Gespür dafür zu entwickeln, fand ich extrem wichtig, weil ich in einer ländlichen Region unterwegs bin. 

Zentralität braucht starke regionale Verankerungen. Wir können Fläche nicht mehr in einem komplett flächendeckenden Netz abdecken. Aber wir müssen regionale Leuchttürme oder auch Andockpunkte oder Kristallisationsorte finden. Wir müssen den Menschen klar machen: Lasst uns überlegen, wo ist Kirche präsent? Im evangelischen Kindergarten oder in einem Altenheim oder in einem Gottesdienstraum oder in einer alten Kirche oder in einer Fahrrad-Kirche? Das sind alles Dinge, die zu Kirche in ländlichen Räumen gehören und enorme Chancen bieten. 

Sie sind auch sehr engagiert im Gustav Adolf Werk …

Prälatin Gabriele Wulz: Ja, traditionell ist der Ulmer Prälat Vorsitzender des Gustav Adolf Werks (GAW). Das berührt uns auch hier, denn diese Diaspora-Situation, dieses Ausgestreutwerden in einer Gegend, wo man Minderheit ist, diese Erfahrung kann man auch in der Prälatur Ulm machen. Ich finde bei den Partnerkirchen in der Diaspora beeindruckend, wie sie evangelisches Bewusstsein, evangelisches Selbstverständnis entwickeln, das heute relevant ist und eine Botschaft für die Umgebung hat. Das finde ich beeindruckend. 

Sie haben sich besonders auch zum Thema der Aufarbeitung von Missbrauch in der Kirche engagiert …

Prälatin Gabriele Wulz: Dieses Thema begleitet mich seit meinem Vikariat vor 40 Jahren, in der Sprachlosigkeit, im Verstummen, im Sehen, im Weggucken, im Ignorieren. Es wurde schon unter der Personaldezernentin Ilse Junkermann Thema in unserer Landeskirche, wenn es um den Pfarrdienst ging. Ilse Junkermann hat damals eine sehr klare Linie erkämpft, dass man den Dingen disziplinarisch nachgeht und Konsequenzen zieht. Da hat Ilse Junkermann von Anfang an im Blick auf den Pfarrdienst eine andere Kultur der Personalverantwortung eingeführt. Das Thema hat inzwischen noch mal ganz andere Dimensionen angenommen, etwa durch die ForuM-Studie der EKD und die landeskirchliche „Auf!“-Studie. Der systemische Blick auf die Organisation, auf die Struktur, der ist erst durch die verschiedenen Studien gewachsen, und ich denke, da haben wir in den letzten Jahren eine Turboentwicklung geschafft – auch durch unsere beiden Fachtage darüber, was auch unsere Tradition, unsere Strukturen und auch blinde Flecken mit dem Thema zu tun haben.

Warum war so ein Blick früher nicht möglich? 

Prälatin Gabriele Wulz: Früher hat man nicht nachgefragt, wenn Andeutungen gemacht wurden. Man hat auch nichts gesagt etwa bei sexistischen Witzen im Kollegenalltag, man hat keine Grenzen markiert. Man wollte nicht überempfindlich erscheinen. Jugendliche sagen oft: Wir klären das erst mal unter uns, wenn uns was begegnet. Aber ab welcher Stelle geht man zu den Eltern? Oder zu einem Lehrer oder einer Lehrerin? Auch die Jugendlichen können oft erst mal nur stammeln und wissen nicht, wie sie es sagen sollen. Und deshalb müssen wir diese Kultur pflegen, dass wir die Räume aufmachen, in denen über das Thema gesprochen werden kann, auch anonymisiert. Das hat nichts mit Denunziation zu tun, sondern damit, dass Menschen sagen dürfen, wenn ihnen etwas zu viel ist oder wenn ihre Grenzen verletzt worden sind.

Und das ist eine Kulturfrage. Deshalb bin ich froh über die Zusammenarbeit mit Professor Rainer Anselm, die wir ja auch noch mal intensivieren wollen. Wir müssen als Kirche auf allen Ebenen von Ehrenamt, Hauptamt, Nebenamt, in den Konventen, in den Besprechungen, in den Jugendgruppen immer wieder diese Grenzen miteinander besprechen: Was ist für uns noch in Ordnung und was geht nicht und wo fühlt sich jemand nicht gut damit? Wir müssen immer weiter lernen und uns von der Idee verabschieden, dass immer noch funktioniert, was wir selbst in der Jugend gut gefunden haben und womit wir selbst sozialisiert worden sind. 

Ein weiteres Schwerpunktthema Ihrer Arbeit war das Verhältnis von Christen und Juden. 

Prälatin Gabriele Wulz: Das ist ganz tief biografisch verwurzelt. Ich habe nach dem Abitur in einem Kibbuz gearbeitet, dann in Berlin studiert und wurde dann von einem Professor darauf angesprochen, ob ich nicht in Israel studieren möchte. Das war die Initialzündung. Ich habe dann 1982/83 in Jerusalem studiert, war noch mal als Vikarin 88/89 im selben Studienprogramm. Dabei begleitet mich die Faszination, die eigene Tradition noch mal mit anderen Augen anzuschauen und dadurch sensibler zu werden. Zudem habe ich großen Respekt und eine große Liebe zur jüdischen Tradition und zur jüdischen Theologie.

Es gibt da Menschen, die mich unendlich viel gelehrt haben und mir Anteil gegeben haben an Liturgie, an Gebeten, an Gottesdiensten, an Festen, an Familie. Das ist eine tragende Säule in meinem Leben. Ich habe mich dann in der Landeskirche in der Arbeitsgruppe Wege engagiert, bin Vorsitzende des Beirates des Museums zur Geschichte von Christen und Juden in Laupheim. Ich war sechs Jahre auch im Vorstand von Aktion Sühnezeichen Friedensdienste. Dieses intergenerationelle Gespräch dort schätze ich ganz besonders hoch.

Darf die Kirche auch politisch Stellung beziehen?

Prälatin Gabriele Wulz: Es ist immer die Frage: Wer spricht und wer ist Kirche? Diese Unterscheidung ist immer wichtig. Es gibt ein Amt der Verkündigung. Und das ist nicht in dem Sinne politisch, dass da tagesaktuelle Ereignisse thematisiert werden.  Aber wenn ich gefragt werde, wo ich stehe, dann bin ich als Christenmensch verpflichtet, Auskunft darüber zu geben, wo ich stehe und welche Hoffnung mich leitet, und davon Rechenschaft abzulegen. Und wenn man Rechenschaft ablegt, wird man deshalb eben auch angegriffen. Das muss man dann aushalten. 

Hinzu kommt: Nichts zu sagen, ist genauso politisch wie etwas zu sagen – beides kann politisch wirken. Alles, was wir tun oder lassen, ist ein Zeichen.

Zum Beispiel der Brandanschlag auf die Synagoge in Ulm: Da war es mir wichtig, als Vertreterin der Kirche präsent zu sein und zu zeigen: Wir sind da. Das sind Zeichen, das ist politisches Handeln. Ich finde es ganz wesentlich und wichtig, dass wir im Sinne des Evangeliums kenntlich werden. Das aber immer in dem Wissen, dass wir das nicht in der Rolle derer tun, die automatisch die perfekt Guten sind. Das sind wir nämlich nicht, sondern wir sind gebrochene, geknickte Menschen wie alle anderen auch, und wir scheitern und kapieren manchmal erst zu spät, sagen das falsche Wort, manchmal auch das Richtige, und können nur darauf vertrauen, dass ein gnädiger Gott auch daraus noch etwas Ganzes macht.

Normalerweise beraten Sie Gemeinden. Was würden Sie aber einer jungen Vikarin mit auf den Weg geben?

Prälatin Gabriele Wulz: Ich würde ihr sagen: „Keine Angst vor ländlichen Räumen, das ist eine Riesenchance.“ Wer im Pfarramt im dörflichen Kontext zurecht kommt, wird sich überall im Leben zurechtfinden. Ich würde auch sagen: „Lass dich ein auf den Beruf und auf die Situation vor Ort.“ Das ist leichter gesagt als getan, weil es natürlich auch innere und äußere Hemmnisse gibt, die einen davon abhalten. Es gibt dieses Wort von Martin Buber an Albrecht Goes: „Du sollst dich nicht vorenthalten“. Das war mir immer eine Mahnung. Enthalte dich nicht vor, gib dich hinein, das ist Leben. Leben ist nicht, was irgendwann kommt oder was man sich irgendwie rausschneiden muss, sondern das, was jetzt ist, ist Leben. Das heißt natürlich, dass auch viel Blödes passiert. Ich sehe das gar nicht heroisch, aber da drin stecken Chancen.

Und was würden Sie einer Gemeinde raten im Blick auf eine junge Pfarrperson? 

Prälatin Gabriele Wulz: Einer Gemeinde würde ich auf den Weg geben: Seid nachsichtig. Die können das jetzt alles noch nicht zu 100 Prozent verstehen, sondern ihr müsst mit ihnen kommunizieren, und zwar nicht im Ton des Vorwurfs. Ihr müsst kommunizieren, wer ihr seid, und damit müsst ihr über euch reden und nicht über das, was ihr vom Pfarrdienst erwartet. 

Und dann erwartet nicht, dass diese jungen Pfarrpersonen für euch jetzt das Lebenselixier sind. Das halte ich für eine fürchterliche Sehnsucht und ein Verzwecken von Menschen, die mich wirklich traurig stimmt. Das hat so was besitzergreifendes. Auch hier geht es wieder um Grenzen. Man muss die Grenzen achten und respektieren. Die Gemeinden wollen ja immer die junge Pfarrfamilie, die aber rund um die Uhr für alles das da ist, was man als eigenes Defizit erlebt. Und das ist nie gut. 

Was würden Sie einer Pfarrperson sagen, die jetzt in den Ruhestand geht? 

Prälatin Gabriele Wulz: Dass ich auch nicht weiß, wie man das gut macht. 

Haben Sie sich etwas vorgenommen? 

Ich merke, wie schwer es fällt, wirklich loszulassen. Ich muss mir ganz streng sagen: Das ist nicht mehr deine Sache. Es ist nicht mehr deine Verantwortung, auch wenn ich Dinge beobachte, die ich nicht gut finde. Das ist eine Demutsübung und ich glaube, es gibt keine Abkürzung, so dass ich gleich wieder über Blumenwiesen springe.

Das Gespräch führte Dan Peter, Sprecher der Landeskirche

Die Landeskirche in den sozialen Netzwerken

@elkwue - Newskanal der Landeskirche

@WissensWerte - Infokanal der Landeskirche

@GlaubensSachen - täglich christliche Impulse

Hinweis für Kirchengemeinden

Kirchengemeinden sind herzlich eingeladen, Texte wie diesen von www.elk-wue.de in ihren eigenen Publikationen zu verwenden, zum Beispiel in Gemeindebriefen. Sollten Sie dabei auch die zugehörigen Bilder nutzen wollen, bitten wir Sie, per Mail an kontaktdontospamme@gowaway.elk-wue.de nachzufragen, ob die Nutzungsrechte für den jeweiligen Zweck vorliegen. Gerne können Sie alle Bilder nutzen, die Sie im Pressebereich unserer Webseite finden. Sie möchten in Ihrem Schaukasten auf unsere Webseite verlinken? Hier erfahren Sie, wie Sie dafür einen QR-Code erstellen können. 

Schon gewusst?

Was es mit der Kirchensteuer auf sich hat, wie sie bemessen wird und welche positiven Effekte die Kirchen mit der Kirchensteuer an vielen Stellen des gesellschaftlichen Lebens erzielen, erfahren Sie auf www.kirchensteuer-wirkt.de.

Grafik Kirchensteuer wirkt Begleitung und Gottesdienst

Weitere Meldungen, die Sie interessieren könnten

Dr. Benjamin Mayer wird Rechtsdezernent der Landeskirche

Dr. Benjamin Mayer ist vom Landeskirchenausschuss zum neuen Leiter des Dezernats Recht im Evangelischen Oberkirchenrat Stuttgart gewählt worden. Er folgt auf Dr. Michael Frisch, der in den Ruhestand geht. Mayer tritt seinen Dienst zum 1. Januar 2026 an.

Weiterlesen

Kurt König mit Silberner Brenz-Medaille ausgezeichnet

Kurt König, ehemaliger Bürgermeister von Altshausen, ist für sein ehrenamtliches Engagement in der württembergischen Landeskirche mit der Silbernen Brenz-Medaille ausgezeichnet worden – der höchsten Auszeichnung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg.

Weiterlesen

Weiterbildung zum Digitalisierungs-Coach

Digitale Transformation passiert auch in Gemeinden und kirchlichen Einrichtungen. Dort fehlt es oft nicht an gutem Willen, sondern am Know-how. Da setzt die berufsbegleitende Weiterbildung „Digitalisierungs-Coach (m/w/d) in kirchlichen Kontexten“ an.

Weiterlesen

Fünf Pfarrerinnen und Pfarrer in den Pfarrdienst eingeführt

Eine Theologin und vier Theologen haben in diesem Jahr ihr Vikariat im Kirchenbezirk Tübingen abgeschlossen und sind im Juli in der Tübinger Jakobuskirche feierlich als Pfarrerinnen und Pfarrer ordiniert worden. Wir haben sie gefragt, warum sie den Pfarrberuf gewählt haben und worauf sie sich besonders freuen.

Weiterlesen

Fragen und Antworten zur Kirchenwahl

Am 30. November können in Württemberg rund 1,5 Millionen Wahlberechtigte bei über ihre Vertretung im örtlichen Kirchengemeinderat und in der Landessynode abstimmen. Diese Wahl findet alle sechs Jahre statt. Hier finden Sie Antworten auf oft gestellte Fragen zur Wahl.

Weiterlesen

„Eine der herausforderndsten Legislaturperioden“

In diesem Interview sprechen Karola Vollmer und Christoph Alber über die Arbeit im Kirchengemeinderat und über die Entwicklung des kirchlichen Ehrenamts im Ganzen.

Weiterlesen

Farbschwäche:

Benutzen Sie die Schieberegler oder die Checkboxen um Farbeinstellungen zu regulieren

Einstellungen für Farbschwäche

Schrift:

Hier können die Schriftgröße und der Zeilenabstand eingestellt werden

Einstellungen für Schrift

Schriftgröße
D
1
U

Zeilenabstand
Q
1
W

Tastenkombinationen:

Mit den aufgeführten Tastenkombinationen können Seitenbereiche direkt angesprungen werden. Verwenden Sie auch die Tabulator-Taste oder die Pfeiltasten um in der Seite zu navigieren.

Inhalt Tastenkombinationen

Hauptnavigation: M
Toolbar Menü: T
Inhalt: C
Footer: F
Barrierefreiheit: A
Hauptnavigation: M
Toolbar Menü: T
Inhalt: C
Footer: F
Schriftgröße +: U
Schriftgröße -: D
Zeilenabstand +: W
Zeilenabstand -: Q
Nachtmodus : Alt (Mac Option Key) + J
Ohne Bilder: Alt (Mac Option Key) + K
Fokus: Alt (Mac Option Key) + G
Tasten­kombinationen: Alt (Mac Option Key) + O
Tastensteuerung aktivieren: Alt (Mac Option Key) + V
Alles zurücksetzen: Alt (Mac Option Key) + Y