| Politik

Der Kirchenmann im Landtag

Interview mit Pfarrer Volker Steinbrecher

Am 11. Mai ist die konstituierende Sitzung des neuen Baden-Württembergischen Landtags. Zum Auftakt gibt es in der Domkirche St. Eberhard in Stuttgart einen Gottesdienst. Und er ist dann auch mit dabei: Pfarrer Volker Steinbrecher (52). Er ist aber kein Landtagsabgeordneter, sondern der Beauftragte der Evangelischen Landeskirchen in Baden und Württemberg bei Landtag und Landesregierung. Was sich hinter diesem Titel verbirgt, hat er im Interview mit Achim Stadelmaier erzählt.

Pfarrer Volker SteinbrecherEMH

Herr Steinbrecher, Sie sind, zusammen mit Ihrem katholischen Kollegen, seit fünf Jahren der kirchliche Beauftragte bei Landtag und Landesregierung. Was genau ist Ihre Aufgabe?
Ich bin dafür da, den Kontakt zur Landesregierung und den Abgeordneten zu pflegen. Diese Stelle gibt es übrigens in jedem Bundesland. Die Politiker tragen eine große Verantwortung für das Wohl unserer Gemeinschaft und deswegen wollen wir sie als Kirchen unterstützen. Wir fragen: Was kann Kirche dafür tun, dass gemeinschaftliches Leben bei uns gelingen kann und wir wollen Impulse geben. Die Politik nimmt uns als wichtigen gesellschaftlichen Faktor wahr. Immerhin sind noch fast 80 Prozent der Baden-Württemberger Mitglied in einer der Kirchen. 

Wie bringen Sie Ihre Themen an den Mann?
Das passiert zum Beispiel am Rand von Plenarsitzungen. Abgeordnete kommen auf mich zu und fragen mich um meine Einschätzung aus kirchlicher Sicht. Außerdem fungiere ich als eine Art Übersetzer für kirchliche Themen. Wenn wir beispielsweise von der Bewahrung der Schöpfung sprechen, dann hat das ja mit Umweltpolitik oder Agrarpolitik zu tun. So versuchen wir kirchliche Positionen in die Politik hineinzutragen.

Das heißt, Sie sind so etwas wie ein Lobbyist für die Kirche?
Ja, aber mit Abstrichen. Denn aus meiner Sicht setzt der Begriff Lobbyist immer voraus, dass eine Institution davon profitiert. Es geht bei meiner Arbeit aber weniger um die institutionellen Interessen der Landeskirchen, sondern um die Themen, die uns am Herzen liegen: Nächstenliebe, soziale Gerechtigkeit, etc. Wenn sie das mit Lobbyismus meinen, dann würde ich das unterstreichen. Darüber hinaus darf man die seelsorgerliche Komponente meiner Arbeit nicht vergessen. 

Bei welchen Themen waren Sie in den letzten fünf Jahren besonders gefragt?
Ein Thema war die Änderung des Bestattungsrechts. Immer mehr Muslime, die hier bei uns leben, wollen auch hier bestattet werden. Dafür war eine gesetzliche Änderung nötig. Die Politik ist gemeinsam mit den Kirchen, mit den anderen Religionsgemeinschaften und den betroffenen Gewerken zu einer guten Lösung gekommen. Oder die Änderung des Feiertagsgesetzes: Stichwort Tanzverbot. Ich denke, dass wir da unsere Position deutlich machen konnten und eine maßvolle Änderung erreicht haben. Auch der Bildungsplan hat uns natürlich beschäftigt. Da konnten wir darauf hinwirken, dass es noch wesentliche Änderungen gegeben hat und wir jetzt ein gutes „Produkt“ vorliegen haben.

Der Landtag im Herzen Stuttgarts.LMZ-BW/Grenzemann

Sie haben den seelsorgerlichen Aspekt Ihrer Arbeit angesprochen. Mit welchen Problemen kommen die Abgeordneten zu Ihnen? 
Da geht es um Fragen, die auch normale Gemeindeglieder beschäftigen. Die Krankheit des Partners, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und vieles mehr. Mich freut es, wenn sich ein Vertrauensverhältnis entwickelt, das solche seelsorgerlichen Kontakte zulässt. Es kam auch schon vor, dass ich von einem Abgeordneten gefragt wurde, ob ich seine Tochter trauen könne. Solche persönlichen Begegnungen sind in diesem schnelllebigen Politikalltag etwas Schönes. Die Abgeordneten sind oft im Stress, stehen unter Zeitdruck, sind mit vielen Dingen beschäftigt. Und wenn wir dann kleine Oasen anbieten können, wo Gespräche in ruhiger Atmosphäre stattfinden können, ist das etwas sehr Wertvolles. 

Haben Sie durch Ihre Arbeit eigentlich einen etwas anderen Blick für die Politiker bekommen?
Ja! Die oft sehr pauschale Politikerschelte kann ich nicht nachvollziehen. Es ist ein Leben, bei dem man permanent unter öffentlicher Beobachtung steht. Und das setzt viele, vor allem junge, Abgeordnete unter Druck. Wer heute so ein Amt übernimmt, muss wirklich hochgradig Interessiert daran sein. Es ist kein leichter Job. Auch ungesund, wenn sie so wollen. Man regt sich viel auf, sitzt viel, diskutiert viel. Diese Arbeit verlangt eine hohe Disziplin.

Bei welchen Themen ist die Landesregierung denn in den nächsten fünf Jahren aus kirchlicher Sicht besonders gefordert? 
Das Thema Bildung ist aus unserer Sicht zentral. Wie schaffen wir es, dass alle Zugang zu Bildung haben, gleich welcher Herkunft und sozialer Stellung.  Auch der Sonntagsschutz liegt uns am Herzen. In Zeiten der Digitalisierung und der Tatsache, dass sie in vielen Berufen eigentlich immer und überall arbeiten können, ist es umso wichtiger, dass die Menschen auch mal zur Ruhe kommen und eine Gesellschaft gemeinsam durchschnaufen kann. Dafür ist der Sonntag aus unserer Sicht unerlässlich.

Am Mittwoch wird es vor der ersten Landtagssitzung einen Gottesdienst in der Domkirche St. Eberhard in Stuttgart geben. Wie kommt dieses Angebot bei den Abgeordneten an?
Die Resonanz ist immer sehr gut. Auch viele Abgeordnete sehen, dass es manchmal mehr braucht als eine gute Fachkenntnis oder gewissenhafte Arbeit, sondern auch Gottes Beistand. Und seinen Segen wollen wir ihnen zu Beginn der Legislaturperiode zusprechen.

Vielen Dank für das Gespräch.


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