31.05.2019 Warum die Kirche Geiz gar nicht geil findet
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Gesellschaft
Warum die Kirche Geiz gar nicht geil findet
Evangelische Landeskirche wirbt für Genügsamkeit
„Wachstum neu denken“: So lautet der Titel eines Impulspapiers der Evangelischen Landeskirche in Württemberg . Die Autoren werben darin für eine Wirtschaft der Genügsamkeit; Oberkirchenrat Ulrich Heckel, Theologie-Dezernent der Landeskirche, erklärt die Werbung fürs Umdenken.
Oberkirchenrat Professor Ulrich Heckel, Theologie-Dezernent der Evangelischen Landeskirche in Württemberg.Gottfried Stoppel/EMH
Herr Professor Heckel, der Umweltrat wünscht sich mehr Genügsamkeit bei Konsumenten und Unternehmern. Worum geht es in Ihrem Papier?
Es geht um die Grundfragen: Was brauche ich zum Leben? Wie viel genügt mir? Wie viel brauche ich, um glücklich zu sein?
Und wie wird aus der Antwort auf diese Fragen ein Wirtschaftsmodell?
Wir wollen Wachstum neu denken. Jahrhunderte lang war Wachstum ein natürlicher Prozess von Werden und Vergehen, Frühjahr und Herbst, Säen und Ernten. Mit der Industrialisierung ist Wachstum zunehmend zu einer quantitativen Steigerung geworden. Nun reift das Bewusstsein, dass wir an unsere Grenzen kommen, dass die Natur das nicht verkraftet und dass wir statt einer quantitativen eine qualitative Steigerung brauchen.
„Wirtschaftssystem umsteuern“
Damit kratzen Sie am geltenden Dogma in der Ökonomie, dass die Wirtschaft immer wachsen muss...
Wachstum ist innerhalb der Wirtschaft ein ganz natürlicher Prozess - von der Postkutsche zum Flugzeug oder von den mittelalterlichen Schreibwerkstätten zur modernen Texterfassung im Computer. Da sind einige Berufe inzwischen ausgestorben. Beim Auto geht der Trend weg vom Verbrennungsmotor hin zum Elektroantrieb. Das Ziel muss nun sein, unser Wirtschaftssystem umzusteuern.
Sie sind also nicht gegen Wachstum, sondern meinen, es müsste ein „grünes“ Wachstum sein?
Ja, wir müssen die Ressourcen dieser Welt schonen und die Gerechtigkeit stärken. Dabei wollen wir nicht mit erhobenem Zeigefinger moralisieren oder mit weltfremden, abstrakten Forderungen in die Diskussion grätschen. Wir wollen einen konstruktiven Beitrag zur Verbesserung der Lebenswelt und der Lebensqualität leisten.
Bei Suffizienzwirtschaft geht es allerdings auch um eine Verringerung der Nachfrage. Heißt das nicht: Es wird auch mehr Arbeitslosigkeit geben?
Unser Motto lautet nicht: „Jedes Auto, das nicht fährt, ist ein gutes Auto.“ Uns geht es um Chancen und Risiken der wirtschaftlichen Entwicklung und um die Frage, was wir mit unserem Leben wollen. Und worin die wahre Lebensqualität besteht. Infolge entwickelt sich dann eine andere Art der Nachfrage, die für die Umwelt verträglich ist. Beim Urlaub zum Beispiel steigt der Erholungseffekt nicht im Quadrat zur Entfernung des Urlaubsorts.
Hat die Kirche genügend Wirtschaftskompetenz?
Hat die Kirche überhaupt die Kompetenz, sich in Wirtschaftsfragen einzumischen?
In unserem landeskirchlichen Umweltrat ist ja nicht nur der Oberkirchenrat vertreten, sind nicht nur kirchliche Mitarbeiter, sondern auch Vertreter aus Verbänden und Ministerien, die mit ihrer Fachkompetenz mitberaten. Wir wollen keine simplen schwarz-weiß Folien und primitiven Unterscheidungen zwischen Gut und Böse, sondern angemessene Lösungen für die Herausforderungen, vor denen wir stehen.
Landwirte kämpfen seit langem gegen ein „Geiz ist geil“-Denken. Bei Demonstrationen fordern sie regelmäßig auskömmliche Erzeugerpreise und weniger Preisdruck durch den Handel (Archivfoto).Jjjj11/CC BY-SA 3.0
Wie begründen Sie theologisch das kirchliche Engagement in Wirtschaftsfragen?
In der Schöpfungsgeschichte bekommt der Mensch den Auftrag, sich die Erde untertan zu machen und sie gleichzeitig zu bewahren. Reformatoren wie Martin Luther betonten die Weltgestaltung als Auftrag für Christen - jeder an seinem Ort, an den ihn Gott gestellt hat.
Geht denn die Kirche in Sachen Suffizienz mit gutem Beispiel voran?
Wir haben da viele Initiativen, zum Beispiel den Grünen Gockel, ein Umweltzertifikat für Kirchengemeinden. Wir haben in der Haushaltsordnung ökologische und soziale Kriterien aufgenommen. Unsere Pfarrhäuser werden heute ökologisch saniert. Auch der Neubau des Oberkirchenrates hier in Stuttgart wird nach ökologischen Kriterien geplant. Beim Klimaschutz haben wir die Ziele der EKD für unsere Landeskirche übernommen. Das heißt: Ja, wir beziehen Suffizienz klar in unsere Arbeit mit ein, aber man könnte natürlich immer mehr machen.
Konsumverhalten entscheidet
Wie wollen Sie denn Genügsamkeit in die Herzen der Menschen bringen? Herrscht nicht nach wie vor die Gier?
In der Kirche ist das ein Thema für Gottesdienste, Religionsunterricht, Konfirmandenunterricht. Es ist ja nicht nur die angeblich böse Wirtschaft, die in diesem Bereich etwas falsch macht, sondern das sind wir alle mit unserem Konsumverhalten. Die Industrie stellt schließlich nur Waren her, die gekauft werden. Wir sollten erkennen: Geiz ist nicht geil, Gier macht nicht glücklich. Wir sollten Dankbarkeit lernen und uns an den Gaben unseres Schöpfers freuen.
Herr Professor Heckel, wir danken für das Gespräch.
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