| Gesellschaft

„Antisemitismus ist Gotteslästerung“

July verurteilt Anschlag von Halle - Solidaritätsaktion in Esslingen

Halle/Stuttgart/Esslingen/Ulm. Entsetzen und Fassungslosigkeit über den antisemitischen Anschlag in Halle mit zwei Todesopfern und mehreren Verletzten: „Antisemitismus ist Gotteslästerung“, betont Landesbischof Dr. h.c. Frank Otfried July; die Landeskirche stehe „fest an der Seite unserer jüdischen Geschwister“. Der Kirchenbezirk Esslingen ruft zu einer Solidaritätsaktion am Donnerstagabend vor der Synagoge in Esslingen auf.

Erschütterung und Entsetzen nach dem antisemitischen Anschlag in Halle (Symbolbild).hurk/Pixabay

Ein 27-Jähriger aus Benndorf bei Eisleben steht unter dringendem Verdacht, am Mittwoch schwerbewaffnet die vollbesetzte Synagoge in Halle angegriffen zu haben; die Gemeinde dort feierte gerade Jom Kippur, den höchsten jüdischen Feiertag. Weil die verschlossenen Türen den Schusswaffen und Molotow-Cocktails standhielten, hat er sich ein anderes Ziel gesucht: In einem nahen Döner-Imbiss soll zwei Menschen erschossen und weitere teilweise schwer verletzt haben.

Landesbischof Frank Otfried July verurteilt den Brandanschlag auf die Synagoge in Ulm. Dank eines beherzten Zeugen konnte die Feuerwehr Schlimmeres verhindern.Archivfoto: elk-wue.de / Gottfried Stoppel

„Bestürzt, traurig und sehr entschlossen“

„Ich bete für die Opfer und ihre Angehörigen sowie die jüdische Gemeinde in Halle und alle unsere jüdischen Geschwister", heißt es in einer Erklärung von Landesbischof Dr. h.c. Frank Otfried July am Tag nach dem Anschlag eines Rechtsextremisten. „Bestürzt, traurig und sehr entschlossen sage ich nach der Schandtat von Halle, dass wir fest an der Seite unserer jüdischen Geschwister stehen."

Außerdem stehe die Landeskirche dafür, dass „das Leben und die Würde eines jeden Menschen zu achten“ ist - und will „mit vereinten Kräften rechtsextremer Gesinnung entgegentreten."

Die Synagoge in Esslingen ist die älteste in Württemberg. Heute Abend findet ab 19 Uhr eine Solidaritätsaktion des evangelischen Kirchenbezirks Esslingen vor dem jüdischen Gotteshaus statt.Siegfried Denzel/EMH

Aktion vor der ältesten Synagoge

Als sichtbares Zeichen dafür ruft der Kirchenbezirk Esslingen am heutigen Donnerstag ab 19 Uhr zu einer Solidaritätsaktion direkt vor der Synagoge der Stadt auf; sie ist das älteste jüdische Gotteshaus in Württemberg.Sie soll „eine Absage an Antisemitismus und Rechtsradikalismus sein", heißt es im Aufruf des Esslinger Dekans Bernd Weißenborn. „Wir wollen ein Zeichen der Verbundenheit setzen. Wir stehen zusammen für unsere jüdischen Mitbürger." Teilnehmen will auch die Stuttgarter Prälatin Gabriele Arnold.

Gedenkbuch im Ulmer Münster

Zu Wort gemeldet hat sich auch der Rat der Religionen in Ulm:  „Wir trauern mit den Angehörigen der Opfer, bangen um die Verletzten und stellen uns an die Seite unserer jüdischen Geschwister“, heißt es in einer Erklärung; unterzeichnet ist sie vom katholischen Dekan Ulrich Kloos und Imam Israfil Polat. Und weiter: „Diesmal werden es die Antisemiten nicht schaffen, unser Zusammenleben und unsere freiheitliche Grundordnung zu zerstören. Diesmal nicht!“

Ausgelegt ist diese Erklärung im Nordschiff evangelischen Münster, wo auch eine brennende Kerze sowie ein Gedenkbuch an die Toten und Verletzten von Halle erinnern sollen - und sich Münster-Besucher mit Kondolenz-Unterschriften solidarisch mit der jüdischen Gemeinde erklären können.

Eine brennende Kerze und ein Gedenkbuch erinnern im Ulmer Münster an die Opfer des Anschlags von Halle; Besucher des Gotteshauses können mit Kondolenzunterschriften ihre Verbundenheit mit den Opfern sowie den jüdischen Gemeinden ausdrücken.Ernst-Wilhelm Gohl

„Ungenügender Schutz“

Die Vorstandssprecherin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs, Professorin Barbara Traub, kritisierte gegenüber dem SWR einen teilweise ungenügenden Schutz der jüdischen Gemeinden. Nach ihren Worten haben die Gemeinden auf politischer Ebene „immer wieder Verhandlungen geführt, dass Gemeinden stärker geschützt werden sollten“. Dies sei „nicht immer im gebührenden Maß zur Kenntnis genommen worden“, sagte Traub, die auch Präsidiumsmitglied im Zentralrat der Juden in Deutschland ist.

Professorin Dr. Barbara Traub, Vorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft in Württemberg (IRGW)IRGW/EMH

Weiterhin Führungen in Synagoge

Nach Anschlägen auf Synagogen in anderen europäischen Ländern oder auch in den USA seien jüdische Gemeinden „schon lange davon ausgegangen“, dass auch in Deutschland ein Anschlag stattfinden könne. Dennoch, betonte Barbara Traub „wollen wir unsere Offenheit bewahren“.

So solle es beispielsweise in Stuttgart weiterhin Führungen in der dortigen Synagoge geben. Außerdem lädt die Gemeinde am Sonntag, 20. Oktober, zwischen 14 und 17 Uhr zu einem „Tag der offenen Laubhütte“ ein; an jenem Tag endet das einwöchige Laubhütenfest. Gäste seien willkommen, allerdings gebe es Ausweiskontrollen, hieß es von Seiten der jüdischen Gemeinde.

Ein Sprecher des baden-württembergischen Innenministeriums verwies am Donnerstag auf „offene und verdeckte Präsenz- und Aufklärungsmaßnahmen, regelmäßige Kontaktaufnahmen mit den Objektverantwortlichen sowie das Führen von entsprechenden Sicherheitsgesprächen und die Festlegung von polizeilichen Ansprechpartnern in Eilfällen". So wisse jede jüdische Gemeinde, wer bei der Polizei Ansprechpartner ist.

Aufruf zur Zivilcourage

Landesbischof July zeigte sich unterdessen „erschüttert, dass der Staat überhaupt Synagogen schützen muss". Dieser Schutz müsse dann „aber wirkungsvoll sein“.

Gleichzeitig forderte er zu Zivilcourage auf, um rechtsextremer Gesinnung Widerstand zu leisten: „ Jeder kann dazu beitragen. Widersprechen, wenn dumpfes Geraune hörbar oder Geschichtsfälschung hoffähig wird." 

Der Beitrag wurde aktualisiert.


Mit Material des Evangelischen Pressedienstes (epd)


Mehr News

  • Datum: 29.03.2024

    Karfreitag: Bruchstücke des Lebens

    „Ich kann die Gebrochenheit in meinem Leben zulassen, weil ich weiß, dass auch ich mit all meiner Bruchstückhaftigkeit, auch mit meinem Scheitern einfach in Gottes Liebe aufgehoben bin“, sagt Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl in diesem SWR-Gespräch über Karfreitag.

    Mehr erfahren
  • Datum: 27.03.2024

    „Leben ist ein unverfügbares Geschenk“

    In seiner Osterpredigt weist Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl auf die Heiligkeit des menschlichen Lebens hin und warnt vor gesellschaftlichen Risiken: „Eine Gesellschaft, die meint, sich selbst das Leben zu verdanken, verliert am Ende die Ehrfurcht vor dem Leben.“

    Mehr erfahren
  • Datum: 27.03.2024

    Osterbotschaft: „Sieg des Lebens“

    „Ostern ist der Sieg des Lebens über den Tod, der Sieg des Lichtes über die Dunkelheit“, sagt Landesbischof Gohl in seiner Osterbotschaft. Im Video nimmt er Sie mit auf den Birkenkopf bei Stuttgart, wo nach dem 2. Weltkrieg große Mengen Fassadentrümmer aufgeschüttet wurden.

    Mehr erfahren
  • Datum: 27.03.2024

    Mit den Sinnen feiern: Ostern mit den Konfis

    Ostern ist kein einfaches Fest. Wie man dieses zentrale Fest der Christenheit Konfirmanden und Konfirmandinnen nahebringt, davon erzählen Pfarrer Friedemann Bauschert (Stephanuskirche Tübingen) und Pfarrer Martin Trugenberger, Dozent für Konfirmandenarbeit am ptz.

    Mehr erfahren
  • Datum: 27.03.2024

    Spenden für humanitäre Hilfe im Nahen Osten

    Nach den Angriffen der Hamas auf die israelische Bevölkerung ist die humanitäre Lage der Menschen in den betroffenen Gebieten dramatisch. Medikamente, Wasser und Lebensmittel fehlen. Dr. Annette Noller, Vorstandsvorsitzende der Diakonie Württemberg, bittet um Hilfe.

    Mehr erfahren
  • Datum: 27.03.2024

    Perspektiven für christlich-islamischen Dialog

    Dr. Friedmann Eißler, Islambeauftragter der Landeskirche, erklärt in einer aktuellen Stellungnahme, was den interreligiösen Dialog gegenwärtig so komplex macht.

    Mehr erfahren
  • Datum: 26.03.2024

    ACK-Broschüre über Nachhaltigkeit

    Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Baden-Württemberg fordert in den „Schöpfungs-Leitlinien“ nachhaltige Lebensbedingungen für die ganze Welt. Die erstmals 2002 herausgegebene Broschüre ist nun in einer überarbeiteten Neuauflage erhältlich.

    Mehr erfahren
  • Datum: 25.03.2024

    beraten & beschlossen Frühjahrssynode 2024

    Videos, Bilder, Berichte - unser digitales Synoden-Magazin gibt multimedial Einblick in die Frühjahrstagung der Landessynode am 15. und 16. März. Und um keine Ausgabe zu verpassen, können Sie sich hier für unseren „beraten & beschlossen“ Newsletter registrieren.

    Mehr erfahren
  • Datum: 25.03.2024

    Prälatur-Gottesdienste in der Karwoche und zu Ostern

    Die Regionalbischöfinnen und Regionalbischöfe der Landeskirche feiern an Gründonnerstag, Karfreitag, Ostersonntag und Ostermontag Gottesdienste in ihrer Prälatur. Hier finden Sie die Terminübersicht.

    Mehr erfahren
  • Datum: 25.03.2024

    FAQ zu Ostern: Auferstehung für Zweifelnde

    Ohne Auferstehung gäbe es kein Ostern. Doch woran glauben Christinnen und Christen da eigentlich, und was ist, wenn einem dieser Glaube schwerfällt? Was sagt die Bibel dazu? Pfarrer Dan Peter, Sprecher der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, gibt Antworten.

    Mehr erfahren
  • Datum: 22.03.2024

    Dr. Fabian Peters wird Dezernent für Finanzmanagement & Informationstechnologie

    Dr. Fabian Peters leitet künftig das Dezernat für Finanzmanagement und Informationstechnologie im Stuttgarter Oberkirchenrat. Der Landeskirchenausschuss hat ihn am Donnerstag, 21. März, in dieses Amt gewählt.

    Mehr erfahren
  • Datum: 22.03.2024

    Der Passion und Auferstehung Jesu nachgehen

    Gründonnerstag, Karfreitag und Ostern sind Höhepunkte im Kirchenjahr. Evangelische Kirchengemeinden und Einrichtungen erinnern mit Ostergärten und -wegen an Jesu Leiden, Tod und Auferstehung.

    Mehr erfahren
Mehr laden