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Kirchenwahl und die Zukunft der Kirche

Hunderte Gäste beim dritten Kirchengemeinderatstag

Fellbach. Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July hat am Samstag, 6. April, in der Fellbacher Schwabenlandhalle den dritten Kirchengemeinderatstag der Evangelischen Landeskirche in Württemberg eröffnet. Zu den Gästen gehörten unter anderem die Fernsehmoderatorin und Autorin Yvonne Willicks, die Landessuperintendentin der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers Dr. Petra Bahr, Synodalpräsidentin Inge Schneider, der Kabarettist Christoph Sonntag sowie die YouTuberin und Poetry-Slammerin Jana Highholder. Der Kirchengemeinderatstag galt als Auftakt zur Kirchenwahl am 1. Advent.

„Sie zeigen, dass Glaube und Kirche es Ihnen wert ist, einen wichtigen Platz in Ihrem Leben einzunehmen. Sie machen ernst mit unserer Kirche und machen unsere Kirche erst zur Volkskirche – zusammen mit den 150.000 Ehrenamtlichen“, dankte Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July den anwesenden Kirchengemeinderätinnen und -räten in der Fellbacher Schwabenlandhalle. Kirchengemeinderäte seien bereit, ganz alltägliche und praktische Dinge zu regeln. Sie stellten sich aber auch ganz großen Fragen wie Pfarrplan, Kirchenfusion und Bauprojekten. „Sie setzen sich mit komplexen Fragestellungen auseinander und arbeiten gemeinsam für die beste Lösung. „Vielen Dank dafür, dass Sie das tun und wie Sie das tun“, so der Landesbischof.

In den kirchlichen Gremien kämen Menschen mit unterschiedlichen Lebensgeschichten und Erfahrungen, unterschiedlicher Frömmigkeit und unterschiedlichen biblischen Ansichten zusammen, um gemeinsam Gemeinde zu gestalten. Er sehe diese Vielfalt als Bereicherung, aber auch aus Herausforderung. Christliche Gemeinschaft lasse den Glauben wachsen und sei kein Selbstzweck – weder im Kirchengemeinderat noch in der Kirchengemeinde, betonte July. Priorität habe der Glaube, alles andere leite sich davon ab. Die kleinen und die großen Entscheidungen hätten das Ziel, Gott und den Menschen zu dienen. Das helfe auch im Umgang miteinander. Die christliche Gemeinschaft sei ein Geschenk. „Es ist schön, wenn wir uns das heute wieder einmal bewusst machen und sehen: wir sind viele“, so July. „Seien Sie Gesegnete – Sie sind ein Segen.“

Kirche muss sich weiter öffnen

Synodalpräsidentin Inge Schneider ermutigte die Kirchengemeinderäte weiter ihre Erfahrungen und Kenntnisse in ihre Gemeinde einzubringen und sich gleichzeitig für Neue und Neues zu öffnen. „Kandidieren Sie wieder, wir brauchen Menschen mit Ihren Erfahrungen in den Kirchengemeinderäten. Wir brauchen aber auch junge Menschen, die ihre Sicht der Dinge einbringen“, so Schneider. Wer Menschen für die Kirchengemeinderatsarbeit motivieren möchte solle sich nicht von der Frage leiten lassen: „Wer passt zu uns?“ Vielmehr gelte es zu fragen: „Wer fehlt, damit wir andere erreichen?“

Landtagsvizepräsidentin Sabine Kurtz betonte die Bedeutung der Kirchengemeinderäte für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, „denn sie seien hochengagiert, sie förderten den Austausch und das Werteverständnis im religiösen, sozialen und schulischen Bereich“, sagte die Landtagsvizepräsidentin. Oberbürgermeisterin Gabriele Zull ermutigte die Besucher weiter die Menschen anzusprechen, denn „wir erleben auch, dass für Menschen, selbst wenn sie nicht Mitglied einer Kirche sind, Sinn- und Glaubensfragen eine wachsende Bedeutung bekommen.“

„Kirche hat Zukunft“

Mit viel Selbstironie und Augenzwinkern berichtete die TV-Moderatorin Yvonne Willicks von ihrem christlichen Glauben. „Es hat mich Mut gekostet, meine Glaubensgeschichte zu teilen“, bekannte Willicks. Sie habe aber erfahren, dass sie viele positive Rückmeldungen auf ihr öffentliches Bekenntnis zum Glauben erhalten hat. Der Glaube und das Leben in der Kirchengemeinde gehören schon immer zu ihrem Leben.  Landessuperintendentin Dr. Petra Bahr bekräftigte den offenen Umgang mit dem Glauben, denn „Kirche hat Zukunft“, betonte Bahr. Wir haben Hoffnung und müssen lernen offen über unsere Glaubensgeschichte mit eigenen Worten zu sprechen. „Es braucht mehr Platz für Experimente, mehr Freiräume, eine Kultur des Lassens, eine Theologie des Instabilen und einen neuen Sinn für Evangelisation,“ so Bahr.

Podiumsdiskussion

Umbrüche zu gestalten und Neues zu entwickeln in Kirchengemeinden, obwohl sie an Mitgliedern verlieren: Das sieht Landesbischof July als große Herausforderung in den nächsten Jahren an. Bei einer Podiumsdiskussion beim Kirchengemeinderatstag sagte er: „Wir müssen unsere Gaben zusammenlegen.“ Yvonne Willicks appellierte dafür, anstehende Veränderungen als Chance zu begreifen. „Es hilft nicht zu lamentieren, dass so viele Menschen wegbleiben“, sagte sie. „Es sind ja immer noch viele da, die sich engagieren. Lassen wir doch neue Lösungen zu, damit das so bleibt.“ Als Beispiel nannte sie veränderte Sitzungszeiten. Die Bloggerin Jana Highholder wünschte sich mehr Reibung in der Kirche. Ihrer Erfahrung nach behindere der „Stolz der älteren Generation“ viele Veränderungen. „Besitzstandwahrung ist nicht im Evangelium niedergelegt“, pflichtete Bahr Highholder bei. „Ich wünsche mir, dass wir mit dem Generationenkonflikt offener umgehen.“  

Weiteres Programm

Auf dem „Marktplatz der Ideen“ informierten sich die Besucherinnen und Besucher etwa über neue Impulse für die Arbeit mit Älteren, die Kirchenwahl 2019, den Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dortmund oder das Bibelmuseum „Bibliorama“. In insgesamt 22 Workshops diskutierten sie u. a., über zukunftsfähige Immobilienkonzepte für Kirchengemeinden, die Nutzung von Neuen Medien für Verkündigung und Gemeindeaufbau oder die Kandidatengewinnung für die Kirchengemeinderatswahl. Für die Unterhaltung sorgten der Stuttgarter Bezirksbläserkreis, Kabarettist Christoph Sonntag, die Hanke Brothers und das LUX Kollektiv stellte erstmalig den Song „Wir sind dein Meisterwerk“ zur Kirchenwahl vor.


Oliver Hoesch
Sprecher der Landeskirche


Hintergrundinformation

Am 1. Dezember 2019 werden in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg über 10.000 Kirchengemeinderätinnen und Kirchengemeinderäte sowie 90 Landessynodale gewählt. Die kirchliche Wahl ist sichtbarer Ausdruck der demokratischen Struktur der Landeskirche. In den Gemeinden der württembergischen Landeskirche ruht die Verantwortung auf mehreren Schultern. Die Pfarrerin bzw. der Pfarrer leiten gemeinsam mit dem gewählten Kirchengemeinderat die Gemeinde. In jeder Gemeinde werden am 1. Advent zwischen vier und 18 Kirchengemeinderäte gewählt. Mit der Kampagne „Hier ist ein Platz für Dich!“ wirbt die Landeskirche für eine breite Vielfalt bei den neuen Kandidatinnen und Kandidaten für die Kirchenwahl und die Landessynode. Am 26. Juni 2019 wird es in den Kirchengemeinden einen „PLATZTEST“ geben, bei dem sich Interessierte über die Arbeit die Kirchengemeinderäte informieren können.