| Kirchenjahr

Innehalten und das eigene Handeln überprüfen

Was können Sünde und Buße für Christinnen und Christen bedeuten?

„Sünde“ und „Buße“: Vielen Menschen erscheinen diese Wörter heute fremd und problematisch. Doch was bedeuten sie überhaupt und wie können sie uns helfen, besser mit uns selbst und miteinander umzugehen? Zum Buß- und Bettag haben wir mit dem Theologen Professor Dr. Hans-Joachim Eckstein und der Pfarrerin Birgit Schmogro darüber gesprochen, wie sie mit der Frage nach Sünde, Schuld und Buße umgehen.

pen_ash/Pixabay

„Ich habe das Wesen der Sünde eigentlich erst verstanden, als ich für mich das Wesen der Liebe Gottes verstanden habe“, sagt Hans-Joachim Eckstein. Er war bis zu seiner Emeritierung Professor für Neues Testament an der Universität Tübingen und ist auch als Schriftsteller, Musiker und Referent tätig. „In der religiösen Erziehung, die ich erfahren habe, hat sich Sünde auf Taten und den Schuldaspekt konzentriert“, erzählt Eckstein. Sünde war etwas Verbotenes, das zugleich attraktiv erschien. „Die Früchte von Nachbars Garten, die süßer aussehen als die eigenen.“ Dieses auf moralische Verfehlungen und Verbote konzentrierte Verständnis sei aber nicht in der Reformation angelegt gewesen, sondern durch moralisierende Frömmigkeit entstanden.

Professor Dr. Hans-Joachim Eckstein war viele Jahre Theologieprofessor an der Universität Tübingen.Evangelisches Medienhaus Stuttgart - Gottfried Stoppel

Das Wort „Sünde" ist besser als sein Ruf

„Die Bedeutung des Wortes ist aus der Gottesbeziehung heraus zu verstehen“, erklärt Eckstein das Wesen der „Sünde“. Der Mensch sei ein Geschöpf Gottes, ein Beziehungswesen, das zur Beziehung mit Gott und seinen Mitmenschen geschaffen ist. „Sünde“ bedeutet eine Trennung von Gott, eine Störung der Gottesbeziehung und in der Folge die Störung der zwischenmenschlichen Beziehungen. Wird die Beziehung wiederhergestellt, bedeute das Vergebung und Versöhnung.

„Wir bekommen Vergebung von Gott in Christus geschenkt. Wir müssen sie weder erarbeiten noch verdienen, sondern sie wird uns als Geschenk zugesprochen. Mögen wir uns auch tausend Schritte von Gott weg entfernt haben, so bedarf es dank der Liebe Gottes nicht mehr als eines einzigen Schrittes, um zu ihm zurückzukehren.“

Sünde richtet einen Schaden an

Neben dem Aspekt der Schuld sei beim Sündenverständnis auch der Aspekt des Schadens entscheidend. „Es ist deshalb verboten, zu sündigen, weil es einen Schaden anrichtet – in unserem eigenen Leben oder im Leben anderer“, so Eckstein. In der Bibel werde nur das als Sünde beschrieben, was schädlich ist. Gottes Gebote weisen darauf hin, dass man sich selbst und anderen durch lebensabträgliches Handeln schade.

„Es kann sein, dass ein Verhalten uns als reizvoll erscheint, uns in Wahrheit aber an der eigenen Lebensentfaltung hindert und sich als trügerischer Ersatz erweist.“ Häufig gründen „Sünden“ in dem Versuch, eine kompensatorische Befriedigung, Bestätigung oder Anerkennung zu gewinnen, mit dem Ergebnis der noch größeren Frustration.

Buße im Alten Testament – eine 180-Grad-Wendung

Buße bedeutet schon im Alten Testament „Umkehr“ und „180-Grad-Wendung“, erklärt Eckstein. Damit ist die Abkehr von dem, was schadet, und die Hinwendung zu dem Gott der Liebe und des Lebens gemeint. Der Aufruf zur Buße ist nicht im Sinne von „Büßen“ und „Abbüßen“ zu verstehen, sondern als Einladung zum Umdenken und Gesinnungswandel. Es gehe bei der Buße nicht nur um ein „Bereuen“ oder eine „Bußleistung“, sondern um ein bewusstes und willentliches Umdenken und neues Verhalten.

Eckstein hält Buße deshalb für einen andauernden Prozess, der zum Leben gehört. „Wenn wir bewusst leben, dann wollen wir täglich bedenken: Was will ich? Was ist mir wesentlich? Was ist vorrangig? Und wir fragen uns rückschauend: Was ist gut gelaufen? Und wo habe ich Nebensächliches zur Hauptsache gemacht und Hauptsächliches verdrängt?“ Sich regelmäßig auf das Wesentliche zu konzentrieren und zur „tätigen Umkehr“ aufzumachen, sei im persönlichen Umfeld wie auch auf der politischen Ebene notwendig. „Wir haben ja nicht nur bei Taufe und Empfang des Glaubens unser Christsein mit der Buße als Umkehr begonnen; die Buße als Hinwendung und Neubesinnung ist vielmehr ein Prozess, das als wesentlich Erkannte zu entfalten und zu entwickeln.“ Deshalb sei es auch sinnvoll, sie an „guten Tagen“ einzuüben und nicht erst in einer Krise.

Birgit Schmogro ist Pfarrerin in Biberach und Schulseelsorgerin in Aulendorf.privat

Die Fehlbarkeit des Menschen annehmen

Der Mensch ist, so umschreibt es der Apostel Paulus im ersten Korintherbrief, einem tönernen Gefäß vergleichbar. „Er ist daher von seiner Beschaffenheit her immer fehlbar. Das gilt es anzunehmen“, sagt Pfarrerin Birgit Schmogro. Die 63-Jährige ist seit 30 Jahren Pfarrerin an der Friedenskirche in Biberach und seit drei Jahren Schulseelsorgerin am Schulzentrum „Schule am Schlosspark“ in Aulendorf. Sie hat schon als Studentin in Basel vier Jahre in der Telefonseelsorge gearbeitet und sieht sich vor allem als Seelsorgerin. Wenn Menschen sich aussprechen wollen, dann kommen sie zu ihr. „Ich begleite Menschen auf ihrer Suche nach Antworten“, so beschreibt Schmogro ihre Aufgabe.

Die Pfarrerin spricht mit den Menschen, die zu ihr kommen: Was belastet oder schmerzt sie? Auch Menschen, die sich Fragen nach ihrer Schuld stellen, suchen die Seelsorgerin auf. „Das geschieht meist in Grenzsituationen“, erzählt sie.

Der Umgang mit der Schuld der anderen

Wie ist es für sie, andere als Seelsorgerin zu begleiten? „Ich muss eine annehmende, nicht wertende Haltung haben“, erzählt sie. Die spirituelle Ebene, von der aus sie handle, wenn sie etwa ein Gebet oder einen Liedtext spreche, könne die Menschen berühren.

Ist sie manchmal wütend über Fehler anderer, die ihr anvertraut werden? Ja, bei ihren Schülern, sagt sie. „War das gut? Wie geht’s dir dabei?“, fragt sie die Schüler zwischen der fünften bis zur elften Klasse dann und bittet sie, sich beieinander zu entschuldigen und sich über ihr Verhalten Gedanken machen.

Aber wenn man Schuld moralisch belege, sei das nicht zielführend und mache Menschen klein. Die Botschaft des Evangeliums sei: „Du bist Kind Gottes, egal, wie du gehandelt hast.“

Die eigenen Fehler und den eigenen Egoismus zu reflektieren und anzuerkennen und sich dann wieder auf Gott zu beziehen – das versteht Birgit Schmogro unter „Buße“. Sie hält dies für einen kontinuierlichen, nicht endenden Prozess.


Über den Buß- und Bettag

  • Am Buß- und Bettag ist kurz vor Ende des Kirchenjahrs Gelegenheit, über die Richtung des eigenen Lebens und gesellschaftliche Entwicklungen nachzudenken und zu überlegen, wo es ein Umdenken benötigt.
  • Er wird immer am Mittwoch vor dem letzten Sonntag des Kirchenjahrs begangen.
  • Der Buß- und Bettag ist seit 1995 deutschlandweit aber kein gesetzlicher Feiertag mehr, nur noch im Bundesland Sachsen.


Schon gewusst?

Grafik: elk-wue.de

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