| Gesellschaft

Nicht nur für den Profit wirtschaften

Interview mit Antje von Dewitz, Geschäftsführerin von Vaude

Antje von Dewitz hat 2009 die Geschäftsführung übernommen beim Outdoor-Ausrüster Vaude in Tettnang, einem von ihrem Vater gegründeten Familienunternehmen. Pressepfarrer Peter Steinle hat am Rande des 12. Reutlinger Gesprächs Wirtschaft - Kirche am 4. März mit ihr über die Idee einer Gemeinwohlökonomie gesprochen.

Vaude - Michael Trippel

Sie haben den Anspruch formuliert, nicht nur für den eigenen Profit zu wirtschaften, sondern zum Wohl aller. Wie sieht das in Ihrer Firma konkret aus?
Wir handeln auf allen Gebieten immer im Dreiklang zwischen dem Anspruch an Natur, Mensch und Wirtschaft. Konkret sorgen wir als Arbeitgeber für die Kinderbetreuung, wir haben eine Bio-Kantine, machen Sportangebote und sorgen für grüne Mobilität. Wir übernehmen in unseren Lieferketten Verantwortung, indem wir für uns für gute Arbeitsbedingungen in Asien einsetzen und uns an den Standards der Fairwear Foundation  orientieren.

Seit wann verfolgt Ihre Firma dieses Ziel der Gemeinwohlorientierung? Wer hat den Anstoß dazu gegeben?
Das Unternehmen wurde 1974 von meinem Vater gegründet. Von Beginn an gab es viele Projekte im sozialen und ökologischen Bereich. Seit 2009 haben wir Nachhaltigkeit und damit auch die Gemeinwohlorientierung konsequent durchgängig als unsere Unternehmensstrategie definiert.

Sie haben die Stichworte Natur, Mensch und Wirtschaft genannt. In welchem Verhältnis stehen diese drei Faktoren zueinander: Konkurrieren sie? Geht also beispielsweise eine zu starke Umweltorientierung auf Kosten des Ertrags?
Auf den ersten Blick scheinen sich diese Faktoren gegenseitig im Weg zu stehen: Es sind einfach zwei Dimensionen mehr im Spiel, die ganz, ganz oft miteinander im Zielkonflikt stehen. Wenn man kurzfristig denkt, dann sieht man eigentlich nur die erhöhten Kosten und den erhöhten Aufwand. Wenn man aber langfristig denkt und wirtschaftet, erkennt man, dass es auch Innovationsimpulse gibt, dass es sehr viel Energie im Unternehmen freisetzt, dass es ein ganz klarer Weg ist, der dann auch viele kostspielige Umwege abkürzt und sich damit auf lange Sicht einfach rechnet.

Neben dem, dass es sich dann auf lange Sicht rechnet – was ist Ihre Motivation, sich für diese Gemeinwohlorientierung einzusetzen?
Ich wollte als Kind schon immer die Welt retten. Während meines Studiums habe ich einige Praktika im Bereich Umwelt, Frauen und letztendlich bei Vaude, bei meinem Vater im eigenen Unternehmen, gemacht. Ich habe festgestellt: Als Unternehmerin habe ich große Gestaltungsspielräume. Ich möchte gerne so arbeiten, dass ich bei mir bleiben kann, bei meinen Werten. Ich möchte gerne, dass meine Kinder stolz auf mich sein können, und zwar ganzheitlich, nicht nur in einem Ausschnitt und hinter die Kulissen dürfen sie nicht schauen. Es soll einfach stimmig sein. Das ist mein Antrieb. Und das ist, wie ich glaube, ein Antrieb von vielen Menschen, der viele Energien frei setzt.

Vaude - Michael Trippel

Die Bewahrung der Schöpfung, Gerechtigkeit, Menschenwürde und Nächstenliebe sind ja christliche Werte. Entspringt Ihr Engagement für diese Werte auch einer christlichen Motivation oder Sozialisation?
Ich bin evangelisch und bin im christlichen Umfeld großgeworden. Da sind viele Werteübereinstimmungen. Die Bewahrung der Schöpfung ist mit ganz wichtig. Es ist aber nicht so, dass ich sage, ich bin ein Christ und deshalb muss ich das so machen.

Welche Rolle spielt Ihre Unternehmenskultur für Ihre Kunden? Wollen Ihre Kunden einfach nur einen Rucksack kaufen oder wollen sie einen Rucksack, der sich auch deshalb leichter trägt, weil man sein Gewissen nicht mit ungerechten und ungesunden Produktionsbedingungen belastet?
Immer mehr Menschen möchten auch mit guten Gewissen einkaufen. Das Bewusstsein wächst für die Problematiken, die mit sämtlichen Produkten des täglichen Alltags zusammenhängen. Der Wunsch, nicht auf Kosten anderer Menschen und der Umwelt zu leben, wächst und unterstützt uns natürlich auch in unserem Anliegen.

Glauben Sie, dass es eine Aktiengesellschaft, die börsennotiert ist, schwerer hat, sich am Gemeinwohl zu orientieren als Sie als Familienunternehmen?
Ja, weil diese Unternehmen immer wieder kurzfristig Reports geben müssen. Gemeinwohlorientierung und Nachhaltigkeit sind Konzepte, denen man Raum und Zeit geben muss, damit sie sich schließlich auch im Ertrag widerspiegeln. Diese langfristige und konsequente Ausrichtung, auch im Investment, in Dinge, die nicht sofort Ertrag bringen, habe ich noch nicht gefunden bei einem aktienorientierten Unternehmen.

Mit welchen Argumenten würden Sie andere Firmen von Ihrer Philosophie überzeugen?
Ich finde, es ist die Verantwortung jedes Unternehmens, sich damit auseinanderzusetzen: Was bewirke ich mit meinem Handeln, übernehme ich die Verantwortung für die Folgen? Und dann würde ich sagen, es ist die Pflicht eines jeden – einerseits. Andererseits würde ich sagen: Habt den Mut, es konsequent zu tun, weil es auch ein sehr schönes, sinnerfülltes Arbeiten und eine Ganzheitlichkeit ermöglicht, so zu leben und zu arbeiten. Es zahlt sich in jeder Hinsicht aus.

Frau von Dewitz, danke für das Gespräch!


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