| Landeskirche

„Gott und die Welt wollen besprochen werden“

Tabea Dölker scheidet nach 24 Jahren aus der Landessynode aus - aber: Ruhestand - nein danke!

Tabea Dölker gibt nach 24 Jahren in der württembergischen Landessynode ihr Mandat auf - und kandidiert bei der Kirchenwahl am 1. Dezember nicht mehr.Siegfried Denzel/EMH

Holzgerlingen/Stuttgart. In wenigen Monaten endet die Amtszeit der 15. Landessynode offiziell. Einige Synodale sagen nach jahrzehntelanger Mitgliedschaft im Kirchenparlament Adieu - so wie Tabea Dölker, die vier Legislaturperioden lang Synodale war. elk-wue.de hat mit ihr gesprochen.

Es gibt Menschen, über die ihr Alter lediglich den Abstand zwischen dem aktuellen Datum und dem amtlich vermerkten Geburtsdatum im Personalausweis ausdrückt - und nichts über den Grad der persönlichen Lebendigkeit. Tabea Dölker aus Holzgerlingen ist so ein Mensch.

Die Augen funkeln, ihre strahlend rotbraunen Haare sind seit Jahren so etwas wie ihr Erkennungszeichen - und ihre quirlige Art lässt keinen Zweifel: Diese Frau sprüht vor Energie. „Langeweile? Ich weiß nicht, wie man das buchstabiert“, sagt sie über sich selbst.

Seit 24 Jahren ist sie Mitglied der württembergischen Landessynode, zwischen 2009 und 2015 gehörte sie dem Rat der EKD an - und was sie an diesen Ämtern liebt(e), fasst sie in einem einzigen Satz zusammen: „Miteinander zu beten und zu diskutieren halte ich für eine super Verbindung.“ Sätze wie dieser sind typisch für die 61-Jährige.

Weit entfernt vom „Kirchen-Sprech“

Viele, die jahrzehntelang tief in der Kirche verankert sind, haben ihre Sprache vergeistlicht: Da will vieles „bedacht“ sein; aus einer Aufforderung, etwas zu tun oder zu lassen, wird eine „Ermutigung“. Nicht so bei Tabea Dölker, die trotz ihrer pietistischen Glaubensheimat von „Kirchen-Sprech“ weit entfernt ist. Oder vielleicht auch gerade deswegen?

Denn immer wieder schaut sie nach eigenen Worten auf Jesus - und bewundert einerseits, „wie sensibel er auf die Fragestellungen der Menschen reagiert hat“. Und andererseits, wie klar und auf Augenhöhe er mit seinen Zeitgenossen kommuniziert habe.

Wettbewerb der Argumente

Tabea Döker formuliert kraftvoll-geradeaus - und lässt anklingen, wie viel Spaß ihr der Meinungsstreit im Sinne eines Wettbewerbs der Argumente macht. Ob es in der württembergischen Landessynode („wir sind eine diskussionsfreudige Synode“) ist oder im Rat der EKD war: „Im gegenseitigen wohlwollenden Respekt kann es auch hart in der Sache zugehen."

Angst vor großen Namen kennt die Holzgerlingerin dabei nicht: Fast beiläufig nennt sie Hermann Gröhe, einst CDU-Generalsekretär und Bundesminister, der als EKD-Synodaler ihre Freude an der Kraft der Worte habe kennenlernen dürfen.

Ihr Motto: „Gott und die Welt müssen besprochen werden...“

Tabea Dölker gratulierte während der Sommersynode im Juli zum 100-jährigen Bestehen der Evangelischen Frauen in Württemberg.Siegfried Denzel/EMH

„Gehen, wenn's noch Spaß macht“

Und diese Frau will aufhören? Sie, die von sich sagt: „Mir ist nicht nach Ruhestand."

Doch die 61-Jährige folgt einem Prinzip, das nicht viele durchhalten: „Man muss dann gehen, wenn's einem noch großen Spaß macht - und nicht, wenn die anderen sagen: Oh je...“

Für die 16. Landessynode, die am 1. Dezember gewählt wird, „sind andere dran“. Es sei jetzt die Zeit für einen Generationswechsel.

Jede Generation müsse ihre Lebenswirklichkeit selbst gestalten - auch in der Landeskirche, ist Tabea Dölker überzeugt. Wobei zur Lebenswirklichkeit auch große Herausforderungen für die Kirche gehören: „Wir alle leben individualisierter als früher." Und das bedeute, dass die Kirche auch Antworten finden müsse auf die Fragen und Zwänge, denen sich „das junge Mittelalter zwischen 25 und 45 Jahren gegenübersieht“.

Angesichts der im Arbeitsleben immer stärker geforderten zeitlichen Flexibilität sei jene Generation „sehr intensiv“ eingebunden. Das klassische Familien- und damit auch Kirchenbild verschwimme zunehmend: „Gerade bei Alleinerziehenden tun wir uns als Kirche schwer." Bei deren Kindern sei die Zahl der Taufen viel geringer als bei Kindern von Paaren.

Und deshalb sieht Tabea Dölker gerade in der Kindergarten- und Familienarbeit eine langfristig fast schon existenzielle Aufgabe für die Kirche. Das Projekt „Konfi 3“, in dem Mädchen und Jungen schon ab der dritten Klasse auf die Konfirmation vorbereitet werden, eröffne gute Chancen, auch Kontakt zu dem von ihr beschriebenen „jungen Mittelalter“ herzustellen.

Freude am Glauben

Sie sagt es nicht ausdrücklich, aber es klingt durch: In solchen Projekten sieht die 61-Jährige beileibe keine „Kundenakquise“, um die seit Jahren gegen Mitgliederschwund kämpfende Kirche als Institution erhalten zu können. Sondern sie will andere teilhaben lassen an ihrer Freude am Glauben und der Geborgenheit einer christlichen Gemeinschaft.Da ist es fast logisch, dass ihr der diakonische Gedanke besonders am Herzen liegt: „Die Gemeinden müssen sich noch bewusster werden, dass sie als Kirche nicht nur soziale Player sind - sondern vor allem diakonische Player.“

Die Johanneskirche in Holzgerlingen.Jürgen Buck (CC BY 3.0)

„Dem anderen Raum lassen“

Sie selbst engagiert sich unter anderem in der Flüchtlingsarbeit: „Ich finde das interreligiöse Gespräch total spannend.“ Es gehe um gute Nachbarschaft mit Moslems. „Die Liebe Christi bedeutet auch, dem anderen Raum zu lassen", bringt es Tabea Dölker auf den Punkt.

Ein weiteres Projekt, dem sich die 61-Jährige mit Begeisterung widmet: eine Spieloase in ihrer Kirchengemeinde in Holzgerlingen. Genauer: in der Johanneskirche. „Wir bespielen unsere Kirche“, beschreibt sie lachend. Von 0 bis 99 sollen die Holzgerlinger im Spiel zusammenfinden - Brettspiele, darstellendes Spiel, das Bauen mit Bauklötzen...

Dass Tabea Dölker an diesem Projekt viel Freude empfindet und andere dafür begeistern kann, liegt wohl nicht zufällig an ihrem Beruf als Erzieherin. Nur sind hier ihre „Kinder“ meist größer: „Eine 70-Jährige hat einfach gefragt, ob jemand Lust hat, mit ihr Halma zu spielen" - also stand Halma auf dem Programm.

„Einfach eine Reparatur fällig“

Apropos Kinder: Dass es Tabea Dölker auch nach dem Ausscheiden aus der Synode nicht langweilig wird, liegt nicht zuletzt an ihrer „großen Familie, die ich habe“: Vier Kinder und fünf Enkelkinder kommen regelmäßig in das Haus der Dölkers am Rand der Kleinstadt Holzgerlingen, wo ihr Mann Wilfried 32 Jahre lang Bürgermeister war. Sie sorgen mit dafür, dass die scheidende Synodale wohl noch lange viel jünger bleibt, als es das Datum im Ausweis glauben machen will.

Nur dass für sie persönlich bereits die Sommertagung im Juli die letzte war, hängt mit so etwas wie Alter und Verschleiß zusammen: Die Hüfte und ein bevorstehender Krankenhausaufenthalt hielten sie von der Teilnahme an der Herbstsynode Mitte Oktober ab.

Es sagt einiges über das bodenständige Naturell von Tabea Dölker aus, wie sie das beschreibt: „Es ist einfach eine Reparatur fällig.“


Die nächsten Veranstaltungen unter dem Motto „Spiel & Spaß in der Johanneskirche“ finden am Samstag, 16. November, sowie am Samstag, 25. Januar 2020, statt.


Siegfried Denzel

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