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„Eine Volkskirche im Wandel“

Projektion zur Mitgliederentwicklung der Kirchen in Deutschland veröffentlicht

Stuttgart. Einer Langfrist-Projektion der Universität Freiburg für die evangelischen und katholischen Kirchen in Deutschland zufolge könnte sich die Mitgliederzahl der Evangelischen Landeskirche in Württemberg bis zum Jahr 2060 knapp halbieren. Die Untersuchung belegt damit die gesamtgesellschaftlichen Folgen des demografischen Wandels in Deutschland, der sich in erheblichem Maß auf die Entwicklung der Zahl der Kirchenmitglieder auswirkt und macht deutlich, wie wichtig vor allem die Aufgabe der Mitgliederbindung für die Kirchen sein muss.

Für die Evangelische Landeskirche in Württemberg ergibt die Projektion, dass sie in vierzig Jahren gut eine Million Mitglieder zählen würde (Stand 31.12.2017: 2.022.740). Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July nennt die Landeskirche „eine Volkskirche im Wandel“ und sieht in der Projektion eine „Aufforderung und Ermutigung, weiterhin das Evangelium zu verkündigen und Kirche im 21.Jahrhundert zu sein mit ihren aktuellen Herausforderungen und Fragestellungen. Und in der gesellschaftlichen Debatte über Gott und die Welt mittendrin zu bleiben.“ Hintergrund sei der oft unterschätzte Anteil der negativen Bevölkerungsentwicklung, der auch die Kirchen betreffe: „Das Demographie-Problem ist akut.“ Damit nimmt July Erkenntnisse des Demographie-Beauftragten des Landes Baden-Württemberg auf, der prognostiziert hat, dass in 15 bis 20 Jahren mehr Rentner als Erwerbstätige in unserem Bundesland lebten. Besonders der ländliche Raum sei betroffen, so July: „Dort wollen wir als Kirche auch bleiben. Unser struktureller Umbau berücksichtigt bereits, dass Pfarrerinnen und Pfarrer auch weiterhin in ländlichen Regionen präsent sind, sich Kirche dort mit Gemeinde-, Kita- und Bildungsarbeit engagiert und sich damit auch einen gesamtgesellschaftlichen Beitrag leistet. Deshalb nehmen wir die Ergebnisse der Freiburger Projektion als Bekräftigung dafür, am längst begonnenen strukturellen Umbau weiterzuarbeiten, vor allem aber daran, wie wir als Kirche noch besser in unsere Dörfer, Städte, Gemeinschaften in unserer Gesellschaft hineinwirken können.“

Die Projektion mache deutlich, dass es neben der demographischen Ursache an der geringeren Mitgliederzahl auch einen kirchenspezifischen Anteil gibt. Auch bei den durch kirchliche Arbeit zu beeinflussenden Themen sei die Landeskirche schon länger aktiv. „Es gibt nicht die eine Lösung, sondern wir arbeiten mit einer geringeren Zahl an Hauptamtlichen, einer großen Zahl von hochengagierten Ehrenamtlichen auf ganz verschiedene Weise daran, Menschen zum Glauben und zur Kirche einzuladen.“ Tauffeste wie beispielsweise in Ulm oder Personalgemeinden wie der Jesus-Treff in Stuttgart sind nur einige Beispiele dafür. 

Synodalpräsidentin Inge Schneider sieht die Erkenntnisse der Freiburger Projektion als Herausforderung, „nach neuen Wegen der Verkündigung des Evangeliums zu suchen, damit wir auch die Menschen erreichen, die noch nicht getauft sind oder unserer Kirche gleichgültig gegenüberstehen. Der Ruf in die Nachfolge, die Evangelisation, die im Neuen Testament zentrale Bedeutung hat, sollte wieder ganz neu in das Bewusstsein unserer Gemeinden und Pfarrerschaft rücken: Wir müssen davon sprechen lernen, was uns am Glauben und an unserer Kirche wichtig ist und warum dies auch für unsere Nachbarn ein Gewinn sein kann.“

Das Forschungszentrum Generationenverträge (FZG) der Albert-Ludwig-Universität Freiburg hat erstmals eine koordinierte Mitglieder- und Kirchensteuervorausberechnung für die katholische und evangelische Kirche in Deutschland erstellt. Für die 20 evangelischen Landeskirchen und die 27 (Erz-)Bistümer der katholischen Kirche wurde ermittelt, wie sich Kirchenmitgliederzahlen und Kirchensteueraufkommen langfristig bis zum Jahr 2060 entwickeln werden – wenn das Tauf-, Austritts- und Aufnahmeverhalten der vergangenen Jahre auch für die Zukunft repräsentativ ist. Diese Projektion ist heute (2. Mai 2019) vom FZG, der Deutschen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) veröffentlicht worden.

Oliver Hoesch
Sprecher der Landeskirche