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Notwendige Anpassungsvorgänge guten Muts gestalten

Stuttgart. Mit einer Diskussion und der Zustimmung zum PfarrPlan 2024 ist am heutigen Samstag die Frühjahrstagung der Württembergischen Evangelischen Landessynode zu Ende gegangen. Der PfarrPlan setzt die Entwicklung der Mitgliederzahlen, der Finanzkraft und der zur Verfügung stehenden Pfarrerinnen und Pfarrer ins Verhältnis und sieht bis zum Jahr 2024 13,2 Prozent weniger Pfarrstellen vor. Am Freitag wurde in einer Aktuellen Stunde über die Frage „Wie privat ist Religion?“ diskutiert. Anlass dafür war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu religiösen Symbolen am Arbeitsplatz. Außerdem haben die Synodalen den Ersten Nachtragshaushalt 2017 beschlossen und sich mit Kirche in ländlichen Räumen beschäftigt. Im Mittelpunkt der Beratungen am Donnerstag stand der Bericht von Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July.

Pfarrplan 2024
Die Landessynodalen haben den PfarrPlan 2024 diskutiert und ihm zugestimmt. Aufgrund der zu erwartenden Entwicklung der Gemeindegliederzahlen, der Kirchensteuereinnahmen sowie der Anzahl Pfarrerinnen und Pfarrer fallen bis zum Jahr 2024 13,2 Prozent der Pfarrstellen weg. Die Kirchenbezirke der Landeskirche müssen dazu zwischen 5,3 und 24,4 Prozent Pfarrstellen einsparen.

Oberkirchenrat Wolfgang Traub mahnte, „notwendige Anpassungsvorgänge an sich vollziehende Entwicklungen nicht zu dramatisieren, sondern guten Mutes, im Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit zu gestalten.“ Matthias Hanßmann, der Vorsitzende des Strukturausschusses, wies auf ein Maßnahmenpaket mit einem Gesamtumfang von 100 Millionen Euro hin. Für 2018 und 2021 stehen den Kirchengemeinden jeweils zusätzliche 15 Millionen Euro zur Umsetzung von Strukturreformen zur Verfügung. Es wird Entlastung im Religionsunterricht geschaffen. Darüber hinaus gibt es 30 VollzeitDiakonenstellen, die auf die Kirchenbezirke verteilt werden. Damit sollen zugleich Härten abgefedert und neue Initiativen unterstützt werden.

Nun werden die Kirchenbezirke und Gemeinden bis zum Frühjahr 2018 Umsetzungskonzepte erstellen und beschließen.

Erprobung zentraler Anstellung für Diakone
Die Synodalen beschlossen, dass erprobt und evaluiert werden soll, in Kirchengemeinden und Kirchenbezirken tätige Diakoninnen und Diakone bei der Landeskirche zentral anzustellen. Von einer generellen Ausweitung der zentralen Anstellung wird derzeit abgesehen.

Aktuelle Stunde
Am Freitag hat die Landessynode in einer Aktuellen Stunde über die Frage diskutiert, wie privat Religion ist. Anlass war ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das ein Verbot religiöser Symbole am Arbeitsplatz erlaubt. Professor Dr. Christian Heckel wies darauf hin, dass das Urteil den privatrechtlichen Bereich, nicht den staatlichen Raum betreffe. Deshalb könne aus dem Urteil nicht abgeleitet werden, dass Religion aus dem öffentlichen Raum ausgeschlossen werden solle. Pfarrerin Franziska Stocker-Schwarz erinnerte an die Gretchenfrage „Wie hältst du’s mit der Religion?“ aus Goethes „Faust“ und forderte die Kirchen in Deutschland auf, von orientalischen Christen zu lernen. Dort sei das Glaubensgespräch in der Öffentlichkeit oder das Bekenntnis zum Christentum durch ein eintätowiertes Kreuz vielerorts üblich. Ein Bekenntnis könne es auch sein, wieder das Tischgebet zu praktizieren.

Der Ulmer Dekan Ernst-Wilhelm Gohl sagte, immer wenn es schwierig werde, werde versucht, Religion zur Privatsache zu erklären, und man meine, damit das Problem gelöst zu haben. Er rief dazu auf, selbstbewusst für die positive Religionsfreiheit einzutreten, die „eine Antwort unseres Grundgesetzes auf die Barbarei gewesen ist, in der eine scheinbar aufgeklärte Zeit geendet hat.“ „Wo keine Götter sind“, zitierte er Novalis, „walten Gespenster.“ Die Synodale Dr. Waltraud Bretzger wies darauf, dass es nötig sei, „von unserem heimlichen Christentum wegkommen zu einer öffentlichen Vertretung unserer Werte und dazu, zu zeigen, wofür wir stehen.“ Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July kündigte an, dass man in der bundesweiten Kirchenkonferenz in der kommenden Woche darüber sprechen werde. „Glaube ist persönlich, aber nicht privat“, so July.

Nachtragshaushalt
Ebenfalls am Freitag hat die Landessynode bei nur einer Enthaltung den 1. Nachtragshaushalt 2017 verabschiedet. Er hat ein Volumen von 1.148.000 Euro für befristete Maßnahmen. Die laufenden Kosten liegen bei 261.600 Euro pro Jahr.

Wie Finanzdezernent Dr. Martin Kastrup berichtete, schlägt beispielsweise das Projekt „Lieder App“, das Gottesdienstlieder auf Smartphones und Tablets bringen soll, mit 500.000 Euro Investitionskosten sowie 134.000 Euro an laufenden Kosten für die Zeit bis 2022 zu Buche. Für die Weiterentwicklung der kirchlichen Kommunikationsstrategie unter externer Begleitung sind 200.000 Euro vorgesehen. Knapp 173.000 fließen in die kirchliche Begleitung der Bundesgartenschau 2019 in Heilbronn, wobei eine wesentliche Refinanzierung durch Landeszuschüsse erwartet wird. Der Rest soll durch Budgetrücklagen erfolgen. 150.000 Euro gehen an die Projektstelle Prävention von sexualisierter Gewalt.

Der Vorsitzende des Finanzausschusses Michael Fritz betonte, sein Ausschuss wolle die Finanzierung der „Lieder App“ wegen der hohen Kosten im Rahmen der Haushaltsberatungen 2018 noch einmal überprüfen. Fritz informierte die Synode darüber, dass der Finanzausschuss die Sperrvermerke für den Bau einer neuen Unterrichtsorgel an der Hochschule für Kirchenmusik Tübingen und für die Sanierung des Diakonischen Werks Württemberg in Stuttgart aufgehoben hat. Darüber hinaus mahnte er zur Sparsamkeit: „Große Aufgaben – große Gestaltungsmöglichkeiten. Wir werden diese nur schaffen, wenn wir unsere Kräfte aufs Wesentliche konzentrieren.“

Kirche in ländlichen Räumen
Ein weiterer Schwerpunkt der Synode lag am Freitag beim Thema Kirche in ländlichen Räumen. „Die Zukunft der Kirche in ländlichen Räumen wird vielfältiger und heterogener sein als heute“, prognostizierte Dr. Thomas Schlegel von der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Es werde nicht mehr „die große Lösung für eine ganze Landeskirche geben“. Entscheidend sei das Potenzial der Akteure vor Ort – und dass Landeskirchen flexible Rahmenbedingungen gewährleisteten. Schlegel nannte Beispiele wie „mobile Kirche“, die nicht mehr dauerhaft, sondern verlässlich tageweise an Orten präsent ist, kleine Andachts- oder Gottesdienstkerne vor Ort sowie Dorfkirchen, die sich anlässlich von Aktionen und Projekten verbinden. „Da ist nicht mehr die eine Kirche, die versorgt und damit definiert, wie Kirche auszusehen hat. Da ist eine Kirche, die gewährleistet und als Dienstleister für die Akteure vor Ort auftritt.“ Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch (CDU) sagte bei der Abendveranstaltung unter dem Motto "Land in Sicht! - Kirche in Ländlichen Räumen", ländliche Regionen würden zwar positiv verknüpft mit Heimat, Freiheit und Nachhaltigkeit. Sie brauchten aber auch neue Konzepte, um lebenswert zu bleiben, etwa bei der Mobilität, der Gesundheitsversorgung oder bedarfsgerechten Wohn- und Pflegeangeboten für Ältere.

„Kirche trotzt Armut und Ausgrenzung“
Einstimmig hat die Synode die Konzeption „Kirche trotzt Armut und Ausgrenzung“ des Diakonischen Werkes beschlossen. Sie ist eine Weiterentwicklung des 2016 ausgelaufenen Programms „Beschäftigungsgutscheine für Langzeitarbeitslose“ und soll ausdrücklich Teilhabe dort ermöglichen, wo es keine Förderung durch Kommunen, Agenturen für Arbeit oder sonstige staatliche Leistungen gibt, sagte Markus Mörike, Vorsitzender des Ausschusses für Diakonie. „Kirche und Diakonie müssen einem weiteren Auseinanderdriften der Gesellschaft entgegenwirken. Nur wenn wir Teilhabe ermöglichen und Armen Gehör verschaffen, können wir ihre Situation ins Blickfeld der Politik rücken“, so Mörike. Die Konzeption „Kirche trotzt Armut und Ausgrenzung“ sieht große und kleine Teilhabegutscheine vor, die von den Kirchengemeinden beantragt werden können. Diese werden dabei vom Diakonischen Werk beraten, das die Gelder verwaltet. Für beide Gutscheinarten und die Begleitung des Projektes sollen für den Zeitraum von drei Jahren insgesamt knapp eine Million Euro zur Verfügung gestellt werden.

Bischofsbericht
Zum Auftakt der dreitägigen Frühjahrstagung hatte Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July am Donnerstag in seinem Bischofsbericht gefordert, „bis auf Weiteres“ keine Abschiebungen nach Afghanistan vorzunehmen. Ebenso wandte sich der Landesbischof gegen selektive Pränataldiagnostik und plädierte angesichts des Wahlkampfs in diesem Jahr dafür, Rassismus und Hetzerei keine Chance zu geben.

Die nächste Tagung der Landessynode findet vom 6. bis zum 8. Juli in Reutlingen statt.

Weitere Dokumente zur Synode und unsere Berichterstattung finden Sie unter <link wir landessynode sitzungen-der-landessynode fruehjahrstagung-2017>www.elk-wue.de/wir/landessynode/sitzungen-der-landessynode/fruehjahrstagung-2017/

Oliver Hoesch
Sprecher der Landeskirche