| Landeskirche

Freiwilliger im „Welcome-Dienst“ an der ukrainischen Grenze

Bernd Wolpert über seine Erfahrungen im Grenzgebiet

Normalerweise arbeitet Bernd Wolpert (50) als Lehrer in Herrenberg, wohnt in Kusterdingen und engagiert sich in der dortigen Kirchengemeinde und im CVJM. Mitte März war er für eine Woche in der Slowakei, um die Hilfsaktionen im ukrainisch-slowakischen Grenzgebiet zu unterstützen und berichtet nun von seinen Erfahrungen.

Bernd Wolpert war als Ehrenamtlicher an der Grenze zwischen der Slowakei und der Ukraine, um die dort ankommenden Flüchtlinge in Empfang zu nehmen. Bernd Wolpert

„Der EJW Weltdienst hat einen engen Kontakt zu der Gemeinschaft Evangelischer Jugend in der Slowakei (SEM)“, berichtet Eberhard Fuhr, Pressesprecher des Evangelischen Jugendwerks Württemberg (ejw). Das SEM und das ejw verbinde seit den 1990er Jahren eine Partnerschaft. Bei mehreren Aufbaulagern des ejw sei gemeinsam mit jungen Slowakinnen und Slowaken in Velky Slavkov am Fuße der Hohen Tatra ein Freizeitheim erbaut worden. Seit Kriegsbeginn stelle die slowakische evangelische Jugendorganisation SEM ihr Freizeithaus in Velky Slavkov für Geflüchtete aus der Ukraine zur Verfügung und koordiniere verschiedene Hilfsangebote.

Im Folgenden lesen Sie den Bericht von Bernd Wolpert über seinen Einsatz mit der SEM:

Aus Zahlen werden reale Menschen mit ihren Geschichten

Als ich am 17. März meine Reise in die Slowakei antrat, wusste ich nicht viel mehr, als dass ich warme Klamotten, einen Schlafsack und meinen Führerschein brauche. Ursprünglich wollte ich zusammen mit Chris, einem ehemaligen Slowakei Freiwilligen des Weltdienstes los, doch wie so oft in Corona-Zeiten, musste ich dann am Ende allein in den Zug steigen. In der Slowakei angekommen wurde ich gastfreundlich von Jan und seiner Familie herzlich mit traditioneller slowakischer Suppe empfangen. Wie ich später herausfand, hatte ich bei einem der SEM-Mitbegründer Unterschlupf gefunden. 

Am nächsten Tag wurde mir dann schnell klar, warum ich meinen Führerschein mitnehmen sollte. Auf mich warteten über 600 km Fahrt mit meinem neuen Gefährten, dem SEM Minibus. Meine erste Fahrt ging von Kosice ins Hilfsgüter-Lager nach Podzovice, einem Vorort von Michalovce. Von dort werden Geflüchtete an der Grenze, aber auch diejenigen, die in den vielen evangelischen Gemeinden der Ost- und Nordslowakei untergekommen sind, mit Hilfsgütern wie Hygieneartikeln, Kleidung und Lebensmitteln versorgt. Und so steuerte ich nach kurzem Beladen mit meinem bis unters Dach gefüllten Minibus das Gebiet des Tatra-Gebirges an. Am Ende hatte ich zwar ein schmerzendes Hinterteil, dafür aber – zumindest fahrenderweise – viel von der schönen slowakischen Landschaft und freudige Empfänger der Pakete kennengelernt!

"Welcome Dienst" an der Grenze

Ein anderer Teil meines Auftrages war der wesentlich emotionalere, nämlich „Welcome Dienst“ an der Grenze. Welcome Dienst bedeutet in der Theorie, zwölf Stunden lang an der Grenze die Geflüchteten freundlich begrüßen, mit einem kleinen Care-Paket beschenken und sie informieren, wo und wie es für sie weitergeht. Soweit die Theorie. In der Praxis hieß es, Menschen zu begegnen, die nicht wissen, ob sie sich über die nun erlangte vermeintliche Sicherheit des slowakischen Staatsgebietes freuen sollen oder doch eher weinen, weil sie ihre Heimat verlassen und nicht wissen, ob und wann sie jemals zurückkehren werden. 

„Nicht wenige von ihnen erzählten dann ihre Leidensgeschichte.“

Bernd Wolpert

Allen ankommenden Geflüchteten gemeinsam war, dass sie fluchttypisch schnell und hektisch nur weiterwollten. Alle brauchten einen Moment, bis sie realisierten, dass wir sie freundlich empfangen und unterstützen wollten. Die meisten wollten nur schnell weiter, andere „tauten" in unserem warmen Zelt nicht nur im übertragenen Sinne auf und ließen sich zu einer Tasse Tee oder Kaffee überreden. Nicht wenige von ihnen erzählten dann ihre Leidensgeschichte. Geschichten wie die der Mutter, die mit ihren drei kleinen Kindern unterwegs ist und an der Sorge um ihren zurückgelassenen Mann fast zerbricht. Oder das ältere Ehepaar, das vier Tage vergeblich durch die Ukraine irrte, weil sie hofften, ihren Sohn noch einmal treffen zu können, gingen natürlich sehr ans Herz.

Da wurden für mich aus anonymen Zahlen von Geflüchteten, über die ich bis dahin nur aus der Distanz und von den Medien erfahren hatte, reale Menschen, die schuldlos leiden und denen man in dem Moment einfach nur hilflos gegenüberstehen und ihren Geschichten zuhören kann.

Begegnungen mit Helfern und Grenzschützern

In der Nachtschicht wurde mir auch klar, warum ich warme Klamotten mitbringen sollte. Aber trotz der Kälte und der langen zwölf Stunden war der Dienst ganz erträglich. Neben den Begegnungen mit den Geflüchteten war es auch sehr spannend, mit den slowakischen Helfern, Polizisten und Grenzschützern ins Gespräch zu kommen und deren Erfahrungen und Sicht der Dinge zu hören. Nachts zumindest war der Andrang der Geflüchteten nicht so groß und man hatte Zeit, um über Gott und die Welt ins Gespräch zu kommen.

Nach meinem Einsatz in der Slowakei bin ich dankbar für die Begegnungen mit den Geflüchteten, beeindruckt von der Arbeit der unzähligen Helfer aus der Slowakei, aber auch aus anderen Ländern.

Am Ende bleibt mir nur die Hoffnung, dass der Krieg möglichst bald endet und die große Hilfsbereitschaft der Menschen so lange erhalten bleibt.

Gebet für den Frieden

Herr, unser Gott, hab Erbarmen mit uns, denn wir hoffen auf dich. Lass deinen Geist unter uns wirksam werden, den Geist der Gerechtigkeit und des Friedens, den Geist der Versöhnung und der Vergebung.

Herr, wir danken dir für die vielen Menschen, die an so unterschiedlichen Stellen helfen: an den Grenzgebieten, beim Hilfsgüter packen, bei Fahrdiensten, die sich Zeit nehmen für die Geflüchteten und sie versorgen.

Herr, wir bitten dich um Bewahrung für diese Freiwilligen und alle Geflüchteten, die auf der Durchreise sind oder noch mitten im Kriegsgebiet ausharren. Herr, wir legen die Menschen in der Ukraine und in den Krisenregionen weltweit in deine Hände.

Wir bitten dich: Erbarme dich.

Öffne unsere Herzen für deine Gegenwart. Schenke uns den Mut zu Visionen und die Kraft, zu teilen, was wir haben.
Dass der Friede wachse unter uns und auf der ganzen Erde, darum bitten wir durch Christus unseren Herrn.

Amen.

--------------

Unter dem Stichwort „WD-UKRAINE“ können Sie die Arbeit vor Ort unterstützen:

Spendenkonto:
Evangelisches Jugendwerk in Württemberg
EJW-Weltdienst
Evangelische Bank (EB)
IBAN: DE24 5206 0410 0400 4054 85
BIC: GENODEF1EK1
 

Danke an das ejw für diesen Bericht.


Mehr News

  • Datum: 08.05.2024

    Herz und Herz - Der Song zum Innovationstag

    „Herz und Herz vereint zusammen" - die Band „Weida & Mohns“ hat für den Innovationstag der Landeskirche Zinzendorfs Kirchenliedklassiker neu arrangiert. Für Gemeindebands bieten sie Noten, Arrangements und Materialien zur Nutzung in Gemeinden an.

    Mehr erfahren
  • Datum: 08.05.2024

    FAQ: Himmelfahrt und Pfingsten

    Wie gehören Himmelfahrt und Pfingsten zusammen? Was hat es mit den Flammen auf den Köpfen auf sich und was mit den vielen Sprachen? Und woher kommt der Name „Pfingsten“? Pfingsten und Christi Himmelfahrt sind erklärungsbedürftig - Pfarrer Dan Peter gibt Antworten.

    Mehr erfahren
  • Datum: 08.05.2024

    Kommunal- und EU-Wahl: Infos der Landeskirche

    Am 9. Juni 2024 finden bundesweit die EU-Wahl und in Baden-Württemberg auch die Wahl zu den Gemeinde- und Stadträten statt. Auf unserer Sonderseite zur Europa- und Kommunalwahl 2024 finden Sie Stellungnahmen, Infos zu kirchlichen Aktionen und mehr.

    Mehr erfahren
  • Datum: 08.05.2024

    Ein Nagelkreuz als Zeichen der Versöhnung

    Ein Kreuz aus Coventry, bestehend aus drei Nägeln, ist seit Jahrzehnten ein Symbol für die Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg und den Sinn von Friedensarbeit. Dieser Idee fühlen sich auch in Württemberg sechs Nagelkreuzzentren verpflichtet.

    Mehr erfahren
  • Datum: 08.05.2024

    Klimakrise und Spiritualität: Veranstaltungstipp

    „Herausforderung Klimakrise – Schöpfung neu entdecken“: zu dieser Veranstaltung lädt die Evangelische Hochschul- und Zentralbibliothek am 16. Mai ein. Impulsvorträge und eine Podiumsdiskussion beleuchten das Thema. Bis zum 13. Mai anmelden!

    Mehr erfahren
  • Datum: 07.05.2024

    Bibelworte zu Muttertag und Vatertag

    Muttertag und Vatertag – für manche nur Kommerz oder ein Partytag, für andere Anlass, sich bei Müttern und Vätern, oder wen sie in ihrem Leben als solche betrachten, zu bedanken. Hier sind Bibelworte zum Thema: Lesen, teilen, oder die Festrede damit beginnen lassen!

    Mehr erfahren
  • Datum: 07.05.2024

    Innovationstag: Acht Thesen zum Weiterdenken

    Rund 1.000 Haupt- und Ehrenamtliche aus der Landeskirche kamen am 4. Mai in Reutlingen zusammen, um Ideen für die Zukunft der Kirche zu diskutieren. Dabei haben die Teilnehmenden auch acht Empfehlungen für die weitere Entwicklung erarbeitet.

    Mehr erfahren
  • Datum: 04.05.2024

    1.000 Menschen feiern Fest der Innovation

    Rund 1.000 Haupt- und Ehrenamtliche aus allen Regionen der württembergischen Landeskirche sind in Reutlingen zusammengekommen, um ihre Ideen für die Zukunft der Kirche zu präsentieren, zu diskutieren und um sich von den Ideen anderer inspirieren zu lassen.

    Mehr erfahren
  • Datum: 04.05.2024

    „Gott provoziert Veränderungen und begleitet sie“

    Die Kirchengemeinden hätten viel Gestaltungsspielraum, sagte Anna-Nicole Heinrich (Präses der 13. Synode der EKD) auf dem Innovationstag der Evangelischen Landeskirche in Reutlingen, und ermutigte dazu, ihn zu nutzen.

    Mehr erfahren
  • Datum: 04.05.2024

    Kira Geiss: „Kirche ist für mich Lebensfreude"

    Beim Innovationstag der Landeskirche trafen sich Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl und Kira Geiss, Miss Germany 2023 und christliche Influencerin, um über ihre Erfahrungen mit Innovation in der Kirche zu sprechen.

    Mehr erfahren
  • Datum: 04.05.2024

    „One size fits all funktioniert nicht mehr“

    Dr. Klaus Douglass, Direktor der Evangelischen Arbeitsstelle für missionarische Kirchenentwicklung und diakonische Profilbildung (midi) betonte auf dem Innovationstag der Landeskirche, Kirche müsse sich von innen heraus erneuern. Es gebe auch zahlreiche Belege für Erneuerung in der Bibel.

    Mehr erfahren
  • Datum: 04.05.2024

    „Hoffnung macht mir die Kirche, die nah bei den Menschen ist“

    Beim Innovationstag der Landeskirche tauschen sich rund 1.000 ehren- und hauptamtliche Teilnehmende über Innovationsideen und -projekte aus und lassen sich in Workshops und Vorträgen inspirieren. Hier finden Sie das Eröffnungsgrußwort von Landesbischof Gohl im Volltext.

    Mehr erfahren
Mehr laden