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Grüne Zukunft

Waagrecht wachsende Bäume bei Weltausstellung zu Reformation

Sie sind die Hingucker des Beitrags der Evangelischen Landeskirche in Württemberg zur Weltausstellung Reformation in Wittenberg: Drei Bäume wachsen waagrecht aus der Fassade der „Württemberger Halle“. Ein Modell für eine nachhaltige Begrünung von Großstädten, für die Bewahrung der Schöpfung in sehr dicht besiedelten Gebieten? Biologin Dr. Alina Schick, die den horizontalen Garten gepflanzt hat, hält das für eine vielversprechende Idee.

Perspektivwechsel in Wittenberg. Die Graviplants von unten.EMH

Die Bäume, die Alina Schick pflanzt, wachsen nicht in den Himmel. Sie wachsen waagerecht, um 90 Grad gekippt. Vorzugsweise aus einer Art Waschmaschinen-Trommel, die an Außenfassaden von Hochhäusern hängen. „In einer Großstadt entlang einer Straße links und rechts an den Fassaden einhundert Bäume pflanzen und dann messen, wie sich die Luft dort durch die Pflanzen verbessert, weil so die Schadstoffe heraustransportiert werden – das ist einer meiner Träume“, sagt die promovierte Agrarwissenschaftlerin und Diplom-Biologin.

Die grüne Zukunft von Städten ist in Wittenberg anlässlich der Weltausstellung zum Reformationsjubiläum schon sichtbar. Dort lässt sie an der „Württemberger Halle“, dem Ausstellungsort der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, in einem vertikalen Garten drei Bäume aus der Wand wachsen. Ihre Bäume und Pflanzen in Wittenberg kann Alina Schick von überall pflegen. Die komplexen Bewässerungsanlagen werden via Internet vom Laptop gesteuert. Videokameras und Sensoren liefern permanent Daten. So kann jede Pflanze mit der richtigen Menge Wasser gegossen und passend gedüngt werden. An ihre ungewöhnliche Ausrichtung mussten sich die Pflanzen allerdings gewöhnen. Der größte der Wittenberger Bäume wächst schon seit drei Jahren horizontal – bis vor kurzem noch im Gewächshaus an der Universität Hohenheim in Stuttgart. 

Die Württemberger Halle in Wittenberg mit den Bäumen von Dr. Alina Schick.EMH

Die Begeisterung für Pflanzen hat Alina Schick schon an viele Orte der Welt geführt. Nepal, Australien, Paris, Hohenheim: Das sind Stationen ihrer Forschungstätigkeit. „Pflanzen sind spannende Lebewesen“, sagt die 40-Jährige. Und mit deren Hilfe möchte sie für die Menschen eine bessere Zukunft gestalten. In Nepal etwa arbeitete sie drei Jahre lang daran, bessere Bedingungen für die Bauern durch eine gute Kombination von verschiedenen Nutzpflanzen zu schaffen. Am liebsten aber würde Schick ins Weltall reisen. „Als Gravitationsbiologin interessiert mich, wie sich Pflanzen im Weltraum züchten lassen. Ob ein Astronaut einmal Pflanzen auf dem Mars anbauen kann?“, überlegt sie.

Mit der Schwerkraft haben auch ihre waagrechten Bäume zu kämpfen. Das Prinzip, nach dem Schick hier arbeitet, heißt Klinostat. Erfunden hat sie es nicht. Das haben Forscher schon vor gut 150 Jahren geleistet. Doch sie hat die Idee verfeinert und zum sogenannten „GraviPlant“ weiterentwickelt. Der Topf an der Wand, in dem der Baum eingepflanzt ist, rotiert in einer bestimmten Geschwindigkeit um seine eigene Achse. So auch die drei Bäume in an der landeskirchlichen Halle in Wittenberg. „Manchmal werde ich gefragt, ob der Pflanze dabei schlecht oder schwindelig wird.“ Mit der Drehung gaukelt Alina Schick den Pflanzen vor, dass die Schwerkraft von allen Seiten wirkt. Die Folge: Die Pflanzen wachsen horizontal in den Raum und nicht wie gewohnt mit dem vegetativen, grünen Bereich gegen die Schwerkraft zum Himmel und mit den Wurzeln mit der Schwerkraft zum Erdinneren. Zwanzig verschiedene Pflanzenarten hat die Wissenschaftlerin schon getestet. Liguster gedeihe gut, sagt sie und mit Hibiskus und Sonnenblume war sie zufrieden. Als Nächstes testet sie eine Korea-Tanne. Auch Kirsch-, Apfel- und Pflaumenbäume hat sie gedreht. Der Kirschbaum trug sogar Früchte. „Die waren sehr sauer, das lag aber eher daran, dass es ein Sauerkirschenbaum war“, sagt Alina Schick schmunzelnd. 

Mein Ziel: In zehn Jahren ist in jeder Großstadt der Welt mindestens eine Wand bepflanzt.

Dr. Alina Schick

All das für eine große Idee: aus grauen Betonwüsten grüne Oasen gestalten. „Unser Ansatz ist die Begrünung von Innenstädten“, sagt sie. Vor allem an Groß- und Megastädte denke sie, mit ihren Hochhäusern, dem Verkehrslärm und der Luftverschmutzung. Dort könnte Fassadenbegrünung eine vielversprechende Idee sein, wenn die Bewässerung und die Ernährung der Pflanzen durch ein Versorgungssystem gewährleistet sind. Mit Hilfe der Pflanzen will sie für eine bessere Luft, Lärmschutz, Temperaturregulierung und für einen ästhetischen Aspekt in Städten sorgen. „Ich denke auch an Stuttgart und sein Feinstaubproblem“, sagt sie. Der Preis dafür ist moderat. „Für die Umdrehung von 10 kleinen Klinostat-Einheiten, bepflanzt mit Sonnenblumen, die an der Universität Hohenheim gemeinsam mit einem Motor angetrieben wurden, wurde ein Stromverbrauch von 15 Wattstunden gemessen“, erklärt Schick. Das sei im Vergleich zum Verbrauch einer 60 Watt Glühbirne beruhigend gering. Um Energie zu sparen, teste man gerade, den GraviPlant nicht permanent, sondern im Intervall zu drehen. Für die Zukunft sei zudem ein GraviPlant mit Solarzellen angedacht. Damit aus Ideen Realitäten werden, gibt es seit Anfang des Jahres 2017 die Firma Visioverdis GmbH, die Alina Schick als Geschäftsführerin leitet. „Es geht nicht ohne Pioniergeist“, sagt sie. Ihr Ziel: In zehn Jahren ist in jeder Großstadt der Welt mindestens eine Wand bepflanzt.

Nadja Golitschek/Ute Dilg

Dr. Alina Schick bietet am 12. Juli von 14 bis 15 Uhr und am 3. August von 12 bis 13 Uhr in der „Württemberger Halle“ in Wittenberg Führungen durch die Installation an. Dabei geht es auch um ethische Fragen. Zum Beispiel: Wie weit darf der Mensch in der Veränderung der Natur gehen?


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