Stuttgarts Prälat Ulrich Mack sieht seine Kirche vor großen Herausforderungen
Seit zehn Jahren ist Ulrich Mack evangelischer Prälat für die Region Stuttgart. Am 18. September wird er verabschiedet. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) verrät er, warum es fürs Predigen Begeisterung braucht und wie die Kirche auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren sollte.
Herr Mack, was war Ihnen in Ihrem Prälatenamt besonders wichtig? Zu diesem Amt gehört das Predigen, was ich sehr gerne gemacht habe - fast jeden Sonntag. Mein Ziel war es, Menschen für die biblische Botschaft zu begeistern. Predigten, denen man die Begeisterung für Gottes Wort nicht abspürt, kommen auch nicht rüber.
Was gehörte noch zu Ihrem Dienstauftrag? Das Ermutigen der Pfarrerschaft für ihren Dienst, auch der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter. Dies geschah vor allem in Visitationen von Kirchenbezirken und in Wiederbesetzungssitzungen in Kirchengemeinden, wenn eine Pfarrstelle vakant wurde. Außerdem habe ich gerne viele Kontakte zu Politik, Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Bereichen wahrgenommen. Auch das gehört zu unserem kirchlichen Auftrag.
Gab es auch Scheitern? Klar, manches Erhoffte blieb unerfüllt. Das ist in vielen Berufen so und überhaupt im Leben. Für uns als Kirche sind die großen gesellschaftlichen Trends schwierig und eine Herausforderung, auf die wir uns einstellen müssen. Zum Beispiel Individualisierung, Pluralisierung und Säkularisierung. Menschen gehören nicht mehr selbstverständlich zu einer Kirchengemeinde vor Ort. Viele stillen ihre religiösen Bedürfnisse auch andernorts. Pfarrerinnen und Pfarrer beobachten, dass der Gottesdienstbesuch nachlässt, und fragen sich: Wie geht das in den nächsten 20, 30 Jahren weiter? Zudem wird in Deutschland das Religiöse mehr und mehr ins Private verschoben.
Und gegen diese Trends konnten Sie nichts Wesentliches ausrichten? Solche Trends kann man nicht einfach umkehren. Wichtig ist, sich auf sie einzustellen und aufmerksam Tendenzen wahrzunehmen. Ich meine, dass die Situation sich zurzeit verändert insbesondere durch die vielen Flüchtlinge in unserem Land. Ein Oberbürgermeister erzählte mir, dass Asylsuchende in den Unterkünften ihre Betreuer fragen: "Woran glaubt ihr?" Hier wird Religion also wieder zum Gesprächsthema. Es wird Zeit, dass wir öffentlich über unseren Glauben reden. Als ich noch Vorsitzender des Theologischen Ausschusses der Landessynode war, haben wir einen Text unter der Überschrift "Daran glauben wir" erarbeitet und 2005 verabschiedet. Interessant für mich ist, dass in diesen Monaten wieder neu nach diesem Papier gefragt wird.
In Ihren Publikationen finden sich zwei klare Schwerpunkte: Das (Wieder-)Entdecken der Bibel sowie der kirchlichen Feste. Ist das ein Schreiben gegen den Trend von Bibel- und Kirchenvergessenheit? Ich beobachte, dass Begeisterung für die Bibel durchaus zu wecken ist. Als Lehrer in Bibelkursen freue ich mich immer, wenn sich Menschen auf die Bibel einlassen. Und ich bedauere es, dass es in vielen Gemeinden keine wöchentlichen Bibelstunden mehr gibt. Wo erfährt denn ein Mensch, der wenig Kontakt zur Kirche hat, etwas über die Bibel? Wir haben zurzeit erfreulich viele Glaubenskurse in unseren Gemeinden - es ist an der Zeit, sie durch das Angebot von Bibelkursen zu ergänzen. Heute reden viele über die "christlichen Werte des Abendlands" und halten deren Bewahrung für wichtig. Doch wissen wir, welche Werte das sind und welche biblischen Grundlagen sie haben?
Warum sollte ein moderner Mensch die alten Bibelgeschichten lesen? Weil sie Urgeschichten des Menschseins enthalten. Urgeschichten des Glaubens, des Liebens, des Hoffens. Weil Menschen darin Erfahrungen mit den Grenzen des Lebens und mit Gott gemacht haben. Die tiefste Sehnsucht des Menschen gilt auch heute den Fragen: Wer bin ich? Wo komme ich her? Wer hat mich gewollt? Wo gehe ich hin? Das beantwortet die Bibel, wenn man sie zu lesen versteht und sich in ihr beheimatet weiß.
Wichtig war Ihnen das neue Bibelmuseum, das im vergangenen Jahr in der Stuttgarter Innenstadt eröffnet wurde? Das war ein Highlight während meiner Amtszeit. Das neue "bibliorama" ist weniger ein Museum, sondern vielmehr eine Bibel-Erlebniswelt. Genau das ist heute gefragt und kommt auch gut an.
Warum werben Sie für das Entdecken der christlichen Feste? Weil sie im öffentlichen Bewusstsein fest verankert sind - alleine durch die Feiertage an Weihnachten, Ostern, Pfingsten. Das ist ein Anknüpfungspunkt, um mit Menschen über die Inhalte der Tage zu reden, an denen auch sie freihaben. Es ist doch interessant, dass der Rhythmus des Festkalenders dem Rhythmus des persönlichen Lebens immer schon vorgeordnet ist. Wir erleben die großen Feste gemeinsam und feiern sie selbst dann, wenn uns nicht danach zumute ist. So setzen wir uns auch immer neu mit der Botschaft von Jesus Christus auseinander.
Ihre Prälatur ist mit Firmen wie Daimler, Bosch und Porsche, aber auch mit zahllosen Mittelständlern sehr wirtschaftsstark. Hat sich das früher angespannte Verhältnis der evangelischen Kirche zu Unternehmern verbessert? Es gibt eine von der 68-er-Bewegung geprägte evangelische Ethik, die sehr kapitalismuskritisch und teilweise auch konzernfeindlich war. Das scheint mir im Wesentlichen überwunden - und es ist im Rückblick auch nicht nur negativ zu bewerten, denn diese kritische Sicht hat manches bewirkt. Soziales Handeln von Unternehmen ist heute fast selbstverständlich geworden. Eine generelle Unternehmensschelte war aber aus meiner Sicht nie berechtigt. Ich kenne viele evangelische Unternehmer, die nach Werten wirtschaften, die ich alle unterschreiben könnte.
Die Gesellschaft wird vielfältiger, wir als Kirche sollten es in unseren Formen auch werden.
Über den Deutschen Evangelischen Kirchentag 2015 in Stuttgart haben Sie sich sehr gefreut, obwohl die Veranstaltung Konservativen früher oft ein Dorn im Auge war. Woher die Begeisterung? Der Kirchentag hat sich an manchen Stellen geändert und geöffnet. Gottesdienste, Bibelarbeiten, geistliche Angebote kommen heute viel stärker vor als vor 30 oder 40 Jahren. Außerdem hat sich die gesellschaftliche Situation verändert: Viele Menschen nehmen heute kaum noch von der Kirche Notiz. Da war der Kirchentag ein starkes Zeichen, mit über 100.000 Besuchern in Stuttgart das breite Leben der Kirche zu zeigen. Über die friedliche, hörende, nachdenkliche Atmosphäre habe ich mich sehr gefreut. Ich würde im Rückblick allenfalls kritisieren, dass der Kirchentag sich zu wenig auf die Angebote und Ideen der gastgebenden Landeskirche eingelassen hat. Das hat in Gemeinden im Großraum Stuttgart teilweise zu Enttäuschungen geführt.
Wo sehen Sie die großen Herausforderungen für die Landeskirche in den kommenden Jahren? Die Kirche ist zu jeder Zeit herausgefordert, neu zu buchstabieren, was Jesus Christus für uns bedeutet. In einer multireligiösen Welt wird das noch wichtiger. Dabei kann das Reformationsjubiläum 2017 helfen. In Stuttgart bemerken wir zudem, dass die christliche Szene immer vielfältiger wird. Den unterschiedlichen Bedürfnissen müssen wir auch im Blick auf unsere Gottesdienste Rechnung tragen. Zum klassischen, liturgischen Gottesdienst mit Orgelmusik sollten verstärkt andere Formate kommen, zu denen sich bestimme Milieus stärker hingezogen fühlen. Das geschieht vielerorts schon. Auch das klassische Parochialprinzip, nach dem jedes Kirchenmitglied aufgrund seines Wohnorts einer bestimmten Kirchengemeinde zugeordnet wird, sollten wir durch überregionale Gemeindeformen ergänzen. Die Gesellschaft wird vielfältiger, wir als Kirche sollten es in unseren Formen auch werden.
Was planen Sie für Ihren Ruhestand? Ich habe schon einige Anfragen für Predigten, Vorträge und Referate bekommen. Ein paar Ehrenämter werde ich noch über die nächsten ein, zwei Jahre ausfüllen, möchte sie dann aber abgeben. Denn ich bin sehr für Altersgrenzen in kirchlichen Ämtern. Gleichzeitig bin ich offen für das, was Gott mit meinem Leben noch vorhat.
Haben Sie einen guten Wunsch für Ihre Nachfolgerin Gabriele Arnold? Dass sie ihren Dienst im Prälatenamt so fröhlich tun kann, wie ich ihn tun konnte.
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