| Gesellschaft

Sterbehilfe: July bedauert Richterspruch

Landesbischof sieht Sterbebegleitung als Lebenshilfe

Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July.Wilhelm Betz/elk-wue.de

Karlsruhe/Stuttgart. Der württembergische Landesbischof Dr. h. c. Frank Otfried July hat mit Bedauern auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts reagiert, wonach das bisherige Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe verfassungswidrig ist.

July machte in seiner Reaktion auf das am Mittwochvormittag verkündete Urteil des höchsten deutschen Gerichts deutlich, dass die württembergische Landeskirche sich gemeinsam mit dem Diakonischen Werk schon seit langer Zeit um Patienten in Hospizen und Palliativstationen kümmert. „Wir verstehen Sterbebegleitung als Lebenshilfe.“

Das Urteil aus Karlsruhe sieht der Landesbischof nun als Anlass, „unsere Beratungs- und Betreuungsarbeit zu erweitern und zu vertiefen. Wir wollen Patienten und Angehörige noch besser über die Möglichkeiten der Palliativmedizin informieren".

Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle während der Urteilsverkündung.ZDF (Screenshot)

Das sagen die Richter

Das Bundesverfassungsgericht sieht die Entscheidung eines Einzelnen, „seiner eigenen Existenz ein Ende zu setzen", als weder durch Gesetze noch durch die Religion einschränkbar an. Es sei Ausdruck der grundgesetzlich garantierten persönlichen Autonomie, „über das Sterben selbstbestimmt zu entscheiden“.

In seiner Urteilsverkündung betonte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle: „Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses Recht schließt die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen.“ Dies sei „von Staat und Gesellschaft zu respektieren“. Deshalb sei der Paragraph 217 des Strafgesetzbuches - er stellt die sogenannte geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe - in seiner derzeitigen Form verfassungswidrig.

Gleichzeitig stellte das Gericht aber klar, dass der Gesetzgeber die Hilfe zum Suizid durchaus regeln darf. Außerdem bleibt auch nach dem Urteilsspruch aus Karlsruhe die sogenannte aktive Sterbehilfe verboten.

Sechs Klagen in Karlsruhe

Mehrere Schwerkranke sowie Ärzte und Sterbehilfe-Vereine hatten gegen die bisherige Regelung geklagt: Die einen sahen ihre allgemeinen Persönlichkeitsrechte verletzt, die anderen ihre Berufsfreiheit unzulässig eingeschränkt. Insgesamt lagen dem Gericht sechs Klagen zur Entscheidung vor.

Die bisherige gesetzliche Lage zur Sterbehilfe: Grün - passive beziehungsweise indirekte Sterbehilfe erlaubt. Blau - aktive Sterbehilfe erlaubt. Gelb - Beihilfe zur Selbsttötung (assistierter Suizid) erlaubt. Rot - keine Form der Sterbehilfe legal. Schwarz - unklare Rechtslage. Tietenkin100/CC BY-SA 3.0

Bedenken von der EKD

Eine Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts kommt auch von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Sie sieht die Gefahr, „dass Suizidbeihilfe zur alltäglichen Selbstverständlichkeit werden könnte und dass sich hierdurch das Wertefundament des Zusammenlebens entscheidend verändert“.

In einer ersten Stellungnahme sieht die EKD letztlich sogar die generell unantastbare Würde jedes Menschen in Frage gestellt. „Die Gefahr besteht, dass das menschliche Leben gerade in seiner verletztlichsten Phase in nicht hinnehmbarer Weise gefährdet wird.“ Auch am Ende des Lebens müssten Menschen die Gewissheit haben, bestmöglichst versorgt zu werden. „Sie dürfen nicht verunsichert werden, um dann aus ökonomischen Gründen vielleicht nicht alle Hilfe in Anspruch zu nehmen, die sie benötigen.“

Gleichzeitig erneuerte die Evangelische Kirche in Deutschland ihre Forderung, die Hospizarbeit und Palliativversorgung zu stärken. Damit solle erreicht werden, „dass Menschen in ihrer letzten Lebensphase so selbstbestimmt und würdevoll wie möglich leben und schließlich auch einfühsam begleitet sterben können“.


Mehr News

  • Datum: 08.05.2024

    Herz und Herz - Der Song zum Innovationstag

    „Herz und Herz vereint zusammen" - die Band „Weida & Mohns“ hat für den Innovationstag der Landeskirche Zinzendorfs Kirchenliedklassiker neu arrangiert. Für Gemeindebands bieten sie Noten, Arrangements und Materialien zur Nutzung in Gemeinden an.

    Mehr erfahren
  • Datum: 08.05.2024

    FAQ: Himmelfahrt und Pfingsten

    Wie gehören Himmelfahrt und Pfingsten zusammen? Was hat es mit den Flammen auf den Köpfen auf sich und was mit den vielen Sprachen? Und woher kommt der Name „Pfingsten“? Pfingsten und Christi Himmelfahrt sind erklärungsbedürftig - Pfarrer Dan Peter gibt Antworten.

    Mehr erfahren
  • Datum: 08.05.2024

    Kommunal- und EU-Wahl: Infos der Landeskirche

    Am 9. Juni 2024 finden bundesweit die EU-Wahl und in Baden-Württemberg auch die Wahl zu den Gemeinde- und Stadträten statt. Auf unserer Sonderseite zur Europa- und Kommunalwahl 2024 finden Sie Stellungnahmen, Infos zu kirchlichen Aktionen und mehr.

    Mehr erfahren
  • Datum: 08.05.2024

    Ein Nagelkreuz als Zeichen der Versöhnung

    Ein Kreuz aus Coventry, bestehend aus drei Nägeln, ist seit Jahrzehnten ein Symbol für die Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg und den Sinn von Friedensarbeit. Dieser Idee fühlen sich auch in Württemberg sechs Nagelkreuzzentren verpflichtet.

    Mehr erfahren
  • Datum: 08.05.2024

    Klimakrise und Spiritualität: Veranstaltungstipp

    „Herausforderung Klimakrise – Schöpfung neu entdecken“: zu dieser Veranstaltung lädt die Evangelische Hochschul- und Zentralbibliothek am 16. Mai ein. Impulsvorträge und eine Podiumsdiskussion beleuchten das Thema. Bis zum 13. Mai anmelden!

    Mehr erfahren
  • Datum: 07.05.2024

    Bibelworte zu Muttertag und Vatertag

    Muttertag und Vatertag – für manche nur Kommerz oder ein Partytag, für andere Anlass, sich bei Müttern und Vätern, oder wen sie in ihrem Leben als solche betrachten, zu bedanken. Hier sind Bibelworte zum Thema: Lesen, teilen, oder die Festrede damit beginnen lassen!

    Mehr erfahren
  • Datum: 07.05.2024

    Innovationstag: Acht Thesen zum Weiterdenken

    Rund 1.000 Haupt- und Ehrenamtliche aus der Landeskirche kamen am 4. Mai in Reutlingen zusammen, um Ideen für die Zukunft der Kirche zu diskutieren. Dabei haben die Teilnehmenden auch acht Empfehlungen für die weitere Entwicklung erarbeitet.

    Mehr erfahren
  • Datum: 04.05.2024

    1.000 Menschen feiern Fest der Innovation

    Rund 1.000 Haupt- und Ehrenamtliche aus allen Regionen der württembergischen Landeskirche sind in Reutlingen zusammengekommen, um ihre Ideen für die Zukunft der Kirche zu präsentieren, zu diskutieren und um sich von den Ideen anderer inspirieren zu lassen.

    Mehr erfahren
  • Datum: 04.05.2024

    „Gott provoziert Veränderungen und begleitet sie“

    Die Kirchengemeinden hätten viel Gestaltungsspielraum, sagte Anna-Nicole Heinrich (Präses der 13. Synode der EKD) auf dem Innovationstag der Evangelischen Landeskirche in Reutlingen, und ermutigte dazu, ihn zu nutzen.

    Mehr erfahren
  • Datum: 04.05.2024

    Kira Geiss: „Kirche ist für mich Lebensfreude"

    Beim Innovationstag der Landeskirche trafen sich Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl und Kira Geiss, Miss Germany 2023 und christliche Influencerin, um über ihre Erfahrungen mit Innovation in der Kirche zu sprechen.

    Mehr erfahren
  • Datum: 04.05.2024

    „One size fits all funktioniert nicht mehr“

    Dr. Klaus Douglass, Direktor der Evangelischen Arbeitsstelle für missionarische Kirchenentwicklung und diakonische Profilbildung (midi) betonte auf dem Innovationstag der Landeskirche, Kirche müsse sich von innen heraus erneuern. Es gebe auch zahlreiche Belege für Erneuerung in der Bibel.

    Mehr erfahren
  • Datum: 04.05.2024

    „Hoffnung macht mir die Kirche, die nah bei den Menschen ist“

    Beim Innovationstag der Landeskirche tauschen sich rund 1.000 ehren- und hauptamtliche Teilnehmende über Innovationsideen und -projekte aus und lassen sich in Workshops und Vorträgen inspirieren. Hier finden Sie das Eröffnungsgrußwort von Landesbischof Gohl im Volltext.

    Mehr erfahren
Mehr laden