| Kirchenjahr

„Eine feine und äußerliche Zucht“

Die Adventszeit galt über viele Jahrhunderte als Fastenzeit

Glühwein, Bratwurst und gebrannte Mandeln, dazu viele Lichter und Klimbim, Shopping und Hektik. Von einer besinnlichen Zeit ist im Advent wenig zu spüren, so viele Kritiker eines weihnachtlichen Konsumrauschs. Dabei war die Adventszeit traditionell eine Zeit des Verzichts und des Fastens. 

Frugal und einfach - auch so kann Advent aussehen.Thomas Graf - fotolia.com

Adventszeit als Fastenzeit? Zumindest ist sie das in der Liturgie der Kirche(n). Die liturgische Farbe im Advent ist violett. Violett entsteht aus Rot als Farbe für Fleisch und Blut und Blau als Symbol für den Himmel, als Symbol für den Bereich Gottes. Die Farbe steht für Besinnung und Gebet, für Buße und Umkehr. Sie wird in der Vorbereitungszeit auf die hohen, kirchlichen Feste verwendet – in der Advents- und Passionszeit und am Buß- und Bettag.

Im christlichen Rom ab etwa 400 nach Christus war der Advent eine Zeit der Vorbereitung auf die Ankunft des Erlösers in seiner Menschwerdung. Es spricht vieles dafür, dass es dort insgesamt sechs Adventssonntage gab. In Gallien hingegen gedachte man eher der endzeitlichen Wiederkunft Christi. Beides findet sich bis heute in der Prägung der Adventssonntage und natürlich in den Adventsliedern, etwa in „Der jüngste Tag ist nun nicht fern“ (Evangelisches Gesangbuch 6,2).

Fasten vom Martinstag bis Epiphanias

Das erste schriftliche Zeugnis für die Adventszeit findet sich bei Bischof Perpetuus von Tours (nach 490 nach Christus). Er fordert, dass in der Zeit zwischen dem 11. November und dem Weihnachtsfest dreimal in der Woche gefastet wird und deutet an, dass es früher ein achtwöchiges Fasten zwischen dem 11. November und dem Epiphaniasfest (6. Januar) gab. Warum der 11. November? Perpetuus, der Nachfolger des Heiligen Martin von Tours, legte dessen Gedenktag auf den 11. November, dem Tag von Martins Bestattung. In der Folge hatte Perpetuus ein geistliches und kirchenpolitisches Interesse, diesen Tag gebührend zu feiern und in der Gemeinde zu verankern.

Im Lauf des Mittelalters wurde die Adventszeit auf vier Sonntage beschränkt. Dies wurde auf dem Konzil von Trient in der Zeit um 1550 bestätigt und von Papst Pius V. 1570 für verbindlich erklärt. In einigen Diözesen, etwa in Mailand, gilt aber bis heute eine sechswöchige Adventszeit. Allerdings ist das Adventsfasten heute nicht mehr verbindlich.

In der Ostkirche nur Gemüse, Kartoffeln und Brot erlaubt

In der Ostkirche spricht man nicht vom Adventsfasten, sondern vom Philippusfasten. Es reicht vom Gedenktag des Apostels Philippus am 14. November bis Weihnachten, beziehungsweise vom 28. November bis zum 6. Januar in der russisch-orthodoxen Kirche. Dabei werden die Fastenregeln immer strenger, je näher das Weihnachtsfest rückt. In den letzten Tagen vor Weihnachten sind nur noch Gemüse, Kartoffeln und Brot erlaubt.

Fasten eine „feine und äußerliche Zucht“

Aus evangelischer Sicht ist das Fasten ein äußerlicher Brauch, der nicht für das Heil wichtig ist. Es kann aber hilfreich sein, durch den bewussten Verzicht auf manche Dinge den Kopf für das Wesentliche frei zu bekommen. Die Reformatoren verstanden also das Fasten als „feine und äußerliche Zucht“ des Einzelnen, das man nicht zum Gesetz machen darf. Martin Luther schreibt im „Sermon von den guten Werken“: „Wenn einer fände, dass ihm vom Fasten der Kopf wüst und toll oder der Leib und der Magen verderbt würde […], so soll er das Fasten ganz gehen lassen und essen, schlafen, müßig gehen, so viel ihm zur Gesundheit nötig ist.“

Es muss also jeder Mensch selbst herausfinden, wie er die Adventszeit begehen möchte. Entscheidend ist, dass wir uns nicht vor lauter Vorbereitung dazu verleiten lassen, den Sinn des Advents zu vergessen: Gott kommt zu uns!

Kirchenrat Frank Zeeb


Mehr News

  • Datum: 04.05.2024

    Live: Innovationstag in Reutlingen

    Workshops, Vorträge, Präsentationen, Kreativ-Meile, Begegnungen und Gespräche - heute findet in Reutlingen der große landeskirchliche Innovationstag statt. Impressionen vom Tag finden Sie non stop in unseren Instagram-Storys! Klicken Sie im Kanal auf das Landeskirchenlogo, um die Beiträge zu sehen.

    Mehr erfahren
  • Datum: 03.05.2024

    „Begeisterung für Fußball erleben“

    Vom 14. Juni bis 14. Juli findet in Deutschland die Fußball-EM der Männer statt. Fünf der Spiele werden in Stuttgart ausgetragen. Die Landeskirche begleitet das Großereignis unter dem Dach der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit vielen Angeboten.

    Mehr erfahren
  • Datum: 03.05.2024

    TV-Tipp: Vierfacher Vater plötzlich Witwer

    Innerhalb weniger Wochen änderte sich Stefan Bitzers Leben komplett. Er verlor seinen Job, seine Frau, seinen Vater – und blieb zurück mit vier Kindern. Alpha & Omega“-Moderatorin Heidrun Lieb spricht mit ihm darüber, wie er diese kritische Lebensphase bewältigte.

    Mehr erfahren
  • Datum: 30.04.2024

    „Stadtradeln“ mit Gottes Segen

    Die württembergische Landeskirche unterstützen die Aktion „Stadtradeln“ mit dem Landesarbeitskreis „Kirche und Sport“ und mit der Diözese Rottenburg-Stuttgart sowie dem Württembergischen Landessportbund. Unter dem Motto Achtsamkeit werden ein Andachtsentwurf und kostenfreie Aufkleber „Bleib behütet auf all deinen Wegen“ angeboten.

    Mehr erfahren
  • Datum: 30.04.2024

    So begeistert Gemeinde – sieben Projekte

    Unter dem Motto #gemeindebegeistert stellen Menschen auf dem Innovationstag Projekte vor, die auf neue Weise Kirche der Zukunft gestalten: Von „4 Pfarrer auf 1 Streich“ bis „Schwätzbänkle“. Wir haben gefragt, was die Ideen besonders macht und welche Vision dahintersteckt.

    Mehr erfahren
  • Datum: 29.04.2024

    Video: „Gottesdienste sind fast wie Urlaub“

    Was macht an dem Beruf der Mesnerin besonders Spaß? Welche Herausforderungen bringt er mit sich, und warum fühlt er sich manchmal wie Urlaub an? Rundfunkpfarrerin Barbara Wurz hat bei SWR1 Begegnungen Gabi Sauer, die Mesnerin der evangelischen Veitskirche in Nehren, zu Gast.

    Mehr erfahren
  • Datum: 26.04.2024

    Zum 90. Geburtstag von Prof. Dr. Martin Rößler

    „Wir gratulieren Martin Rößler und wünschen ihm Gottes Segen. Einen passenderen Sonntag als diesen gibt es für Martin Rößler nicht: Sonntag Kantate, der das geistliche Singen in den Mittelpunkt stellt.“ Landesbischof Gohl gratuliert Prof. Dr. Martin Rößler zum 90. Geburtstag.

    Mehr erfahren
  • Datum: 26.04.2024

    „Das Gesangbuch ist ein Lebensbuch“

    „Singen ist Lebenshilfe. Das Gesangbuch ist mehr als eine Sammlung von Liedern für wechselnde Jahreszeiten und sonstige Anlässe. Das Gesangbuch ist ein Lebensbuch.“ Das sagt Landesbischof Gohl in seiner Predigt aus Anlass des 500-jährigen Jubiläums des evangelischen Gesangbuchs.

    Mehr erfahren
  • Datum: 26.04.2024

    „Wo wir der Hoffnung Stimme geben, wächst die Zuversicht“

    „Hoffnung in einer hoffnungslosen Welt?!“ war das Motto des Herzschlaggottesdienstes in Nellmersbach, in dem Landesbischof Gohl am 21. April gepredigt hat. Hier finden Sie die Predigt zu einem Vers aus Psalm 18: „Mit meinem Gott kann ich über Mauern springen“.

    Mehr erfahren
  • Datum: 22.04.2024

    Innovationstag: Jetzt anmelden!

    Frische Ideen fürs Gemeindeleben: Unter dem Motto „#gemeindebegeistert – Kirche lebt, wo dein Herz schlägt“ veranstaltet die Landeskirche am 4. Mai einen großen Innovationstag. In Projektpräsentationen und Workshops gibt’s Austausch und Tipps. Jetzt anmelden

    Mehr erfahren
  • Datum: 22.04.2024

    KI in der Gemeindearbeit einsetzen

    Was ist Künstliche Intelligenz und was ist damit anzufangen? Eignet sich KI auch für die Gemeindearbeit und wo konkret kann sie dort zielgerichtet angewendet werden? Mit diesen Fragen befasst sich am 16. Mai ein Online-Seminar des Evangelischen Medienhauses.

    Mehr erfahren
  • Datum: 19.04.2024

    „Konfirmanden ist Glaube wichtiger als Geschenke“

    Frontalunterricht gibt es kaum noch im Konfi-Unterricht, sagt Prof. Dr. Wolfgang Ilg von der Evangelischen Hochschule in Ludwigsburg im Interview. Die Konfi-Arbeit sei nach wie vor das Angebot mit der größten Reichweite in der Evangelischen Kirche.

    Mehr erfahren
Mehr laden