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„Kunst hält uns den Spiegel vor“

Zweiter Kunstpreis der Landeskirche ausgeschrieben

Kirche und Kunst verbinden Jahrhunderte gemeinsamer Geschichte. Viele Kirchenräume sind ausgemalt mit aufwendigen Fresken, in anderen hängen wertvolle Gemälde. Doch was macht das Verhältnis von Kunst und Kirche heute aus? Und was bedeutet es, wenn die württembergische Landeskirche einen Kunstpreis ausschreibt? Ute Dilg hat darüber mit dem landeskirchlichen Kunstbeauftragten Reinhard Lambert Auer gesprochen.

Reinhard Lambert Auer vor der Württembergischen Evangelischen Landessynode bei der Sommertagung 2015 im Stuttgarter Hospitalhof.

Die Evangelische Landeskirche in Württemberg schreibt in diesem Jahr wieder einen Kunstpreis aus. Warum?

Kirche und bildende Kunst haben eine Jahrhunderte lange, wechselseitige Beziehung zueinander. An diese Beziehung möchten wir mit dem Kunstwettbewerb anknüpfen und dem geänderten Verhältnis zwischen Kunst und Kirche Rechnung tragen. Wir wollen als Kirche unsere Kulturträgerschaft ernst nehmen und der Gegenwartskunst im Dialog als gleichberechtigter Gesprächspartner begegnen.

Es ist der zweite Wettbewerb dieser Art. Was hat der erste Kunstpreis bewirkt?

Als wir vor drei Jahren zum ersten Mal einen Kunstpreis ausgeschrieben haben, war die Resonanz überwältigend. Wir hatten über tausend Einreichungen. Die Künstlerinnen und Künstler haben positiv vermerkt, dass wir als Kirche Interesse an ihrer Arbeit zeigen. Und auch die kulturelle und innerkirchliche Öffentlichkeit hat den Preis gut aufgenommen. Das hat uns angespornt, so einen Kunstpreis auch ein zweites Mal zu positionieren. Denn Gegenwartskunst kann uns als Kirche Anregungen geben. Sie kann die Wahrnehmung schärfen für das, was in der Welt vorgeht. Und sie kann unseren Blick auf uns selbst und auf den Glauben erweitern. 

Kirche und Kunst gehörten über Jahrhunderte zusammen. Kirche war immer ein großer Mäzen. Heutzutage kann man das nicht mehr unbedingt so sagen. Es wird eher als anstößig gesehen, für Kunst viel Geld auszugeben.

Wir sind natürlich nicht mehr Mäzen und Auftraggeber, wie das in früheren Zeiten der Fall war. Aber man muss differenzieren: Zum einen brauchen wir eine neue Offenheit für Gestaltungsfragen. Wir brauchen die Kunst als Partnerin und Gestalterin für unsere Räume. Ich beobachte, dass man in den vergangenen Jahren wieder vermehrt Wert auf eine ansprechende Gestaltung kirchlicher Räume legt. Ästhetische Bildung wird auch in den Gemeinden zunehmend wichtig. Zum anderen brauchen wir die Kunst als Gesprächspartner. Sie deutet die Welt oft neu und anders, nimmt auf, was die Menschen umtreibt. Zudem geschieht Glaube immer in kulturellen Vermittlungsformen. Wenn wir die frohe Botschaft weitergeben wollen, müssen wir uns auch über die Form Gedanken machen. Und wenn wir über Geld reden: Wenn wir als Kirche mit Künstlerinnen und Künstlern zusammenarbeiten, dann müssen wir auch Geld in die Hand nehmen. Zwar nicht in dem Ausmaß wie in früheren Jahrhunderten, aber durchaus auf angemessenem Niveau. Der Kunstpreis mit seiner Dotierung – 10.000 Euro für den Hauptpreis, 3.000 Euro für den Förderpreis – ist dafür ein Beispiel. Wir wollen damit die Arbeit der Künstlerinnen und Künstler würdigen.

Mit dem Titel des zweiten Kunstpreises „reForm“ bezieht man sich auf das Reformationsjubiläum. Welche Überlegungen stehen dahinter?

Wir wollten nicht irgendeinen Kunstpreis ausschreiben, sondern haben wie beim ersten Mal einen Anlass gesucht. Da bietet sich natürlich das Reformationsjubiläum an. Darauf bezieht sich der Titel „reForm. So wie die Kirche immer wieder Reformen braucht, ist dieser Begriff auch in der künstlerischen Arbeit wichtig. Wir fragen Künstlerinnen und Künstler auch nach ihrem Ausgangspunkt: Wie und aus was kann immer wieder Wandlung und Innovation entstehen? 

In der Ausschreibung nehmen Sie explizit Bezug auf eine Ausstellung im Landesmuseum Württemberg im Alten Schloss in Stuttgart mit dem Titel „Christoph. Ein Renaissancefürst im Zeitalter der Reformation.“. Was hat es damit auf sich?

Der Kunstpreis bezieht sich auf diese Ausstellung, deren Schirmherr übrigens Landesbischof July ist. Da geht es um Themen, die durchaus auch aktuell künstlerisch bearbeitet werden können. Und sie sollen inspirieren und anregen, über eigene Prozesse von Rückbezug, Erneuerung und Weiterentwicklung nachzudenken und dafür Ausdrucksformen zu finden. Die Verleihung des Kunstpreises soll im März 2016 im Alten Schloss stattfinden. Und die prämierten Arbeiten werden dann dort parallel zur Endphase der Herzog Christoph-Ausstellung gezeigt. 

Kunst hält uns einen Spiegel vor, stellt Fragen, vermittelt neue Wahrnehmungen und weist uns auf die Menschen hin.

Reinhard Lambert Auer

Hat Kunst heutzutage noch eine reformatorische Kraft?

Die Kunst hat durchaus die Funktion, uns als Kirche ein Stück weit in Bewegung zu halten. Wir müssen uns darüber klar sein, woher wir kommen und was unsere Grundlagen in Kultur und Glauben sind. Darin dürfen wir aber nicht verharren, sondern sollten uns immer wieder um eine Aktualisierung und Weiterentwicklung unserer Vermittlungsformen bemühen. In diesem Zusammenhang hat die Kunst eine reformatorische Kraft. Sie ist für uns als Kirche inspirierend. Sie hält uns einen Spiegel vor, stellt Fragen, vermittelt neue Wahrnehmungen und weist uns auf die Menschen hin.

Kunst karikiert bzw. provoziert durchaus auch die Kirche als Institution oder bestimmte Glaubensinhalte. Wo setzt die Jury beim Kunstpreis der Landeskirche eine Grenze? Was sind Kriterien der Bewertung?

Die Jury hat verschiedenen Kriterien, nach denen sie vorgehen muss. Vorrangig geht es darum, zu beurteilen, ob etwas künstlerisch und ästhetisch überzeugend ist. Wenn eine kritische Anfrage an die Kirche überzeugend in eine künstlerische Form gebracht wird, hat das also durchaus eine Chance, preiswürdig zu sein.

Vielen Dank für das Gespräch.


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